Sonntag, 18. April 2010

Vorfälle im Krankenhaus

Svenja als Transgender im KrankenhausVersucht einmal, euch meine Situation vorzustellen. Ich gehe in die Klinik mit Bauchschmerzen. In der Aufnahme zeige ich meine Versichertenkarte und die Über­weisung vom Hausarzt. Beides auf Frau Svenja ausgestellt.

Natürlich steht da kein Warnhinweis drauf, dass ich als Transgender für zwei, drei kleine Über­raschungen gut bin. Und ich selbst habe überhaupt keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Muss ich eine Erklärung abgeben? Vielleicht einfach aufstehen, in die Hände klatschen und kurz um Aufmerksamkeit bitten? Ich bin ratlos und tue, was ich in solchen Situationen immer tue, nichts. Die merken im OP noch früh genug, dass bei mir etwas anders ist, als bei handelsüblichen Frauen.

Blende und Schnitt: Eine Stunde später in meinem Krankenzimmer. Eine fröhliche junge Lernschwester hilft mir beim Umziehen in das OP-Hemd. Alleine kriege ich das nicht mehr hin. Im Arztbrief steht später: „Die Patientin erschien bereits in deutlich reduziertem Allgemeinzustand.“ Keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber jetzt heißt es, ich brauche Hilfe beim Umziehen.

Ich möchte die junge Schwester nicht schockieren und fühle mich verpflichtet, etwas zu sagen: „Sie wissen ja sicher schon, dass ich die Frau mit dem Geburtsfehler bin. Ich trage die Eierstöcke außen.“ Wir müssen beide lachen. Sie hatte die Story längst brühwarm von der Aufnahme gehört, wo es dem Doc inzwischen unangenehm war, mich nach einer Schwangerschaft gefragt zu haben. Ob er mir zu nahe getreten sei? Aber nein, das war ein total süßes Kompliment. Davon werde ich noch Monate zehren.

Blende und Schnitt: Zehn Tage und zwei Operationen später. Ich beginne mich zu langweilen und gehe auf Patrouille. Vielleicht entdecke ich etwas und kann ein, zwei Anzeigen fertigen und mir später dafür Überstunden aufschreiben. Und tatsächlich, was entdeckt das geschulte Auge des Gesetzes? Mein Bett hat eine TÜV-Plakette und die ist 2007 abgelaufen. Das macht 75 Euro Bußgeld und 2 Punkte in Flensburg. Pro Bett. Ich rechne kurz hoch. Die Klinik hat ca. 640 Betten, das sind 48.000 Euro und 1.280 Punkte. Dafür gibt nicht nur der Verwaltungsdirektor den Lappen ab, sondern auch das gesamte Personal bis runter zu dem Typen, der im Foyer die Brötchen verkauft. Ich bin jedoch in Geberlaune und belasse es bei einer mündlichen Verwarnung.

Zwei Tage später aber geschieht etwas, darüber werde ich nicht hinwegsehen. So eine Frechheit ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert. Als Claudia mich kurz darauf besucht, bin ich noch immer völlig außer mir.

Reizlos Narbe heilt gutClaudia: „Guten Morgen, Svenja. Na, wie gehts?“
Ich, ohne auf ihren Gruß einzugehen: „Ich bin noch niemals so beleidigt worden. Stell dir vor, die schmeißen mich hier raus, weil ich den Ärzten auf einmal nicht mehr hübsch genug bin!“
Claudia: „Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Nicht hübsch genug? Spinnst du?

Ich, mit Zittern in der Stimme: „Eben war die weiße Wolke hier zur Visite. Und da hat dieser eine junge Arzt, du weißt schon, der mit den dunklen Haaren, der ganz gut aussieht, gesagt: Darf ich mal einen Blick auf ihren Bauch werfen? Und ich total nett: Aber natürlich, Herr Doktor. Und ziehe voller Vertrauen mein Nachthemd hoch. Schließlich sind das doch Ärzte.
Jedenfalls guckt der Doc auf meinen Bauch, natürlich genau auf die hässliche, frisch zugenähte Narbe und weißt du, was er zu mir sagt?“
Ich kann die Tränen jetzt kaum noch zurückhalten.
„Was denn?“, fragt Claudia mit Ratlosigkeit in der Stimme.
„Reizlos, vollkommen reizlos. Sie können morgen nach Hause gehen.“

Claudia: „Ja, aber...“
„Nichts, ja aber“ unterbreche ich sie wütend. „Können die sich denn alles rausnehmen nur weil das Ärzte sind? Geht es hier jetzt nach dem Aussehen? Ich weiß ja selber, dass ich momentan nicht besonders reizvoll aussehe, aber...“
Claudia: „Jetzt hör doch erstmal zu, Tinky Winky. Der meint doch nicht dein Aussehen, sondern nur deine Narbe. Reizlos heißt doch bloß, dass die gut verheilt und nicht mehr so gerötet ist. Kein Grund zur Aufregung.“

Ich: „Ha, ha. Du hast ja auch nicht sein Gesicht gesehen. So guckt man nicht auf den Bauch einer Frau, die vor einem im Bett liegt und sagt: Reizlos, vollkommen reizlos. Der müsste mich mal am Wochenende im Nightfever sehen in meinen neuen Overknee Stiefeln. Den schwarzen mit den Nieten, du weißt schon, welche ich meine.“
Claudia: „Ja, ja, ich weiß, welche du meinst.“

Reizlos Narbe heilt gutIch: „Das sind jetzt schon drei Vorfälle weshalb ich den Verwaltungsdirektor anrufen werde. Und genau das mach ich auch, verlass dich drauf.“
Claudia: „Drei Vorfälle? Was denn für Vorfälle?“
Ich: „Hörst du mir nie zu? Da war zuerst die Sache mit dem abgelaufenen TÜV von meinem Bett und heute, dass die Ärzte mich zu hässlich finden für die Station. Und dann noch die Sache mit dem Tomatensalat."
Die Sache mit dem Tomatensalat? Was denn für ein Tomatensalat?“
Ich: „Ganz genau: Was denn für ein Tomatensalat? Der, den ich letzten Dienstag extra auf meinen Essenzettel geschrieben habe und der bis heute nicht gekommen ist. Sollen die denn hier mit allem durchkommen? Ich bin nun echt keine von diesen schwierigen Zicken, die sich dauernd über alles beschweren müssen, aber das geht zuweit. Nur weil ich ein schwaches Mädchen bin...

„Nein.“
, stimmt Claudia mir zu und verdreht dabei die Augen, weil sie wahrscheinlich glaubt, ich sehe das nicht:
„Du bist nun wirklich keine von diesen schwierigen Zicken.“

Fazit: Einem Blogger kann kaum etwas Besseres passieren kann, als eine Weile im Krankenhaus zu liegen. Mehr Stoff für Postings findet man nirgends. Und sowie der Sinn für Humor wieder größer ist als das Aua, macht es auch Spaß, darüber zu schreiben.

Donnerstag, 15. April 2010

Neulich bei Kawasaki...

Svenja auf Kawasaki KLX 250 EnduroWieso gucken die Landeier so? Haben die noch nie ein Mädchen auf'm Motorrad gesehen? Egal. Ich hab jedenfalls extra meine Motorrad­stiefel und die neue Lederjacke angezogen. Vielleicht darf ich ja 'ne kleine Probefahrt machen.

Ich setz mich im Laden auf die Kawa und bin auf Anhieb begeistert. Die kleine KLX250 wiegt kaum mehr als ich und ist außerdem megaschlank und total hochbeinig. Eine Eigenschaften, die ich überhaupt sehr schätze.

Ich träume gerade so schön von meiner ersten Tour und mache ganz leise Motoren­geräusche nach, da kommt der Verkäufer hinter seinem Tresen hervor und fängt an, mir irgendwelche Neben­­sächlich­keiten an den Kopf zu werfen: "Einspritzer, PS, bla, bla, Newtonmeter, laber, Aluschwinge, bla, Digitalcockpit, laber...".

Was soll sowas? Das interessiert doch keinen normalen Menschen. Ich frage mich ernsthaft, wo solche Verkäufer geschult werden. Im Finanzamt? Zielsicher lasse ich ein paar Fachfragen los, damit er gleich merkt, dass ich selber total Ahnung habe und nicht irgendeine blöde Tusse bin, der man alles erzählen kann: "Gibt es dazu von Kawasaki nicht sogar ein passendes Top mit Spaghettiträgern? Und grüne FlipFlops? Und diese eine total süße Crosshose?"

Svenja sieht nicht fett ausAuch die anderen Kunden im Laden hören jetzt aufmerksam zu. Damit hat natürlich keiner gerechnet, dass ein Mädchen sich so gut mit Motorrädern auskennt. Wahrscheinlich haben die meisten, die hier reinkommen, nicht mal halb soviel Ahnung wie ich.
Die wichtigste Frage von allen habe ich mir extra bis zum Schluss aufgehoben und stelle sie jetzt in die versammelte Runde: "Und ich sehe darauf auch ganz bestimmt nicht fett aus?"
Für einen Moment herrscht Schweigen. Solange bis der Verkäufer mühsam hervorpresst: "Aber nein, überhaupt nicht.", und mich damit vollends von der KLX überzeugt. Ich denke, er sagt die Wahrheit, sonst würde er ja niemals so mit den Augen rollen. Ich mag den Typen, eigentlich ist er gar nicht mal so unsympathisch...

Erst als ich den Kaufvertrag unterschreiben will, fällt mir ein, dass ich bei den ganzen Biker­gesprächen total vergessen habe, nach dem Preis zu fragen...

Svenja auf Kawasaki KLX250 Enduro Probefahrt Motorrad Weber Neumünster

Sonntag, 11. April 2010

Svenja im Krankenhaus

Svenja im KrankenhausDiese blöden Bauch­schmerzen sind doch gestern abend schlagartig besser geworden. Soll ich überhaupt noch ins Krankenhaus gehen? Die sind doch fast weg. Sicher hat mein Hausarzt recht mit seiner Diagnose einer abklingenden Blinddarm­entzündung. Er schickt mich aber trotzdem in die Klinik zum Ultraschall, weil die Entzündungs­werte über Nacht durch die Decke gegangen sind.

In der Chirurgie kümmert sich ein junger Assistenzarzt um mich. Ich muss mich auf einen schmalen Untersuchungstisch legen. „Machen Sie sich bitte oben herum frei.“ fordert er mich auf. „Oben anfangen ist gut.“, denke ich. „Das ist meine beste Seite.“

Ich glaube nicht, dass der Doc schon etwas ahnt. Er klatscht mir das kalte Ultraschallgel auf den Leib und fängt konzentriert an, meinen Bauch zu schallen.

Wir sind knapp südlich des Bauchnabels. Sicheres Gebiet soweit. „Ziehen Sie bitte die Strumpfhose etwas weiter herunter.“, fordert der Doc mich beiläufig auf. „OK. Doc.“, denke ich. „Noch fünf Zentimeter tiefer und ich hab eine Überraschung für dich.“

Svenja ist ganz sicher nicht schwangerDie Bewegungen des jungen Arztes werden zielstrebiger. Er scheint endlich etwas entdeckt zu haben und kann dabei das Triumpfgefühl in seiner Stimme kaum unterdrücken: „Können Sie sicher ausschließen, dass Sie schwanger sind?“ Ich könnte ihn küssen. Das ist mit Abstand das beste Passingerlebnis, das ich je hatte. „Ja, das kann ich. Wenn ich schwanger bin, dann haben wir innerhalb von drei Stunden die BILD-Zeitung und das Fernsehen hier.“ Der Doc guckt leicht irritiert, versteht meine Anspielung aber nicht.

Die junge Medizinstudentin aber, die an meinem linken Arm Blut abnimmt, kann sich das Grinsen kaum noch verkneifen. Sie hat längst bemerkt, dass ich keine Eierstöcke habe. Jedenfalls nicht innen...

Der junge Arzt hingegen ist ratlos und übergibt mich an den Oberarzt. „Da ist es. Der Blinddarm. Durchgebrochen. Hier sieht man Flüssigkeit. Ausgelaufen. Kein Wunder, dass es Ihnen gestern plötzlich besser ging. Nach dem Durchbruch ist der Druck weg und mit ihm die Schmerzen. Gut, dass Sie gekommen sind. Ohne Behandlung stehen die Chancen, das zu überstehen, bei 50%. Sie müssen gleich operiert werden. Haben Sie heute schon was gegessen?“

Einige Stunden später ist alles überstanden. Die Operation wurde endoskopisch durch zwei kleine Löcher in der Bauchdecke durchgeführt. Dazu wird vorher eine kleine Videokamera durch den Bauchnabel eingeführt, damit der Operateur was sehen kann. Am Abend bin ich schon wieder halbwegs beieinander und ich freu mich, alles so gut überstanden zu haben.

Svenja im Städtischen Krankenhaus Kiel mit Blinddarmdurchbruch

Die nächsten Tage sind dafür gar nicht lustig. Durch zwei fingerdicke Schläuche wird dreimal täglich Wasser durch meinen Bauch gespült. Der Wasserbeutel wird an einen Infusionsständer gehängt und läuft langsam zur einen Bauchseite rein und aus dem Schlauch an der anderen Seite wieder heraus. Die Formel ist einfach: Drei Liter rein, drei Liter raus. Das Ganze hat einen hohen Unterhaltungswert und ist leider ziemlich schmerzhaft.

Claudia ist die Erste, die merkt, dass etwas nicht stimmt. Drei Liter laufen rein, aber nur einer läuft wieder heraus. Dafür muss ich nun dauernd in höchster Not auf den Toilettenstuhl, was mit den ganzen Drainagen, Beuteln und Infusionsschläuchen ganz schön schwierig ist.

Meine Geheimwaffe ist eine kleine Schmerzmittelpumpe, die der nette Anästhesist mir installiert hat. Der Abzug ist an meine Bettdecke geheftet und sieht aus wie ein kleiner Pistolenabzug. Damit kann ich mich jederzeit in süßes Vergessen schießen. „Greifen Sie ruhig zu, es hilft. Sie müssen nicht leiden. Es ist genug da. Wo das herkommt, da ist noch mehr.“, beruhigt mich der nette Doc. „Sie können es auch nicht überdosieren, der Computer rechnet ständig mit.“ Ich bin begeistert und hoffe, dass es kein Windows System ist.

Inzwischen diskutiert die weiße Wolke den mysteriösen Fall der fehlenden Spülflüssigkeit. Sechs Liter sind inzwischen verschwunden und ich ahne, wo die geblieben sind. Das Team ist sich jedoch einig, dass es medizinisch nicht möglich ist, Wasser durch die Bauchdecke direkt in den Darm zu spülen. Entwarnung also. Wenn nur die rechte Drainage nicht so weh täte...

Am Morgen des vierten Tages geht es mir besser. Als die weiße Wolke um 7 Uhr mein Zimmer zur Visite stürmt, bin ich fest entschlossen, nur über meine Entlassung zu verhandeln. Es geht mir gut und Ostern bin ich wieder zuhause.

Die Oberärztin schlägt die Bettdecke zurück, wirft einen Blick auf die Schläuche und ich sehe sofort in ihrem Gesicht, das etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. „Haben Sie heute schon etwas gegessen?“, fragt sie mich.

Der fingerdicke Drainageschlauch hat offensichtlich meinen Dickdarm durchstoßen und das Wasser deshalb an der ganz falschen Stelle wieder herausgespült. Vermutlich habe ich inzwischen den am besten gespülten Dubs von ganz Kiel. Der Gedanke tröstet mich.

Eine Stunde später liege ich bereits wieder in der Schleuse des OP1 und werde für den Eingriff fertig gemacht. Ich habe Angst und mir ist kalt.

Svenja im Städtischen Krankenhaus Kiel

Als ich am frühen Nachmittag in meinem Bett aufwache, geht es mir deutlich schlechter als nach der ersten Operation. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, dass ich diesmal eine lange Narbe vom Nabel bis in den Keller davongetragen habe. Dafür nervt mich jetzt so ein blöder Schlauch in meiner Nase. Er reicht bis in den Magen und stört total beim Schlucken. Ich bin wehleidig, ängstlich und genervt. Mit einem kurzen Druck auf den Abzug der Schmerzmittelpumpe verabschiede ich mich erneut in die Schwerelosigkeit.

Vier Tage später geht es mir schon wieder besser und ich freue mich sogar ein wenig auf Ostern. Claudia ist inzwischen in meinem Krankenzimmer eingezogen und geht kaum noch nach Hause. Allerdings habe ich insgeheim den Verdacht, dass sie nur auf ihre drei Mahlzeiten spekuliert, denn die Klinik hat Claudia kurzerhand und unbürokratisch mit in die Verpflegung aufgenommen und das Essen ist überraschend gut.

Svenja im Städtischen Krankenhaus Kiel

Fazit: Nach 13 Tagen werde ich aus der Klinik entlassen. Trotz der kleinen Panne mit dem Drainageschlauch kann ich mich über die Pflege nicht beschweren. Die Schwestern und Pfleger waren nicht nur freundlich und kompetent, sondern haben auch viel menschliche Anteilnahme bewiesen. Danke, ihr Lieben für die gute Pflege und für eure Freundlichkeit.

Und tausend Dank meiner allerbesten Freundin Claudia, die jede freie Minute an meinem Bett Wache gehalten und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Ich bin auch nicht mehr sauer wegen dem leergefressenen Osterkorb. Du darfst mir jederzeit jeden Naschkorb leeressen. Versprochen! (Aber lass die Hände von dem Nougat!)

Dieses war außerdem mein erster Aufenthalt als Frau in einer Klinik. In den vergangenen Jahren hatte ich deshalb viele Ängste und Befürchtungen. Was daraus geworden ist, darüber berichte ich euch in einem anderen Posting.