Donnerstag, 23. Dezember 2010

Fröhliche Weihnachten

Svenja und Claudia Frühstück Koffeehuusbei PLAZA„Ob die hier auch Haggis haben?“, frage ich Claudia, als wir uns an einen freien Tisch im Koffiehuus setzen. Doch anstatt mir eine vernünftige Antwort zu geben, wirft sie mir nur ihren gefürchteten "Über den Brillenrand Blick" zu.

„Ok, das hätte ich auch nicht vermutet. Wäre aber eine prima Gelegenheit gewesen, um ein wenig für Schottland zu trainieren. Dann nehme ich stattdessen die Krabben mit Rührei, damit kann ich auch schon ein bisschen üben.“

Es ist der Tag vor Heiligabend und wie jedes Jahr habe ich mir heute frei genommen, um gemeinsam mit Claudia das Weihnachtsessen zu besorgen. Und ebenfalls wie jedes Jahr fahren wir zu PLAZA, weil es da einfach alles gibt und ein tolles Frühstück und ein Schuhgeschäft.

Über Nacht ist Kiel dick eingeschneit und als ich mein kleines Auto aus der trockenen Tiefgarage hinaus ins dichte Schneetreiben steuere, frage ich mich, ob ich es heute auch nur die 300 Meter bis zu Claudia schaffen werde. Es ist Punkt acht Uhr, als ich mich direkt vor ihrer Haustür trotz Winterreifen zum ersten Mal festfahre, aber mit viel Gefühl schaffen wir es schließlich doch bis zum Koffiehuus, wo es bekanntlich und nicht nur morgens kein Haggis gibt.

Svenja und Claudia Frühstück Koffeehuusbei PLAZADas Frühstück ist köstlich und meine ohnehin schon fröhliche Weihnachtsstimmung steigert sich zu einer 1a Hochstimmung. Jetzt bloß nicht anfangen, fremde Menschen zu umarmen, denke ich. Die könnten das total falsch verstehen. Auch Claudia ist in allerbester Festtagslaune.

Erster Halt, Fleisch- und Wurstwaren. Ich stelle mir einen bunten Teller aus Bratwürsten, Torfstechern und Wiener Würstchen zusammen und garniere ihn mit Ofenkäse, Eiern etwas Feta und einem großen Paket Fischstäbchen. Die Enten liegen schon zuhause im Eisfach. Jetzt fehlt nur noch das Frischfleisch.

„Guten Morgen, die Damen.“, begrüßt uns schon aus der Ferne meine Lieblingsverkäuferin am Fleischtresen. Sie kennt uns und weiß genau, dass man uns nicht irgendein mageres Filetstück unterjubeln kann. Und tatsächlich sucht sie sechs besonders fette Koteletts für uns heraus. Wobei ich inzwischen gelernt habe, dass Fachleute niemals das böse Fettwort benutzen, sondern immer von "schön durchwachsen" sprechen. Ist aber zum Glück dasselbe.

Fröhlich verabschieden wir uns von dem netten Fleischergirl, wünschen uns gegenseitig frohe Weihnachten, und stöckeln langsam weiter in Richtung Blanchet, wo ich zwei Kartons Lieblingswein in den Einkaufswagen stelle und mich darüber freue, dass ich damit sicher bis zum Sommer auskommen werde.

Endurowandern mit Svenja
Inzwischen hat es munter weitergeschneit und der kleine Seat ist weiß eingezuckert. Wie gut, dass ich extra mein spezial Winteroutfit angezogen habe mit dicken Stiefeln und warmen Ringelstulpen. Ein wenig tun mir die Leute leid, die in ihren steifen und kalten Jeanshosen rumlaufen müssen und ich denke, dass ich da in Zukunft wohl noch viel Aufklärungsarbeit leisten muss.

Fazit: Es ist der Tag vor Heiligabend und ich wünsche euch allen von ganzem Herzen fröhliche Weihnachten. Und wenn ihr eine Familie habt, dann nehmt sie einmal ganz fest in den Arm und haltet sie einen kleinen verzauberten Moment länger fest, als ihr das an anderen Tagen tut.

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Reisepläne

Svendura plant Endurowandern in Schottland
Manchmal überrasche ich mich selbst. Wusstet ihr zum Beispiel, dass ich im Juni mit dem Motorrad nach Schott­land fahren werde? Vermutlich nicht, denn bis eben wusste ich das auch noch nicht.

Den einen Moment informiere ich mich noch gelang­weilt über verschiedene Möglichkeiten, mit dem Motorrad nach Großbritannien zu reisen, nur um Augenblicke später bereits mit der Maus auf "Buchung bestätigen" zu klicken. Eine Frau, ein Motorrad, Innenkabine, Esbjerg-Harwich, one way.

Wenn ich am 2. Juni in England von Bord der Dana Sirena rolle, werde ich mit meiner Enduro über kleine Nebenstraßen genüsslich nach Norden fahren. Ob es stimmt, dass da alle auf der falschen Seite fahren? Das kann ich mir zwar nicht so recht vorstellen, aber ich werde es herausfinden. Vielleicht ist das ja auch für andere mal wichtig.

Die Rückreise buche ich später auf der Insel, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange so eine Reise überhaupt dauert. Ob fünf Wochen ausreichen?

Meine kleine Kawa ist wie geschaffen für die schmalen Single Track Roads der Highlands, genauso wie mein Magen für das gute schottische Frühstück. Und ich möchte unbedingt Haggis probieren und Bier trinken natürlich und ganz viele andere Sachen anschauen und erleben.

Auf dem Rückweg könnte ich noch durch Wales und Cornwall reisen und vielleicht auch Irland besuchen, aber das hängt sehr von meiner Reisekasse ab. Zum ersten Mal überlege ich nämlich, ohne Zelt zu reisen und mich auf Bed & Breakfast zu verlassen. Ist es wirklich so einfach, in Großbritannien ein B&B zu finden (im Juni) und sind 30 Pfund in etwa realistisch für ein Bett mit Frühstück?

Abends werde ich mich natürlich ein wenig aufbrezeln und ins nächste Pub stöckeln. Ich denke, dass ich mit den Leuten schnell ins Gespräch kommen werde mit meinem lässig hingeworfenen: „Und ihr tragt also auch lieber Röcke...?!“

Montag, 13. Dezember 2010

Die Adventsparty

Svenja in Strumpfhosen und Minikleid
„Stil und Blamage trennt oft nur eine hauchdünne Linie.“, sinniert Claudia halblaut vor sich hin und rührt weiter gedanken­verloren in ihrem Kaffee.

„Wie meinst du das?“, frage ich misstrauisch. Wir sitzen zusammen mit Volker und Pieps im Birdcage und feiern in den 3. Advent hinein.

„Nichts. Nur so.“, erwidert Claudia abwesend und rührt weiter in ihrem blöden Kaffee, während ich mir ein weiteres Glas Sekt­sangria aus dem total praktischen Liter­krug nachschenke. 


„Ich dachte schon, du hast wieder irgendwas zu meckern, aber dann ist ja gut.“ 

„Nein, nein, alles in Ordnung.“ Kurze Pause. Und dann: „Hübsches Kleid, aber ziemlich kurz, oder?“

Darum gehts also wieder. Dann kann ich mich ja schon mal auf die komplette Leier gefasst machen:  Blah, blah, Kleid zu kurz, blah, machst dich zum Löffel, Blamage, peinlich, blah. Aber Claudia schweigt.

Ich fühle mich trotzdem angegriffen: „Na hörmal.“, erwidere ich eine Spur zu laut. „Das Kleid besteht mühelos den Bauchnabeltest und eventuell sogar fast den Pobackentest. Wie könnte das also zu kurz sein?“ „Welches Kleid?“, erwidert Claudia trocken. „Ich seh überhaupt kein Kleid. Nur einen schwarzen Pulli.“

So eine Frechheit. Sind eure vermeintlichen Freunde auch so überkritisch und haben ewig was an euch rumzumeckern? Mecker ich vielleicht an Claudia rum, weil sie dieses rote Maxikleid angezogen hat, das fast bis zum Knie geht? Sage ich vielleicht, dass ich dauernd Angst hätte, beim Tanzen da draufzutreten? Nein, sage ich nicht, denn ich bin höflich. Auch wenn der Fummel von der Länge her an ein Hochzeitskleid erinnert. Aber das sage ich ihr natürlich nicht, weil ich eine gute Freundin bin und weil ich eine total gute Erziehung genossen habe.

Zum Glück legt Michael, der Wirt vom Birdcage, in diesem Moment Amy Whinehouse auf und wie auf ein geheimes Zeichen stürzen Claudia und ich zu den ersten Takten von „Valerie“ auf die Tanzfläche. „Pass bloß auf, dass du nicht auf dein Kleid trittst.“, gebe ich Claudia noch fürsorglich einen guten Rat. Ich meine es nämlich gut mit meinen Freunden.

In der Zwischenzeit versucht Volker, den Europarekord im Trinken von alkoholfreiem Weizenbier zu brechen und Pieps frisst sich hemmungslos durch das komplette Bar Food auf dem Tresen.

Nach dem Tanzen bestelle ich einen weiteren Krug Sektsangria. Das ist nicht nur mein Geheimtipp im Birdy, sondern auch die einzige Form, in der ich Obst esse. Da ist Sekt drin, Fanta, weißer Rum, Vodka, Cognac und Früchte. Außerdem löscht die Sangria super den Durst nach dem Tanzen. Man sollte nur darauf achten, genügend Aspirin im Haus zu haben.

Svenja und Claudia im BirdcageAls Claudia und ich später die Eiswürfel in unseren Gläsern klingen lassen, denke ich daran, dass dies die erste lange Partynacht seit meinem unerhörten Auftritt im Krankenhaus ist. Der hat doch viel mehr Energie gekostet, als ich gedacht habe. Und ich muss daran denken, dass nur Claudia im Krankenhaus für mich dagewesen ist und wie sie mich rund um die Uhr versorgt hat und sich irgendwann endgültig geweigert hat, mein Krankenzimmer zu verlassen und einfach nicht mehr nachhause gegangen ist. „Puh, das war eine schwere Zeit. Claudie, das werde ich dir niemals vergessen. Du warst mein Schutzengel im Krankenhaus und die Einzige, die zwischen mir und der weißen Wolke stand. Danke, mein Engel.“

Fazit: Als Pieps und ich gegen halb vier Uhr morgens endlich nach Hause stöckeln, bin ich ziemlich erledigt, aber sehr, sehr glücklich. Ich hatte doch solche Angst vor der Adventszeit und jetzt ist es das wunderbarste Advents­wochenende seit ewigen Zeiten geworden. Ich bin glücklich.

PS:
Wenn ihr wissen möchtet, wie der Abend aus der Sicht von Pieps, der kleinen Maus, ausgesehen hat, dann könnt ihr das im Blog des kleinen süßen Fellkneuls nachlesen. Ich freu mich drauf.

PPS: Wer ist Pieps? Das ist die kleine Stoffmaus, die mich schon auf meiner Motorradreise nach Frankreich begleitet hat, und die ich so sehr in mein Herz geschlossen habe, dass sie als Einzige auch in meinem Bett schlafen darf.

Samstag, 11. Dezember 2010

Veranstaltungstipp: Matthias Wilms - Unerhörte Weihnachten

„Ich will noch eine Portion Tzatziki extra.“, nörgele ich im SYRTAKI, dem meiner Ansicht nach besten griechischen Restaurant in Kiel.

„Wir gehen gleich in die  Lesung und du willst doch nicht aus allen Knopflöcher duften, wie eine übergroße und etwas zu dick geschminkte Knoblauchzehe, oder?“, meckert Claudia und sieht mich dabei missbilligend an.

Volker hält sich einfach raus, sagt gar nichts, und tut so, als hätte er gerade ein besonders interessantes Muster in seinem Gyros entdeckt. Ich schalte natürlich sofort auf Zickenmodus: „Erstens hat mein Strickkleid gar keine Knopflöcher, zweitens ist das ein ganz normales Dreischichten MakeUp und drittens mach ich das doch extra. Oder hast du vergessen, wie eng das in der Tragbar ist und wie letztes Mal diese eine Räucherstäbchentante total dicht neben mir saß und die ganze Zeit nach tibetischen Tonka Bohnen gerochen hat? Diesmal bin ich vorbereitet. Wir wollen doch mal sehen, wer heute Abend mehr freien Platz um sich herum hat." Mein Hochleistungshirn denkt sich dauernd solche genialen Pläne aus. Das ist nämlich der Vorteil, wenn man hochbegabt ist. 

Worum geht es hier überhaupt?
Es geht um eine Lesung von Matthias Wilms. Wenn ihr einen Sinn für wirklich lustige und gut gelesene Weihnachtsgeschichten habt, dann habe ich einen tollen Tipp für euch. Am 15.12.2010 liest Matthias um 20 Uhr in der Kieler Tragbar sein neues Programm „Unerhörte Weihnachten“. Ein Potpourri wirklich lustiger und glänzend vorgetragener Weihnachtsgeschichten. Wir waren beim ersten Termin dort und alle total begeistert.

Die Tragbar ist recht klein und bietet nur wenige Plätze, deshalb schnell anrufen und Karten reservieren. Ich bin schon jetzt gespannt, ob ihr auch so viel Spaß haben werdet wie Volker, Claudia und ich. Das war wirklich ein toller Abend. Vielleicht schreibt ihr danach einen kleinen Kommentar darüber, wie es euch gefallen hat?

Kleiner Zusatztipp: Nur hundert Meter weiter in der Holtenauer Straße liegt das Syrtaki, wo es nach meinem Geschmack das beste griechische Essen der Stadt gibt. Nehmt eine Portion Tzatziki extra, dann habt ihr bei der Lesung auch ein bisschen mehr Platz um euch herum. Viel Spaß :-)

Matthias Wilms - Unerhörte Weihnachten
Mittwoch, 15.12.2010, 20 Uhr
Eintritt 8 Euro.
Café Tragbar
Kiel, Holtenauer Str. 174
Tel. 0431 / 800 66 73
 
Kiel, Holtenauer Straße 196
Tel 0431-801864

Achtung - Weiterer Termin:
Am 4. Advent liest Matthias im Birdcage Ausschnitte aus seinem Weihnachtsprogramm. Bereits ab 16 Uhr trifft man sich dort zum gemütlichen Adventskaffee mit Kuchen. Gegen 17:30 Uhr beginnt Matthias mit der Lesung. Der Eintritt ist frei.
Ihr braucht keine Berührungsängste vorm Birdcage zu haben. Der Laden ist sehr gemütlich und das Publikum ausgesprochen nett und sehr gemischt. Ich bin erst heute morgen um halb vier von dort nachhause gekommen :-)

Birdcage Kiel
Kiel, Rathausstraße 10
Tel. 0431 - 696 73 73

Dienstag, 7. Dezember 2010

Was haben Svenja und Woody Allen gemeinsam?

Könnt ihr euch vorstellen, wie es für einen Schauspieler ist, sich selbst im Kino auf der Leinwand zu sehen? Als Gladiator, oder vielleicht als Arzt oder Polizist? Er sitzt in der ersten Reihe und erinnert sich noch genau an die Dreharbeiten und natürlich erkennt er sich selbst trotz des Kostüms sofort wieder.

Entwicklung Mann zu Frau

Besser kann ich nicht erklären, wie seltsam es sich anfühlt, wenn ich mich selbst auf dem alten Sven-Foto betrachte. Kein Zweifel: das da auf dem Foto bin ich. Ich erinnere mich sogar noch genau an den Tag, als ich es gemacht habe. Und trotzdem weiß ich sicher, dass nicht wirklich ich da vorne auf der Leinwand gegen Löwen kämpfe.

Fazit: Ich bin die freundlich lächelnde Svenja auf dem rechten Foto. Fröhlich stehe ich im Schnee und grinse in bester Laune in die Kamera. Ich kann gar nicht anders. Sven wäre das schwer gefallen. Aber ist das ein Wunder, wenn man als Lara Croft gebucht ist und stattdessen den Woody Allen geben muss? Eine Frechheit ist das. Zum Glück habe ich diesen Fehler inzwischen korrigiert, auch wenn es statt Lara Croft mittlerweile nur noch für Bridget Jones reicht. Aber glücklich bin ich doch.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Gedanken zum Advent

SvenduraHeute ist zweiter Advent und bald ist es wieder soweit. Weih­nachten. Zum sechsten Mal ohne Familie. 

Ohne meine erwachsene Tochter, die jetzt schon 27 sein muss und mir mit ihren langen, dunklen Haaren so ähnlich sieht. Ohne meine große Tochter, die schon im dritten Lehrjahr ist, ohne den beinahe erwachsenen Sohn, der auf dem Weg zum Abitur ist, ohne meinen kleinen Sohn, der mir so ähnlich sieht, dass es jedem sofort auffällt und ohne meine jüngste Tochter, die jetzt schon ein Teenager ist. Und natürlich ohne meine Frau, die unser großes Haus zur Weihnachtszeit immer festlich geschmückt hat. Wer wohl meinen Platz in der Familie eingenommen hat? Ich weiß es nicht und es spielt ja auch keine Rolle.

Dieses Jahr werde ich Weihnachten und die Adventszeit nämlich selbst wieder richtig genießen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Gestern habe ich Claudia gegenüber ordentlich angegeben, von wegen, dass ich es dieses Jahr schaffen werde, Weihnachten ohne Traurigkeit zu feiern. Ich werde aus dem Feiern und aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen. Wer kann das schaffen, wenn nicht ich?

In vorweihnachtlichem Übermut habe ich mir sogar einen kleinen Adventsschmuck ins Zimmer gestellt. Den ersten, seit ich wieder in Kiel wohne. Eine dicke rote Kerze, die ich auf einen kleinen Teller mit Engelchen gestellt habe. In diesem Jahr bin ich geradezu grimmig entschlossen, Weihnachten zu genießen, immerhin bin ich ein absoluter Weihnachtsprofi. Leider übersteht mein Anfall grimmig entschlossener AdventsGenießung nicht Chris Rear's „I'm driving home for Christmas, oh I can't wait to see those faces...“.

„Which home, which faces?“, frage ich mich und bin für einen kurzen Moment betrübt. Weihnachten ist auch nichts mehr für Weicheier, denke ich mir, aber man darf sich natürlich auch nicht hängen lassen.

Heiligabend werde ich ein tolles Essen kochen. Irgendwas Fettes aus Dr.Oetkers Schulkochbuch und um 22 Uhr macht das Birdy auf. Für den ersten Feiertag habe ich einen Tisch im Ratskeller bestellt und auf die große Holsteiner Grünkohlplatte freue ich mich schon jetzt. Die ist da nämlich wirklich super lecker.

Fazit: Ich freue mich sehr auf das Weihnachtsfest 2010 und ich werde selbst dafür sorgen, dass es mindestens ebenso gut wird, wie in den fünf vergangenen Jahren. Euch allen wünsche ich, dass ihr das auch hinbekommt und natürlich wünsche ich uns allen einen frohen zweiten Advent.

Die Geister der vergangenen Weihnacht...
Weihnachten 2005
Weihnachten 2006
Weihnachten 2007 war ebenso schön wie 2006.
Weihnachten 2008
Advent 2009
Weihnachten 2009

Samstag, 27. November 2010

Woher kommen deine Bilder?

Svenja-and-the-City auf Fotosafarin in Kiel"Claudia?", trompete ich fröhlich ins Telefon. "Kannst du in zehn Minuten bei mir sein? Wir müssen Fotos machen. Ich habe tausend neue Ideen für den Blog."

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

"Claudia? Bist du da?" 

"Sag mal, Tinky Winky, weißt du eigentlich wie spät es ist?" 

"Keine Ahnung. Gleich Mittag schätze ich. Ich habe mir gerade so ein XXL-Schnitzel von ALDI gemacht." 

"Es ist ZEHN nach ACHT! Du rufst mich Samstag früh um zehn nach acht an, weil du Fotos machen willst?" 


"Nein, natürlich nicht. DU sollst doch die Fotos machen. Habe ich den Meisterbrief als Fotografin, oder du?", gebe ich leicht zickig zurück. "Ich liege aber noch im Bett und schlafe."

"Na und? Dann stehst du eben auf. Oder willst du dein ganzes Leben im Bett verbringen? Ich steh hier schon im Mantel und hab alles genau geplant. Wir müssen heute die Schulfotos machen. Eins vor Haupt und eins vor Gymi. Und ich brauch noch ein Bild, wo ich vor einer Apotheke stehe. Und wenn wir damit fertig sind, gehen wir zu ALDI. Du musst ein Foto von mir machen mit Einkaufswagen vor ALDI.

Und danach fahren wir zu mir und bauen die Studioblitzanlage auf. Ich brauch noch jede Menge Fotos. Mir gehen allmählich die Bilder für neue Postings aus. Wann kannst du ungefähr hier sein?"

Schweigen in der Leitung.

"Claudia? Bist du wieder eingeschlafen? CLAUDIA!" 

"Hmmm, was...? Oh, entschuldige. Ja, ist gut, Tinky Winky, ich zieh mich eben an und komm dann zu dir rüber." "Ja, ok, aber versuch dich ein bisschen zu beeilen, ja?" Zum Glück kann sie nicht sehen, wie ich dabei mit den Augen rolle.

Meine Güte, sind eure Freunde auch so verschlafen? Ich bin nun wirklich ein geduldiger Typ, aber Claudia schafft mich immer wieder. Sie hat echt totales Glück, dass sie gerade mich zur Freundin hat. 

Fazit: Die Fotos für meinen Blog entstehen auf ganz unterschiedliche Weise. Manche Bilder sind Schnapp­schüsse, die ich unterwegs mit dem Selbstauslöser der kleinen Lumix mache und für andere Fotos spreche ich Passanten an: "Entschuldigung, können Sie bitte mal ein Foto von mir machen, wie ich hier so stehe und total süß dabei aussehe? Und jetzt nochmal von weiter weg. Und nochmal mit Blitz und nochmal ohne und..." Erstaunlich, wie geduldig manche Menschen sind.

Doch viele Aufnahmen für den Blog macht meine beste Freundin Claudia, die tatsächlich einen Meisterbrief als Fotografin hat (und mich dabei mit ihrem Langmut und ihrem Perfektionismus regelmäßig zur Weißglut treibt).

Sonntag, 21. November 2010

10 Dinge, die echt klasse sind an meinem neuen Leben

Svenja im kleinen schwarzen Abendkleid1. Endlich ist dieser blöde Leidensdruck weg. Der war wirklich schrecklich und hat mich seit meiner Kindheit nahezu jede wache Minute gequält. Um das zu verstehen, muss man natürlich selbst betroffen sein, aber allen Anderen kann ich sagen: Im falschen Körper geboren zu werden, ist nichts für Weicheier.

2. Die meisten Menschen leben nur EIN Leben, aber ich lebe zwei und dieses Glück ist nahezu unbeschreiblich. Alles das, was ich schon einmal erlebt, erlitten, getan, gesehen und erfahren habe, geschieht jetzt noch einmal neu. Es gibt sozusagen ein zweites erstes Mal.

Selbst die ganz profanen Dinge erscheinen in einem neuen Licht: Der erste Arztbesuch als Svenja, die erste Wahl, der erste Einkauf, Friseurbesuch, mein Motorrad zur Inspektion bringen ("Ich heiß jetzt Svenja."), Dienst, Lehrgang, meine Nachbarn, Kollegen, im Kino, in der Disco und tausend andere Sachen mehr. Vielleicht fühle ich mich deshalb auch so unglaublich jung und voller Lebensfreude. Und das Beste ist: Es ist noch nicht mal Halbzeit.


3. Keine Heimlichkeiten mehr. Jahrelang habe ich mir schöne Sachen gekauft, die ich dann in der Garage, oder im Reserverad meines Autos versteckt habe. Das ist endlich vorbei. Nie wieder Heimlichkeiten und keine Furcht vor Entdeckung mehr.

4. Und dann ist da die Sache mit dem Busen. Hat sich jemand von euch schon mal ein nagelneues Körperteil wachsen lassen? (Doppelkinne gülden nicht.) Ich habs getan. In weniger als zwei Jahren ist mir ein prima Busen gewachsen. Noch heute werde ich ab und zu morgens wach und denke: Hey Jungs, wo kommt ihr denn her? Das wird für mich wohl immer ein absolutes Wunder bleiben.

5. Tanzen gehen. Wenn ich heute tanzen gehe, dann ist es mir völlig egal, ob schon jemand auf der Tanzfläche ist, oder ob ich die einzige Dancing Queen in einem Raum voller Nichttänzer bin. (Und endlich sehe ich beim Tanzen nicht mehr aus wie ein Frosch im Mixer)


6. Endlich bin auch ich ein Teil der bunten Fashionwelt von Vero Moda, Buffalo, New Yorker, H&M, Deichmann und Görtz17. Peeptoes sind viel lustiger als Drehmomentschlüssel. Mode macht einfach Spaß.

7. Mit meinen heutigen Freunden spreche ich mehr über Menschen, Gefühle und Beziehungen, als über Autos, Motoren und Computer. Das liegt allerdings weniger an meiner Veränderung, als vielmehr an einem ganz neuen Freundeskreis. Obwohl ich mich auch heute noch gerne stundenlang über Motorräder unterhalte. :-)

8. Nie wieder brauche ich Angst zu haben, unmännlich zu erscheinen und mich lächerlich zu machen. Jungs achten schon sehr auf dieses Zeug. Ganz offen kann ich zu Schwächen und Ängsten stehen, ohne mir dabei etwas zu vergeben. Und das Erstaunliche ist, dass ich heute sogar stärker bin als früher. Ob das die Kraft der zwei Herzen ist?


9. Letztlich ist es mir aus eigener Kraft gelungen, einen kleinen Tippfehler der Natur wieder in Ordnung zu bringen. Aus Sven wurde Svenja und das habe ich mir hart erarbeitet. In meinem Innersten bin ich allerdings nie jemand anderes gewesen.


10. Mein Leben fühlt sich endlich RICHTIG an.

Fazit: Mein neues Leben ist wirklich klasse, aber ein paar Dinge am Frau-Sein gehen mir auch mächtig auf die Nerven. Welche das sind, darüber berichte ich ein andermal.

Dienstag, 16. November 2010

Die Sportproblematik

Svenja beim Fußball
Ich muss was tun. Seit ich im Krankenhaus war, sieht mein Bauch total hässlich und unförmig aus. Eine dicke Narbe verläuft vom Nabel bis in den Keller. Sie schneidet tief ein und quetscht dabei links und rechts zwei unterschiedlich geformte Fettpölster­chen heraus. Es sieht total eklig aus.

In meinem ersten Leben bin ich jahrelang zum Fitness gegangen. Damals hieß das noch Body Building und der Erfolg wurde einfach mit dem Maßband gemessen.

Ich habe keine Ahnung, welche Geräte heute in den Studios für die Bäuche zuständig sind, aber ich weiß, dass sich die Bauchmuskulatur relativ einfach und schnell wieder in Form bringen lässt.

Wie muss ein Sportstudio sein, in dem ich mich wohlfühle und gerne zum Training gehe? Es darf kein Kampfsport­studio für Goldkettchenträger sein. Das gäbe zwar ein tolles Posting, aber ich bin auch kein weiblicher Rex Kramer. Ideal wäre eines dieser modernen Fitnessstudios für Frauen, aber das geht leider nicht.

Eine Freundin von mir arbeitet dort und konnte berichten, dass sie angewiesen sei, keine Transgender aufzunehmen. Die Begründung dafür ist einfach und absolut einleuchtend. Ein bedeutender Anteil der Gäste sind Muslima, die von ihren Männern keine Erlaubnis bekämen, in einem gemischten Studio zu trainieren. Es gäbe ziemlichen Ärger, wenn bekannt würde, dass jemand wie ich dort trainiert. Das verstehe ich zwar, aber es löst mein Bauchproblem nicht.

Ich könnte einfach in ein x-beliebiges Sportstudio an der Ecke gehen, aber die Sportproblematik ist zugleich eng mit der Dusch- und Saunaproblematik verknüpft. Gemeinschaftsduschen scheiden daher aus.

Entweder dusche ich zuhause, oder ich brauche eine Duschkabine. Es ist schon 25 Jahre her, dass ich zuletzt in einem Fitnessstudio war. Gibt es inzwischen auch Einzelduschen? Oder steigen manche tatsächlich durchgeschwitzt ins Auto und duschen erst zuhause?

Hat jemand eine gute Idee, wie ich die Sportproblematik lösen kann? Oder kennt jemand sogar ein Sportstudio in Kiel, das er mir empfehlen kann? Wo es gute Trainer gibt, ein lockeres Publikum und in dem ich die Duschproblematik irgendwie elegant umgehen kann?

Sonntag, 14. November 2010

Auch nach fünf Jahren noch ER?

Svenja im Dienst Wir sitzen zusammen im Besprechungsraum. Die Unterlagen liegen auf dem Tisch und man wartet auf das Eintreffen der letzten Teil­nehmer. Die Stimmung unter den Kollegen ist fröhlich, schließlich kennen wir uns schon viele Jahre. Es ist noch immer dieselbe Runde, in der ich mich vor fünf Jahren  geoutet habe.

Wir scherzen darüber, ob schon jemand vor der Besprechung müde ist und ich verrate angeberisch mein Geheimrezept, nämlich einfach mal rechtzeitig schlafen zu gehen. :-)

Und dann geschieht es. Ein Kollege ulkt scherzhaft in die Runde: „Na, dann ist es ja auch kein Wunder, dass ER immer so ausgeschlafen ist, wenn ER immer so früh schlafen geht.“ Treffer, Transe versenkt. Er merkt gar nicht, dass er sich im Personalpronomen geirrt hat und mir damit unbewusst einen Tiefschlag versetzt hat.

Plötzlich schäme ich mich und fühle mich in meinem hüschen Kleid, in dem ich mich heute morgen noch so toll fand, auf einmal wie ein Transvestit. Andere Kollegen bessern nach durch ein lautes: „SIE!“ und auch ich setze zu einer lahmen Erwiderung an: „Es heißt SIE. Na ja, knapp daneben.“ Aber ich merke, dass er gar nicht richtig zuhört.

Dutzende Male habe ich diese Situation in den letzten Jahren erlebt und allmählich sollte ich daran gewöhnt sein, aber ich schaffs nicht. Meine erste Reaktion ist Verärgerung, aber worüber? Über die Wahrheit? Für einen kurzen Moment habe ich einen  unschätzbar wertvollen Blick hinter die freundlichen Gesichter werfen können, hinter Toleranz, Höflichkeit und hinter alle Political Correctness. Der Kollege wollte mich nicht beleidigen, dazu kenne ich ihn zu gut. Er hat nur im Überschwang guter Laune versehentlich ausgesprochen, als was er mich wahrnimmt, nämlich als Mann.

Für mich ist das ein wertvoller Hinweis darauf, dass ich mit meiner Entwicklung noch lange nicht fertig bin.  Irgend etwas stört offensichtlich noch den Eindruck von Weiblichkeit. Was könnte das sein? Der Bartschatten? Nein. Das letzte Barthaar wurde schon vor Jahren weggelasert, da ist nichts mehr. Haare, Frisur, eine Perücke? Nein. Ich hab eigene volle, lange, schwarze Haare und könnte jede Frisur damit machen. Zu männliches Aussehen vielleicht? Das glaube ich nicht. Die weiblichen Hormone haben meine Erscheinung verändert und wenn der Busen nicht bald aufhört zu wachsen, dann werden auch die neuen B-Cups irgendwann zu klein. Schlechtes Styling? Das hoffe ich nicht. Ich style und schminke mich seit fünf Jahren konsequent jeden Morgen und erscheine niemals ungepflegt zum Dienst und ich trage auch niemals Männersachen.

Es könnte aber an meiner Stimme liegen. Ich trainiere schon seit Jahren, um meine Stimme weicher und weniger männlich klingen zu lassen, aber wenn ich spreche, dann höre ich noch immer eindeutig einen Mann und keine Frau.

Es gibt allerdings eine Operationstechnik bei der ein Chirurg die Stimmbänder einstellt, so wie ein Klavierstimmer das machen würde. Bis jetzt hat mich das nicht interessiert, weil ich mit meiner Stimme zufrieden bin und weil das Ergebnis kaum vorherzusagen ist. Es kann irgendwo liegen in der vollen Bandbreite zwischen Vanessa Paradis und Inge Meysel.

Trotzdem habe ich Angst. Es wäre schon eine grausame Ironie, wenn ich mir in einer aufwendigen Operation die Stimme ruinieren lasse und es daran letztich gar nicht gelegen hat.

Schande für die PolizeiUnd wenn es etwas völlig anderes ist? Wenn es gar nicht an Äußerlichkeiten liegt? Bezüglich meines Standings in der Landespolizei mache ich mir keine Illusionen. Ich weiß, dass ich hinter meinem Rücken schon als eine "Schande für die Polizei" bezeichnet worden bin.

Na und? Jeder steckt mal Treffer ein. Die kuriert man übers Wochenende aus und erscheint am Montagmorgen gut gelaunt und in den Knien federnd wieder zum Dienst. Ich bin stark genug und lasse mich nicht unterkriegen. Die Polizei ist schließlich kein Ponyhof und ich bin nicht Wendy. Niemals würde ich mich aus irgendwelchen psychisch, weinerlichen Gründen krank melden.

Solange es nicht rotzt, blutet, oder eitert, stöckele ich jeden Morgen zum Dienst. Ausgeschlafen, perfekt gestylt und in allerbester SvenjaLaune. Transsexuell hin, oder her: Ich bin immer noch Kriminalbeamtin und ich liebe diesen Beruf und ich werde ihn jeden verdammten Tag so gut machen, wie ich es nur kann.

Achtung: Auf keinen Fall will ich den Eindruck erwecken, dass ich in irgendeiner Weise gemobbt werde, denn so empfinde ich das nicht. Trotzdem ärgere ich mich natürlich, wenn ich weiß, dass hinter meinem Rücken abfällige Bemerkungen gemacht werden, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen kann, oder wenn ich selbst nach fünf Jahren noch "ER" genannt werde.  Und zu guter Letzt hier noch mein All Time Favourite, ein Spruch, den derselbe Kollege gebracht hat: "Ganz egal, wie alle über dich labern, aber du hast hier die wenigsten Krankheitstage." Als Mann hätte ich ihm früher einfach eine reingehauen.

Meinungen, Ideen, Vorschläge, Anregungen?!

Donnerstag, 11. November 2010

Frauen verstehen

Svenja kauft Wäsche„Die Else wartet doch nur darauf, sich in ihrer neuen sexy Wäsche zu präsentieren. Mit nichts an, außer ein wenig schwarzer Spitze und einem bezaubernden Lächeln. Von wegen, das kauft sie nur für sich selbst. Ich bin doch nicht blöd. Ich weiß, wie sowas läuft.“

So, oder so ähnlich habe ich in meinem ersten Leben gedacht. Ich habe es nie glauben können, wenn eine Frau mir erklärt hat, dass die schöne Wäsche, oder das Parfum für ihr eigenes Wohlbefinden sei. Das ist doch eine faule Ausrede, weil sie nicht zugeben mag, dass sie damit groß rauskommen will.

Aber heute, fünf Jahre später, wo stehe ich da? Bei H&M vor dem Wäscheregal und suche gedankenverloren einen neuen BH aus. „Warum? Ist der alte kaputt gegangen, oder springt er nicht mehr an?“, lautet die typische Jungsfrage. Doch was soll man von Menschen anderes erwarten, die sich die längste Zeit ihres Lebens die Unterwäsche von Frauen kaufen lassen.

Außerdem habe ich das Recht, zu meckern und mich ein bisschen lustig zu machen. Weil ich beide Seiten kenne? Nein, sondern weil ich in meinem ersten Leben genauso war. Ich hab meine Unterwäsche auch nicht selbst gekauft.  :-)

Heute aber kaufe ich mir diesen neuen BH, weil ich ihn schön finde und weil ich mich darin schön finde. Und ich passe ganz sicher auf, dass mich niemand darin zu sehen bekommt, außer mir selbst morgens im Badezimmerspiegel. Manche Dinge versteht man eben erst, wenn man sie selbst erlebt hat.

Ich frage mich aber, wie es anderen Frauen ergeht? Empfinden sie ähnlich? Und was ist mit den Jungs, bzw. mit ihren Männern? Lassen die sich ihre Unterwäsche heute noch immer von ihrer Partnerin kaufen?

Montag, 8. November 2010

Transsexualität und Einsamkeit

„Für einen Single ist die Welt ein  großes Schlemmerbuffet.“, erklärt Samantha in Sex-and-the-City.

Nun, ich lebe als Single und das tue ich ausgesprochen gerne. Ich bin frei und unabhängig, habe keinen Beziehungsstress, keine nervigen Diskussionen um Mitter­nacht, kann ungefragt zehn Stunden an meinem iMac sitzen, Motorradfahren, soviel ich mag und tausend andere schöne Dinge tun, die das Leben als Single so angenehm machen können.


Trotzdem gibt es Tage, da stehe ich vor diesem merkwürdigen Schlemmerbuffet des Lebens und fühle mich, wie der einzige Vegetarier an einem Pfälzer Wurstbuffet mit Schlachteplatte. Für mich ist einfach nichts  dabei.

Eine neue Familie gründen und Kinder haben? Nein, das kriege ich kein zweites Mal hin. Falls ICH schwanger werde, dann stehen in drei Stunden zwei CNN Übertragungswagen vor meiner Haustür und sollte ich ein Kind zeugen, reicht es noch immer für einen Platz auf der Titelseite der BILD.

Ahnt überhaupt jemand, weshalb ich diesem Blog den Titel Svenja-and-the-City gegeben habe? Das ist mehr als ein billiges Wortspiel. Diese blöde Fernsehserie hat mir damals Halt gegeben. Wenn ich schon keine Familie mehr haben konnte, dann wollte ich wenigstens ein Leben führen,  wie das von Carry und Samatha aus Sex-and-the-City. Ich wollte selbst als starke, selbstbewusste Frau, beruflich erfolgreich und finanziell unabhängig auf teuren Schuhen durch die Großstadt stöckeln und alles das tun, was mir gerade gefällt. Meine teuren Schuhe sind zwar keine Manolo Blahniks, sondern nur Deichmanns geworden und die Großstadt heißt Kiel, aber insgesamt betrachtet habe ich es doch ziemlich gut hinbekommen und lebe so, wie es mir gefällt.

Mittlerweile aber haben meine Heldinnen mich verraten. Sie haben sich ihren Mr. Big geschnappt, haben geheiratet, kriegen Kinder, gehen aus dem Leim, tragen vermutlich Birkenstocks statt Blahniks und lassen auch sonst keine Gelegenheit aus, unser schönes Singleleben zu verraten. Bin vielleicht inzwischen ICH das einzige noch übrig gebliebene Sex-and-the-City Girl?

Vieles ist heute wieder so, wie es schon vor meiner Ehe immer gewesen ist: Ich lebe als Single in einem wunderschönen Apartment mitten in der City und unterm Haus stehen ein kleines Auto und mein Motorrad und warten beide vollgetankt darauf, dass es wieder losgeht. Nur, dass heute eben eine  langhaarige Svenja im Minirock ins Auto, oder als Bikergirl auf ihre Kawasaki steigt. Besser gehts nicht, oder?

Transsexualität und Einsamkeit

Trotzdem fühle ich mich manchmal einsam. Lebe ich vielleicht nur deshalb als Single, weil ich sowieso niemanden abkriegen würde? Nein, das ist es hoffentlich nicht und ich bin ja auch nicht alleine. In meiner besten Freundin Claudia habe ich eine Seelenverwandte gefunden, mit der ich über alles reden kann und mit der ich auch Wärme und Zuneigung austauschen kann. Ich habe Bekannte, habe Arbeitskollegen und sogar ein paar angefreundete Bikerbuddys. Dennoch vermisse ich manchmal etwas. Doch auch dagegen habe ich inzwischen ein geniales Rezept gefunden: Immer dann, wenn mich einer dieser blöden Einsamkeits- und sexyBlondinenEroberungs- und Vermissungsanfälle überkommt, dann erzähle ich mir einen von Svens alten Lieblingswitzen:

"Es war einmal ein stattlicher Prinz, der die wunderschöne Prinzessin fragte: "Willst Du mich heiraten?" Und sie antwortete: "...NEIN!!!"
Und der Prinz lebte viele Jahre lang glücklich und ging angeln und Motorradfahren, hing jeden Tag mit seinen Freunden herum, trank viel Bier und betrank sich so oft er wollte, saß  endlos am Computer, liess seine Socken auf dem Stuhl im Esszimmer liegen und hatte Sex mit Dirnen, Nachbarinnen und Freundinnen, furzte nach Herzenslust, sang, rülpste und kratzte sich ausgiebig am Sack.
ENDE"

Freitag, 5. November 2010

Schuhe kaufen macht Spaß

Svenja bei Deichmann CITTI-Park Schuhe kaufen„Sag mal, wieviele Paar Schuhe willst du dir eigentlich noch kaufen? Man kann doch nicht sein ganzes Geld in Ballerinas, Pumps und Stiefel stecken.“, zickt Claudia mich von der Seite an, während wir gemeinsam durch den Kieler CITTI-Park stöckeln.

"Und wo genau steht das noch mal geschrieben?", gebe ich ebenso zickig zurück und bin auf der Stelle eingeschnappt.

„Und außerdem stecke ich keinesfalls all mein Geld in Schuhe. Oder glaubst du, dass ich meine ganzen Röcke, Kleider und Strumpfhosen geschenkt bekomme? Und die Parfums, das MakeUp und den Schmuck? Es ist eben nicht ganz billig, eine Frau zu sein. Nicht einmal die Hälfte meines Geldes  investiere ich in gutes Schuhwerk. Wenn überhaupt...“

"Gutes Schuhwerk, dass ich nicht lache.", muffelt Claudia vor sich hin und aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie schon wieder die Augen verdreht, obwohl sie genau weiß, wie ich das hasse: "Wenn ich nur an die pinken Korkpantoletten denke, die du unbedingt haben wolltest und dann hast du sie nur ein einziges Mal angezogen, weil du dir damit fast die Gräten gebrochen hättest. Von wegen, Gutes Schuhwerk..."

„Na und? Ist doch egal. Die waren aber total schön. Außerdem kann ich ja wohl schlecht barfuß laufen, oder?!“

„Barfuß? Nicht mal ein Tausendfüßler könnte alle deine Pumps und Stiefel, Ballerinas und Stiefeletten, Wedges, Clogs und Peeptoes auftragen. Nicht mal, wenn er hundert Jahre alt wird.“

„Nun übertreib mal nicht.“, wiegele ich sanft ab. „Wusstest du zum Beispiel, dass ich nur sechs Paar Ballerinas besitze?“

„Sechs Paar? Das ist doch eine glatte Lüge. Alleine unter dem Fenster in deinem Zimmer stehen mindestens 12 Paar davon.“ Bei Claudia setzt langsam die Schnappatmung ein.

„Nun lass mich doch mal ausreden, ich meinte doch auch sechs Paare aus schwarzem Wildleder. Sonst habe ich natürlich mehr. Und außerdem habe ich einen Ruf zu verteidigen,“, füge ich mit leiser Stimme hinzu und schlage bescheiden die Augen nieder: „Vor dir steht nämlich die Mitbgegründerin der StudiVZ Gruppe: Ich trage Ballerinas auch im Winter.“

Claudia ist beeindruckt, jedenfalls sagt sie nichts mehr und sieht mich nur bewundernd von der Seite an. Wir stöckeln weiter durch den Kieler CITTI-Park. Nächster Halt Deichmann. Ich muss unbedingt diese braunen Keilstiefel aus der Werbung anprobieren. Braune Keilstiefel habe ich nämlich noch gar keine. Jedenfalls diese nicht.

Bei Deichmann angekommen, setze ich mich auf die große Ankleidebank und probiere die wunderschönen Overknees mit Keilabsatz an. Aber was ist das? Ich krieg den Reißverschluss nicht zu, weil mein Spann einfach zu hoch ist. Mist. Dann muss ich wohl noch eine Weile mit den drei Paar braunen Keilstiefeln leben, die ich schon habe. Aber schön ist das nicht.

Um mich etwas abzulenken, frage ich Claudia ganz höflich: „Kannst du mir mal bitte die, die und die in 41 bringen? Und die Peeptoes in beiden Farben, bitte.“ und zeige dabei mit dem Finger auf verschiedene Modelle.
„Wieso ich? Ist was mit deinen Füßen?“, fragt Claudia mich verständnislos.
„Na hör mal, ich kann ja wohl schlecht auf Strumpfhosen durch den Laden rennen, oder? Was ist denn, wenn ich hier auf ein Kaugummi trete? Oder auf eine Heftzwecke? Das ist dann allein deine Schuld.“

„Ja, ja, ist schon gut, Tinky Winky. Es kann ja auch wirklich niemand von dir verlangen, dass du mal eben wieder in deine Pumps schlüpfst. Das ist ja viel zu mühevoll. Bleib bloß sitzen, ich mach das schon.“, erwidert Claudia und verschwindet kopfschüttelnd hinter dem nächsten Regal, um nach einer ganzen Weile voll beladen mit Schuhkartons wieder aufzutauchen. Ich sag ihr natürlich nicht, dass das aber ganz schön lange gedauert hat. Hat es aber.

Bei Deichmann ist heute für mich nichts dabei, außerdem habe ich die meisten sowieso schon und für Buffalos fehlt mir heute das Geld. „Ich brauche unbedingt noch Strumpfhosen.“, verkünde ich so laut, dass ein älteres Ehepaar sich irritiert nach mir umsieht. „Ich brauche Blickdichte in allen Farben, besonders in hellgrau, grau, mittelgrau, dunkelgrau und anthrazit. Grau ist nämlich das neue Schwarz.“ füge ich klugscheißerisch hinzu und ziehe dabei die Augenbrauen hoch, wie ich das immer tue, wenn ich eine elementare Wahrheit zu verkünden habe. So wie damals, als plötzlich braun das neue schwarz war und ich das als Allererste wußte.

Aber zuverlässig wie ein Uhrwerk geht das Genörgel natürlich wieder los: „Strumpfhosen? Dein Schrank ist doch voll davon und mindestens ein Dutzend hast du noch nicht mal ausgepackt.“

„Na und? Du weißt doch, dass ich niemals Hosen trage und deshalb brauche ich nunmal zu jedem Outfit die hundertprozentig passende Strumpfhose, sonst taugt der ganze Look nichts. Außerdem brauche ich die jeweils in glänzend und in matt, in glatt und in wollig und am liebsten zwei Stück von jeder Sorte.“

"Aber vorher muss ich erstmal meine Schuhe wechseln, die grauen Wildlederpumps bringen mich nämlich gerade um. Aber bevor du wieder anfängst zu meckern, nein, die sind nicht neu. Die habe ich schon letzte Woche gekauft."

Zum Glück habe ich extra ein paar Ersatzschuhe in der Handtasche. Die grauen Stiefel habe ich in endlosen Partynächten total bequem eingetanzt und außerdem sind die Absätze nur 5cm hoch. Endlich bequeme Laufschuhe.

Svenja zieht im CITTI-Park die Pumps ausIch setze mich auf eine große Ledercouch und wechsele in Ruhe meine Pumps gegen Stiefel. Trotzdem bin ich irritiert: "Was glotzen die Landeier eigentlich so? Haben die noch nie gesehen, wie eine Dame der Großstadt elegant ihre Schuhe wechselt?"

"Dame? Der Begriff wäre mir jetzt nicht dazu eingefallen, wie du hier in deinem Minikleid auf der Couch sitzt und deine große Ich-wechsel-die-Schuhe-Show abziehst. Und gewöhn dir endlich ab, jede Else anzuflirten, die zufällig in deine Nähe kommt. Die sind immer völlig irritiert."

"Na gut, du hast ja Recht. Ich bin wirklich keine Dame, denn dafür bin ich noch viel zu jung. Immerhin bin ich ja erst vierundzwanzig..."

Sonntag, 31. Oktober 2010

Fünf Fragen, zwei Antworten

Svendura unterwegs beim MotorradreisenAls ich im August auf meiner nagelneuen Kawasaki Enduro nach Frankreich aufbreche, stelle ich mir fünf Fragen zu fünf Unsicherheiten, die ich mir auf dieser Reise beantworten möchte. Inzwischen bin ich längst zurück und habe mich lange genug vor den Antworten gedrückt.

Ich hatte Angst davor, dass es möglicher­weise Antworten sind, die ich gar nicht hören möchte. Am allerwenigsten von mir selbst.


Erstens, die P-Frage: Funktioniert die Sache mit dem Passing gut genug, um überzeugend als Frau zu reisen, oder werde ich regelmäßig als „Transe* mit Motorrad“ wahrgenommen?

Die Frage ist gemein, weil ich nicht weiß, ob ich es mir überhaupt eingestehen könnte, falls ich merke, dass meine Umwelt mich als Lavendeltarzan auf zwei Rädern belächelt. Glücklicherweise darf ich die Antwort schuldig bleiben, denn mein Passing als Bikergirl hat prima funktioniert und ich gebe mir selbst acht von zehn möglichen Punkten. Je einen Punkt Abzug gibt es für quälende Selbstzweifel und einen weiteren für ein Minikleid von 225g, das ich als einzige Garderobe für den Abend mitgenommen habe. Damit habe ich mein Glück sehr auf die Probe gestellt habe, weil es viel zu wenig Kleid war und  ich damit zweite und dritte Blicke provoziert habe, was für Transfrauen die Gefahr der Entdeckung birgt.

Frage 2: Welche Probleme erwachsen aus dem Einen, wie aus dem Anderen? (gemeint ist Passing, bzw. wenn ich als trans erkannt werde)

Als ich mir diese Frage gestellt habe, dachte ich eher daran, was geschieht, wenn jemand mich als transsexuelle Frau bemerkt und ich dann so richtig verarscht werde. Könnte ich damit umgehen?

An den umgekehrten Fall, dass ein paar angetrunkene alte Knaben schlüpfrig und unangenehm werden, daran hatte ich nicht gedacht. Indessen hätte diese Boygroup es mich zweifellos wissen lassen, wenn auch nur der leiseste Zeifel an meiner Weiblichkeit aufgekommen wäre. Das war eine echte Feuerprobe für mich, falls die Jungs nicht einfach mal zum Optiker müssen.

Und dann war da noch der ältere, sehr nette Witwer, der mir einen reizenden Heiratsantrag gemacht hat. Hätte ich den nicht freundlich abgelehnt, so würde ich heute in einem kleinen Dorf bei Höxter wohnen, seine Wäsche waschen, kochen, den Garten machen und wer weiß was sonst noch alles von Frauen erwartet wird, tun.

Svenja-and-the-City stellt Fragen und wer nicht fragt bleibt dumm

Fazit: Die Sache mit dem Passing hat prima hingehauen. Das war meine größte Unsicherheit. Kann ich unter fremden Menschen und auf der Reise durch ein fremdes Land als Frau bestehen, auch wenn ich ungeschminkt und in Motorradklamotten unterwegs bin? Yes, I can!

*Passing: Die Fähigkeit, eindeutig als Frau wahrgenommen zu werden, ohne dass die transsexuelle Vergangenheit aufplatzt. (Gutes Passing, schlechtes Passing).
Siehe auch: Tipps für ein gutes Passing.

*Transe: Eine abfällige und beleidigende Bezeichnung für transsexuelle Frauen.
 Siehe auch: Ist Transe ein Schimpfwort?

Sonntag, 17. Oktober 2010

Reise in die Vergangenheit

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchSommer 1980. Ich heiße noch Sven, bin 18 Jahre alt und wohne mit meinen Eltern in Kellinghusen, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein.

Meine Hauptinteressen? Motorräder und Mädchen, wobei sich die Reihenfolge in letzter Zeit verändert hat.

Eines Tages als ich aus der Schule komme, berichtet meine Mutter mir, dass ein neues Mädchen in der Stadt sei. Eine Amerikanerin, sie heißt Dian, kommt aus New York und besucht hier ihre deutsche Oma.

Ich habe sofort den Wunsch, dieses interessante und für mich total exotische Girl kennenzulernen und tatsächlich schaffe ich es auch, in ihre Nähe zu kommen. 

Meine Ma gibt mir gerne Tipps in diese Richtung. Ich glaube, sie hat ein bisschen Angst, dass ich schwul sein könnte, weil ich mein ganzes Geld für Mädchensachen ausgebe und immer wieder in Frauenkleidern gesehen werde. Nein, Mama, schwul bin ich nicht, ich bin nur irgendwie anders. Ich empfinde mich als Frau. Den Begriff transsexuell kannte ich damals noch nicht.

Dian wohnt mit einer Freundin zusammen ganz in der Nähe und eines Tages bekomme ich überraschend eine Einladung in die Wohnung der beiden jungen Frauen zum Abendessen.

Ich weiß sofort: Das ist der Abend, an dem ES passiert. Vielleicht errinnert ihr euch an den Film American Pie? An Jim, den Typen, der noch Jungfrau ist und diese supersexy, osteuropäische Austauschschülerin Nadia ins Bett kriegen will? Innerlich bin ich zwar wie Nadia, aber äußerlich will ich genau das, was auch Jim will.

Eine kleine Unsicherheit bleibt trotzdem, denn ich bin zu der Zeit noch Jungfrau und muss mich voll und ganz auf Dian verlassen. Sie wird schon wissen, was ich dabei tun muss und wie alles funktioniert.

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchIch werde nicht entäuscht. Der Abend wird unvergesslich. Dian weiß alles, was man wissen muss und sogar noch ein paar Sachen, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt.

Ich erzähle Dian von meiner weiblichen Seele und sie findet es auf Anhieb interessant und lässt mich, so oft ich mag, ihre Sachen anziehen.

Ich erinnere mich sogar, dass ich manchmal in Dians Sachen zur Schule gegangen bin. Nicht im Rock, aber in ihren hohen Stiefeln, die ich über ihren Jeans getragen habe.

Absolut unvergesslich bleibt mir die Physikstunde in der Oberstufe, als ich plötzlich an die Tafel sollte und von meinem Platz in der letzten Bank auf Dians High Heels nach vorne an die Tafel gestöckelt bin. Parkettboden, laut, auffällig, peinlich, ich bekam einen roten Kopf, aber das war auch alles. Niemand hat etwas über mein Outfit gesagt.

Ich habe mich oft gefragt, warum damals alles so gut gegangen ist und es niemals Ärger gegeben hat. Vielleicht deshalb, weil ich recht beliebt war? Weil ich es wie selberverständlich  einfach getan habe? Weil Mobbing noch nicht erfunden war? Ich weiß es nicht.

Aus Dian und mir wird ein Paar. Am 24. Dezember 1981 verloben wir uns und nehmen zusammen eine Wohnung. Meine Eltern sind stinksauer. Für ihren Geschmack ist Dian ein bisschen zu reif und zu sexy für ihren Jungen und sie befürchten, ich könne die Schule schmeißen und das Abitur sausen lasse, aber das tue ich natürlich nicht.

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchDian und ich bleiben einige Jahre zusammen, bis unsere Wege sich schließlich trennen. Sie möchte gerne heiraten und eine Familie gründen, während ich mich noch zu jung dafür fühle.

Ich bin gerade erst bei der Polizei angenommen worden und möchte meine ganze Energie in den neuen Beruf stecken. Wir trennen uns ohne Streit, aber Handy und Internet sind lange noch nicht erfunden und so verlieren wir uns aus den Augen.

Im Sommer 2010 bekomme ich eine E-Mail von Dian: „Ich komme zu Besuch nach Deutschland. Bin geschieden und lebe ich mit meinem neuen Freund Butch in den Südstaaten. Du wirst ihn mögen. Ich freu mich auf unser Wiedersehen. Love, Dian.“

Mehr als zwanzig Jahre sind vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Werde ich Dian wiedererkennen? Umgekehrt habe ich natürlich keine Zweifel, denn ICH habe mich schließlich nicht groß verändert. :-)

Ich ziehe das braune Kleid mit den passenden Nubukleder Pumps an, meine kurze Bikerjacke und los geht die Fahrt nach Hohenlockstedt, wo Dian und Butch bei einer Freundin wohnen.

Welch ein Wiedersehen. Dian ist noch immer das total verrückte, flippige and powerful girl, als das ich sie in Erinnrung hatte. Nein, das Leben hat Dian nicht klein gekriegt und ich weiß sofort wieder, weshalb ich sie einmal geliebt habe. Beide haben wir ein wenig zugelegt, aber auch das ist innerhalb von 30 Jahren ganz ok. Ihr Freund Butch ist ein echter Redneck aus den Südstaaten der USA. Wir verstehen uns auf Anhieb gut und ich mag ihn sehr.

Gemeinsam verbringen wir ein paar wunderbare Tage in Kiel, wo ich Dian und Butch mein Apartment zur Verfügung stelle und solange zu Claudia ziehe. Ich habe Tränen in den Augen, als ich die beiden schließlich am Hamburger Flughafen absetze. Butch lädt mich ganz herzlich zu den beiden in die USA ein, wo sie in einem Holzhaus mitten im Wald auf ihrem eigenen Mountain wohnen.

Dian und Svenja zur Kieler Woche 2010

Fazit: Das war ein tolles Wiedersehen, aber ob ich eine Reise zu einem Gegenbesuch in die Südstaaten machen werde? Es gibt dort im Umkreis von zehn Meilen kein Stück Asphalt, auf das ich einen Absatz setzen könnte und ob es mir gelingt, die einheimischen Redneck Boys davon zu überzeugen, dass trans zu sein, ganz in Ordnung ist? Ich weiß es noch nicht. Aber toller Stoff für einen Reisebericht wärs schon, oder...?!

PS: Und hier kommt die Erklärung für den Spitznamen "The green Cow" für mein Motorrad. Als Butch erfährt, dass ich eine Kawa fahre, spricht er das in seinem Southern Drawl  "cow" aus und Dian macht daraus sofort "The green Cow". Und so kam das ...

Montag, 11. Oktober 2010

Die Reise, Tag 9 - Spessart - Thüringer Wald - Harz

Früstück im Hotel AuerhahnAls ich am nächsten Morgen in die Gaststube komme, warten dort schon ein großer Brötchen­korb und eine üppige Wurstplatte auf mich. Dazu gibt ein weich gekochtes Früh­stücksei, leckeren Orangensaft und starken Kaffee, soviel ich nur mag.

In allerbester Laune mampfe ich das Frühstück in mich hinein, ohne die Marmeladen und den Honig auch nur eines Blickes zu würdigen. Welch ein toller Start in den Tag.

Für heute habe ich geplant, Schloß Mespelbrunn zu besichtigen, das berühmte Wirtshaus im Spessart. Leider liegt es aber nur lausige 7 Km vom Auerhahn entfernt und ist damit auch schon wieder aus dem Rennen. Denn sowie ich morgens auf meiner Enduro sitze und der Motor läuft, ist jeder Gedanke an irgendwelche Schloßbesichtigungen vergessen und ich will nur noch fahren. Darüber muss ich bei Gelegenheit wirklich mal mit einem guten Therapeuten reden.

Einige Kilometer weiter fahre ich bereits mitten durch den tiefen, dunklen Spessart. Die Septembersonne schafft es nur langsam, den Frühnebel aufzulösen. Hinter Weibersbrunn folge ich dem Bach Hafenlohr bis nach Rothenfels, wo er in den träge dahinströmenden Main fließt.

Brücke über den MainBlick über den Main

Ich habe die wunderschöne Kurvenstrecke an diesem Morgen fast für mich allein, nur der überladene Kleinbus einer Heizungsbaufirma stört meine morgendlichen Kreise. Hinter einer Spitzkehre ziehe ich im dritten Gang bergauf mit hoher Drehzahl vorbei und während ich die Gänge vier, fünf und sechs nachlade, rauche ich die Heizungsjungs locker auf. Soo lahm ist die kleine Kawa dann doch nicht.

Endurowandern mit Svenja
Die Navigatorin bei der Arbeit...

Ich folge dem Lauf des Mains bis nach Gemünden, wo ich den Fluss verlasse und in die Bayerische Rhön abbiege. Entlang der Fränkischen Saale fahre ich bis nach Bad Kissingen, wo ich Pause mache und einen Becher heißen Kaffee trinke.

Am Rennsteig in Thüringen mit dem Motorrad
Kurvenstrecke durch den Thüringer Wald

Über Bad Königshofen und Hildburghausen reise ich weiter in den Naturpark Thüringer Wald, wo eine dramatische Kurvenstrecke durch tiefen Nadelwald am Rennsteig entlang führt. Bei Ohrdruf lasse ich den Thüringer Wald hinter mir und folge der B247 bis nach Gotha, das ich als eine deprimierend hässliche Stadt erlebe.

Straßenszene in Gotha
Eine deprimierende Straßenszene in Gotha

Ich sehe viele verlassene Häuser, deren längst eingeschlagene Scheiben notdürftig mit Holz vernagelt wurden. Und es gibt in Thüringen eine Kultur des wilden Plakatierens, die ich aus Schleswig-Holstein nicht kenne. An jedem zweiten Laternenmast hängen grellbunte Plakate auf Neonkarton, die abwechselnd für irgendwelche Erotikshows, Pornomessen und Table Dance Shows werben.

Haus in GothaNein, hier gefällt es mir ganz und gar nicht und ohne Pause fahre ich über Großenehrich zügig weiter in Richtung Norden.

Kurz vor Sonderhausen hat mich der Regen wieder eingeholt und  ich beginne mit der Zimmersuche für die Nacht. Am Ortsausgang von Nordhausen halte ich an einem Gasthof mit Restaurantbetrieb. Die üppige  Schnitzelkarte mit tollen Gerichten hat es mir auf Anhieb angetan und ich gehe hinein, um nach einem Zimmer für die Nacht zu fragen.

Die Gaststube ist leer und nachdem ich eine Weile mit meiner Regenkombi lustlos den Teppich vollgetropft habe, rufe ich laut "Hallo?!". Nach kurzer Zeit erscheint auch jemand, aber der ist schon ziemlich gallig: "Wer hat hier hallo gerufen?".

Ich verkneife mir eine echte Svenja Erwiderung und frage nach einem Zimmer. Als ich höre, dass es 45 Euro die Nacht kosten soll, falle ich ein wenig aus der Rolle: "Wieee bitte?! Nein, danke, das ist nicht meine Preislage.", und beinahe hätte ich hinzugefügt: "Jedenfalls nicht in dieser Gegend." Ich war einigermaßen erstaunt darüber, wie teuer Manches in den neuen Bundesländern ist, obwohl die Leistung nicht dagegen steht.

Der Wirt ist ein bisschen pupsig mit mir. Er weiß natürlich, dass es draußen in Strömen regnet und dass es schon recht spät ist: "Na dann viel Glück. Ich glaube kaum, dass Sie hier was Billigeres finden." Oh doch, das denke ich schon und der Regen macht mir inzwischen schon nichts mehr aus, denn ich wohne in dieser blöden Regenkombi und meine Haut hat eine Unterlage aus Goretex. Pöh...

Ich bin nicht sicher, ob auch Frauen einen Kavalierstart hinlegen können, aber mit einem kurzen Wheely fahre ich den Bordstein hinunter auf die Straße und rausche in einer beeindruckenden Gischtwolke in Richtung Harz davon. Notfalls muss ich eben bis Braunlage, oder sogar bis Osterrode durchhalten. Mir macht das ja nichts aus, aber mein Dubs ist da anderer Meinung, denn der tut inzwischen richtig weh. Schon seit längerem durchfahre ich alle kleineren Orte im Stehen und freue mich in den Städten über jede rote Ampel, an der ich kurz absteigen kann.

Als ich mitten im Harz in 640m Höhe durch den kleinen Ort Hohegeiß fahre, entdecke ich die Beschilderung zum Berghotel und bekomme dort ein wunderbares Einzelzimmer mit Frühstücksbuffet für 33 Euro. In Gedanken rufe ich dem verhinderten Wirt in Nordhausen zu: "Hallo?! Können Sie mich hören? 33 Euro mit Buffet. Und das Hotel war auch nicht so schraddelig wie Ihres." Ich erwäge kurz, die 25 Km zurückzufahren und in Nordhausen ein bisschen anzugeben, aber für heute reichts. Mir ist kalt, hungrig, müde und ein bisschen Aua.

Das Zimmer im Berghotel Hohegeiß ist total schön eingerichtet und bietet einen tollen Panoramablick in den Harz. Leider hat das Hotel keinen eigenen Restaurantbetrieb, aber nur 200 m weiter liegt die Silbertanne, ein ganz wunderbares Speiserestaurant.

Das kleine Stück gehe ich zu Fuß in meinen Motorradsachen. Heute habe ich keine Lust, mich zu stylen, ich mache mir nur die Haare ein bisschen schön und male mir ein neues Gesicht für den Abend.

Die Silbertanne ist echt klasse. Ich probiere als Vorspeise die berühmte Harzer Bratkartoffelsuppe. Der Name macht mich neugierig und ich denke, für 4 Euro ist das sicher nur eine kleine Vorspeise und ich kann nicht viel falsch machen. Fazit: Die Suppe schmeckt total mega lecker, allerdings ist es eine Mörderportion, die in einigen noblen Kieler Restaurants locker als Hauptgericht durchgegangen wäre.

Und während ich noch überlege, wie ich jetzt mein Hautpgericht schaffen soll, das  große Holzfällersteak mit Zwiebeln, frischen Champignons und Bratkartoffeln, da bekomme ich zusätzlich noch einen Gruß aus der Küche. Einen Teller mit hausgemachter Leberwurst und Rotwurst auf frischem Bauernbrot.

Svenja Svendura Sommerreise 2010Jetzt wirds aber eng, denke ich und esse nur die Leberwurstbrote, denn inzwischen kommt mein Holzfällerschnitzel und es ist umwerfend lecker und auch wieder eine Riesenportion. Das Essen in der Silbertanne ist wirklich auch für große Mädchen zum Sattwerden und eine weitere Empfehlung von mir nicht nur für Biker.

Leider habe ich vergessen, nach dem Rezept für die Bratkartoffelsuppe zu fragen, aber die liebe Frau Currywurst hat extra für mich in ihrer Versuchsküche eine eigene Bratkartoffelsuppe komponiert und das Rezept findet ihr hier...


Fazit: Hier endet mein Reisebericht. Der zehnte Tag besteht nur noch aus der langen und ereignislosen Heimreise nach Kiel. In Salzgitter erlebe ich zwar noch einmal ein beeindruckendes Gewitter, aber was macht mir das schon noch aus? Ich bin schließlich das Bikergirl in der orangen Regenkombi :-)

Auf dem Foto links seht ihr nicht nur meine neuen Stiefel (PLAZA 24,95 EUR), sondern auch meine Reiseroute der vergangenen zehn Tage (3.013 Km).

Momentan arbeite ich an dem Gesamtfazit meiner Reise und an der Beantwortung der fünf Fragen, über die ich mir vorher so viele Gedanken gemacht habe.


Mittwoch, 6. Oktober 2010

Die Reise, Tag 8 - Nagold - Neckar - Spessart

Ich werde morgens von der Sonne gewecktAm nächsten Morgen werde ich schon um kurz nach sieben wach, weil mir ein strahlender Sonnen­aufgang durch die geschlossenen Lider in die Augen piekt.

Yippieh, welch ein schöner Morgen. Mit drei Sätzen hüpfe ich unter die Dusche und mache mich in absoluter Rekordzeit fertig. Sogar die Wimperntusche muss heute etwas dünner ausfallen, denn ich will endlich frühstücken und so schnell wie möglich in den neuen Tag starten.

Das Frühstück in der Wolfsschlucht ist wirklich mega lecker. Einzig der Kaffee ist ein bisschen dünn und als ich aus Versehen etwas auf die gelbe Tischdecke kleckere, gibt es nicht mal einen richtigen Fleck. Trotzdem stelle ich vorsichtshalber den Salzstreuer auf die Stelle.

Eine Stunde später habe ich mein Gepäck verstaut und starte die hochbeinige grüne Kawasaki. Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert davon, wie ruhig und gleichmäßig der kleine Motor läuft. Ohne Scheppern und Rasseln säuselt er im Standgas leise vor sich hin. Ganz behutsam fahre ich ihn die ersten 10 Kilometer mit kleiner Drehzahl warm und bleibe beständig unter 5.000 U/min. Das gibt auch mir die Gelegenheit, die letzte Bettwärme abzuschütteln und selbst auch ein wenig geschmeidiger zu werden.

Der nächste größere Ort ist Bad Herrenalb. Es ist ein strahlend schöner Tag und das Thermometer an der Volksbank zeigt schon 14° C an. In dieser Gegend sind die Kurorte aufgereiht, wie Perlen auf einer Schnur. Ich fahre abwechselnd über aufregende Kurvenstrecken und rolle danach wieder leise durch einen der kleinen Kurorte. Das macht einfach Spaß und ich fühle mich rundherum glücklich und zufrieden.

Ich möchte heute noch bis in den bayrischen Spessart fahren, der mich auf meiner letzten Reise so beeindruckt hat. Leider habe ich dort 2007 keine einzige trockene Minute verbracht und war total nass und durchgefroren. Aber heute sieht es besser aus.

Über Bad Wildbad gelange ich auf die Schwarzwald Bäderstraße und folge auf ihr dem Lauf der Nagold. Ein wunderschöner kleiner Fluss, der sich viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat. Ich erreiche Pforzheim und sehe mir die Fischtreppe in Nagold Weissenstein an. Schließlich bin ich kein Banause und gucke mir unterwegs durchaus einige Sehens­würdigkeiten an. Jedenfalls solange ich dafür nicht extra absteigen muss...
Fischtreppe der Nagold in Pforzheim Weissenstein
Die Fischtreppe der Nagold in Pforzheim Weissenstein

Meine Route führt direkt durch Pforzheim hindurch und auf der Durchgangsstraße erlebe ich eine schmutzige, hässliche Stadt. Der Fairness halber muss ich aber sagen, dass mehrspurige Durchgangsstraßen nur selten durch die schönsten Ecken einer Stadt führen. Vielleicht kennt jemand Pforzheim und kann mir doch noch etwas Nettes über diese Stadt schreiben?

Bei Walheim erreiche ich den Neckar und folge seinem Lauf in Richtung Norden. Die Sonne ist mittlerweile wieder hinter dunklen Wolken verschwunden und ich sehe mißtrauisch nach oben, ob es schon wieder Zeit ist, die Regenkombi anzuziehen. Durch Heilbronn und Neckarsulm ziehe ich meine Bahn am Fluß entlang.

In Eberbach verlasse ich den Neckar und biege nach Nordosten ab in den Odenwald. Auf der Siegfriedstraße fahre ich mitten durch diese wunderschöne Kulturlandschaft. Zum Glück herrscht nur wenig Verkehr und ich kann die Fahrt so richtig genießen. 

Irgendwo am Neckar
Irgendwo am Neckar, ich habe leider vergessen wo. Danke schön, das ist Burg Zwingenberg. Volker hat es als Erster bemerkt.

Inzwischen sitze ich schon wieder sieben Stunden im Sattel und kurz hinter Miltenberg fange ich an, mich nach einem Bett für die Nacht umzusehen. Heute brauche ich mir keine Gedanken ums Zelten zu machen, denn inzwischen hat es wieder angefangen zu regnen. Die Bettensuche gestaltet sich heute besonders frustrierend. Ich mache zweimal den Fehler, meine Route zu verlassen, weil ich der Beschilderung zu einem Hotel folge. Beide Male ist es ein Umweg von 5 Kilometern und beide Male sind die Läden geschlossen. Klingeln, klopfen, fluchen, aber da ist keiner. Mist. Weiterfahren.

Mitten im Bayrischen Spessart finde ich dann aber ein echtes Goldstück von einem Landgasthof, den Auerhahn in Hobbach. Schon beim Anblick der Speisenkarte läuft mir das Wasser im Mund zusammen und die Preise für Essen und Trinken sind so unglaublich günstig, dass ich schon kleine Portionen befürchte, aber nicht im Auerhahn! Die Übernachtung kostet 30 Euro mit Frühstück und mein Zimmer ist mit ganz neuen, blau gebeizten Bauernmöbeln sehr gemütlich eingerichtet. Ich bin richtig begeistert, diesen tollen Gasthof entdeckt zu haben. 

Auerhahn in Eschau Hobbach Neuhammer
Der Auerhahn in Hobbach - Mein Top Tipp für Biker im Spessart

Ich darf die Enduro in die Garage hinterm Gasthaus stellen und trage das Gepäck die wenigen Schritte in mein Zimmer. Ohne mich umzuziehen gehe ich in meinen Motorradsachen hinunter in den großen Wintergarten und trinke erstmal in Ruhe ein Bier. Ich merke, dass die Tage anstrengender werden und ich die acht Stunden im Sattel der kleinen Enduro nicht mehr so mühelos wegstecke, wie noch zu Beginn meiner Reise. Wenn ich wieder zuhause bin, brauche ich sicher erst einmal Erholung vom Urlaub.

Eine gute Stunde später erscheine ich komplett gestylt wieder in der Gaststube. Unter dem Arm trage ich Pieps, die zu faul zum Laufen ist, mein Reisetagebuch, zwei Bleistifte, einen Anspitzer, verschiedene Landkarten, die Reisekasse und meine Digitalkamera. Eintrag ins Logbuch: Auf der nächsten Reise nehme ich eine kleine Handtasche mit und ein Paar höhere Schuhe. Zwei Tische weiter sitzt nämlich eine total süße Blondine gegen die ich mit meinen langweiligen Flachtreter Ballerinas mächtig abstinke, denn SIE hat ein paar echt heiße Keilpumps an. Dafür ist aber mein Kleid deutlich kürzer, wodurch ich wieder ein wenig Boden gutmachen kann.

Ich schenke der Schönen ein strahlendes Lächeln, doch sie hat nur ein dürres Grinsen für mich übrig, bevor sie irritiert wegschaut. Irgendwie funktioniert diese Nummer in letzter Zeit nicht mehr so gut wie früher. Dabei habe ich damit in meinem ersten Leben einige tolle Kontakte geknüpft, indem ich nach einem freundlichen Gegenlächeln ein nettes Gespräch mit der Schönen angefangen habe. Diese ganze Passingsache hat entschieden auch ihre Nachteile. Mist, daran hab ich vorher nie gedacht. Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass schöne Frauen jetzt out-of-reach für mich sind.

Zum Abendessen bestelle ich eines meiner absoluten Lieblingsessen, Tafelspitz in Meerrettich­soße. Ich kann kaum glauben, dass die große Portion nur 5,60 Euro kostet und hätte am liebsten noch ein Schnitzel dazu gegessen, aber ich bin schon satt.

Jetzt kommt der Teil, den ich abends im Hotel so sehr liebe. Dick und kugelrund gefressen sitze ich zufrieden an meinem Tisch und schreibe mit Bleistift in das kleine Reisetagebuch, solange die Eindrücke noch ganz frisch sind.

Dazu bestelle ich mir von Zeit zu Zeit ein frisches Bier, oder ein Glas Wein. Den Bleistift muss ich an diesem Abend gleich mehrfach neu anspitzen, bevor ich gegen halb zehn richtig schön müde und bettschwer auf mein Zimmer verschwinde. Minuten später bin ich bereits fest eingeschlafen.

Samstag, 2. Oktober 2010

Die Reise, Tag 7 - Schwarzwaldhochstraße

Svenja Svendura und Pieps beim BikerfrühstückPerfekt ausgeruht und in den Knien federnd hüpfe ich am nächsten Morgen um sieben aus dem Zelt und gehe mit Pieps auf ein großes Biker­früh­stück in die Camping­klause.

Während mein Zelt bereits in der Sonne trocknet, vertilgen wir beide eine Riesenportion Rührei mit Speck und ich trinke zwei Kännchen Kaffee dazu. Das war ein erstklassiges Frühstück und jetzt kann der Tag beginnen.

Das Wetter sieht prima aus, doch obwohl es eine klar Nacht war, ist das Zelt von Kondens­wasser und Tau ziemlich nass geworden. Das Außenzelt meiner kleinen Tropfsteinhöhle hänge ich deshalb zum Trocknen übers Motorrad. Könnt ihr sehen, wie es in der Sonne dampft?

Im Waschhaus jammern die Dauer­camper mir munter die Ohren voll. In der Nacht hat es den ersten Frost gegeben und weil sie darauf natürlich nicht eingestellt waren, sind sie alle etwas durchgefroren. Ich denke, dieses ist genau der richtige Zeitpunkt, um ein wenig mit Claudias Schlafsack anzugeben. Ich beklage mich darüber, wie nervig es doch ist, wenn der Schlafsack so warm ist, dass man ihn nicht einmal richtig zumachen kann.

Svenjas Zelt trocknet in der Sonne

Bis ich meine ganze Ausrüstung trocken verstaut habe und endlich losfahren kann, ist es schon 11 Uhr. Am Schluchsee halte ich nur kurz an, um dieses Foto zu machen, dann geht es weiter nach Titisee.

Svenjas Zelt trocknet in der Sonne

In Titisee angekommen, fahre ich ganz langsam durch den Ort. Hunderte anderer Touristen bevölkern bereits die Innenstadt. Ich bin ganz erstaunt darüber, dass ich nirgends mein Motorrad loswerden kann. Sonst stelle ich mein Bike einfach irgendwo auf dem Bürgersteig ab, aber nicht in Titisee. Alles verboten, gesperrt, reglementiert.
 
Svenja Svendura in Titisee Schwarzwald Zur Ehrenrettung der kleinen Schwarzwald­gemeinde mit dem lustigen Namen muss ich allerdings sagen, dass es einen großen Parkplatz am Bahnhof gibt, der für Motorräder sogar kostenfrei ist. Dort parke ich die Kawa auf dem letzten freien Platz und latsche (ich hasse gehen) die 250 m zurück ins Dorf.

Titisee ist wirklich sehr schön, aber der Ortskern hat seine Ursprünglichkeit schon vor langer Zeit engebüßt. Überall werden Andenken und Kuckucksuhren angeboten. Dabei unterbieten die Läden sich mit dem aller­größten Kitsch, und billigem Plastikramsch, der ganz sicher nicht aus dem Schwarzwald stammt. Das Highlight aber sind die kleinen Kuckucksuhren aus Plastik für 6,95 €, die es in verschiedenen Bonbonfarben gibt. Ich rieche Taiwan.

Dennoch kann ich mich der zuckersüßen Atmosphäre von Schwarzwälder Kuckucksuhr und Kirschtorte nicht ganz entziehen und finde es trotz Kitsch und Kommerz insgeheim sogar wunderschön. Titisee ist schön.

Ich bestaune alles und kaufe dann wenigstens eine Ansichtskarte für Claudia, "Schöne Grüße aus Titisee.", die ich am Bahnhof gleich einwerfe. (Die Karte, nicht Claudia)

Svenja als Schwarzaldmädel in Titisee

Mein nächstes Ziel ist die Schwarzwaldhochstraße, die ich 2007 schon einmal gefahren bin. Damals habe ich aber vor lauter Regen fast überhaupt nichts gesehen, so sehr hat es damals gegossen. Heute hingegen sieht das Wetter richtig klasse aus. Strahlender Sonnenschein um 20° C.

Die Schwarzwaldhochstraße beginnt in Freudenstadt und endet nach 60 Kilometern in Baden-Baden. Sie ist sehr gut ausgebaut und hat einen perfekten Asphaltbelag mit vielen irren Kurven durch eine der schönsten Landschaften Deutschlands. Allerdings ist es auch eine sehr schnelle Strecke, ganz anders als zuvor die Route des Cretes.

Svenja Svendura auf der Schwarzwaldhochstraße
Und natürlich sind Baden-Baden und die Schwarzwaldhochstraße nicht mit auf dem Schild...
Deshalb lockt sie natürlich auch einige der größten Spinner aus dem In- und Ausland an. Ein paarmal werde ich überholt, dass Pieps und ich vor Schreck fast von der Cow herunterfallen. Üble Knieschleifer in buntem Leder, die uns wie die Geistesgestörten überholen. Ich fahre jetzt 30 Jahre Motorrad, aber mit denen habe ich absolut nichts gemein. Schnaub...

Motorradfahren im SchwarzwaldAuf halber Strecke, irgendwo mitten im Hochschwarzwald, bekomme ich plötzlich Appetit auf Schwarzwälder Kirschtorte. Heute lasse ich den alten Doc Atkins mal zuhause und suche mir unterwegs ein schönes Gartencafé.

Kurz darauf sitze ich bereits unter einem großen Sonnenschirm vor einem wirklich riesigen Stück Kirschtorte. Holy Moly, da hätten sie in Kiel leicht zwei Stücke draus geschnitten. Die Torte schmeckt einfach göttlich und ist überhaupt nicht zu süß.

Völlig überfressen habe ich meine liebe Mühe, das Bein über die Sitzbank der hochbeinigen Kawa zu schwingen. Mein Magen drückt gegen die Lunge und ich kriege kaum Luft. Satt und zufrieden fahre ich auf der Hochstraße weiter nach Baden-Baden.

Als ich in Baden-Baden einlaufe, bin ich von dem hektischen Großstadtverkehr ziemlich überrascht und verfahre mich so heftig, dass es mich satte 20 Km Umweg kostet. Mist.

Dafür ist aber das Wetter wunderbar mild, warm und sonnig. Ideales Wetter zum Zelten. Trotzdem kann ich mich einfach nicht überwinden, mir einen Campingplatz zu suchen und im Dreck zu schlafen. Ich bin selbst ein wenig erschrocken über diesen Gedanken und suche mir stattdessen ein Hotelzimmer. Wie teuer kann das in einer armen Stadt wie Baden-Baden schon sein...?

Etwas übermütig halte ich vor dem wunderschönen Hotel Wolfsschlucht in Baden-Baden und frage nach dem Preis für ein Zimmer mit Frühstück. Ich bin richtig überrascht, als ich erfahre, dass es nur 43 Euro inklusive großem Frühstücksbuffet kostet. Außerdem erzählt mir die Wirtin, dass der Jäger gestern ein Wildschwein geschossen hat und dass ich abends davon etwas essen kann, wenn ich mag.

Svenja isst Schwarzwälder KirschtorteFrisch und rosig gebadet ziehe ich das graue Minikleid, die schwarze Strumpfhose und meine Ballerinas an und male mir in aller Ruhe sorgfältig ein schönes Gesicht für den Abend. Wie gut, dass ich jeden Abend woanders bin, auf diese Weise bemerkt niemand, dass ich ständig dasselbe Kleid trage :-)

In allerbester Premiumlaune schwebe ich die Treppe hinunter ins Restaurant, das leider völlig verlassen ist. Nur an einem Tisch sitzen vier Männer in ausgelassener Stimmung und bestellen munter eine Runde Bier nach der anderen.

Es sind zum Glück keine Proleten, sondern eigentlich ganz sympathische Typen. Wie ich heraushöre, Mitglieder des örtlichen Tennisclubs, die wohl gerade von einem Turnier kommen. Keine Gefahr, denke ich, setze mich zwei Tische weiter und bestelle mir etwas vom Wildschwein. Dazu trinke ich ein Bier.

Während ich auf mein Essen warte, schreibe ich schon fleißig in mein Reisetagebuch. Ich suche auf der Landkarte die Wolfsschlucht, kann sie aber nicht finden und gehe deshalb mit der Karte in der Hand an den Nebentisch, um sie mir zeigen zu lassen.

Einer der Männer zeigt mir die richtige Stelle auf der Karte, während die anderen vor sich hin witzeln. Ich werde eingeladen, mich dazuzusetzen, aber ich lehne höflich ab, weil ich auf mein Essen warte. Außerdem liegen die Jungs für meinen Geschmack schon ein paar Runden zu weit vorn.

Dreckige WitzeTrotzdem scheine ich bei den Jungs in ein Wespennest gestochen zu haben, denn während ich weiter auf mein Essen warte, drehen die Typen jetzt richtig auf. Es werden reihum dreckige Witze zu erzählt, Marke: Der Pastor und das Äffchen. Oh Mann, denke ich. Darüber konnte ich auf dem Schulhof schon nicht mehr lachen.

Inwzischen ist mein Wildschweinbraten gekommen und das Essen sieht wirklich lecker aus. Die Jungs lassen sich davon nicht stören und werden langsam unangenehm.
Ich merke, dass die Sprüche ziemlich in meine Richtung gehen und dass genügend Alkohol auch Baden-Badener Society zu Proleten macht. Zum Glück hält mein Passing, andernfalls würde ich das sofort merken, denn die im Schnitt 60-jährige Boygroup nimmt kein Blatt mehr vor den Mund.

Die Jungs fangen allmählich an, mich zu nerven und ein wenig ängstigen sie mich auch. Ich würde gerne in Ruhe essen und ich merke, dass ich langsam sauer werde. Was mache ich nur? Soll ich kurz rübergehen und einem von den Clowns den Arm auskugeln? Das geht schnell, macht nicht zuviel Mühe und hat für alle Beteiligten einen enormen Unterhaltungswert. Andererseits gibt es dann vermutlich ein Riesengeschrei und in der Zwischenzeit wird mein Wildschwein kalt. Ich stecke in einer Zwickmühle.

Schließlich wähle ich den klügsten Weg, indem ich zügig aufesse, mein Bier stehenlasse, und schnell auf mein Zimmer verschwinden will. Dummerweise muss ich ausgerechnet am Tisch der fröhlichen Geronten vorbei, wo die Stimmung unaufhaltsam ihrem traurigen Höhepunkt entgegensteuert.

Als einer der Knaben hinter meinem Rücken so laut flüstert, wie das nur Betrunkene können: "Wetten, die ist schon ganz feucht?", da ahnt er gar nicht, wie nahe wir alle in diesem Moment an einer kleinen Katastrophe vorbeischrammen.

Hinterher bin ich allerdings ziemlich stolz auf mein Passing, denn die Jungs hätten es mich wissen lassen, wenn sie irgendwelche Zweifel an meiner Weiblichkeit gehabt hätten. Insofern ist es doch nicht schade, dass ich vorzeitig aufs Zimmer verschwunden bin. Und dieses blöde Wildschwein war ohnehin zäh wie eine alte Satteldecke...

Fazit: Das war wirklich ein ganz wunderschöner Reisetag. Aufgewacht in meinem Zelt, gehe ich abends in einem noblen Baden-Badener Hotel schlafen. Und das dumme Erlebnis mit den Jungs? Habe ich das vielleicht selbst ein wenig provoziert, indem ich für ein alleinreisendes Girl ziemlich outgoing gestylt war?