Sonntag, 31. Oktober 2010

Fünf Fragen, zwei Antworten

Svendura unterwegs beim MotorradreisenAls ich im August auf meiner nagelneuen Kawasaki Enduro nach Frankreich aufbreche, stelle ich mir fünf Fragen zu fünf Unsicherheiten, die ich mir auf dieser Reise beantworten möchte. Inzwischen bin ich längst zurück und habe mich lange genug vor den Antworten gedrückt.

Ich hatte Angst davor, dass es möglicher­weise Antworten sind, die ich gar nicht hören möchte. Am allerwenigsten von mir selbst.


Erstens, die P-Frage: Funktioniert die Sache mit dem Passing gut genug, um überzeugend als Frau zu reisen, oder werde ich regelmäßig als „Transe* mit Motorrad“ wahrgenommen?

Die Frage ist gemein, weil ich nicht weiß, ob ich es mir überhaupt eingestehen könnte, falls ich merke, dass meine Umwelt mich als Lavendeltarzan auf zwei Rädern belächelt. Glücklicherweise darf ich die Antwort schuldig bleiben, denn mein Passing als Bikergirl hat prima funktioniert und ich gebe mir selbst acht von zehn möglichen Punkten. Je einen Punkt Abzug gibt es für quälende Selbstzweifel und einen weiteren für ein Minikleid von 225g, das ich als einzige Garderobe für den Abend mitgenommen habe. Damit habe ich mein Glück sehr auf die Probe gestellt habe, weil es viel zu wenig Kleid war und  ich damit zweite und dritte Blicke provoziert habe, was für Transfrauen die Gefahr der Entdeckung birgt.

Frage 2: Welche Probleme erwachsen aus dem Einen, wie aus dem Anderen? (gemeint ist Passing, bzw. wenn ich als trans erkannt werde)

Als ich mir diese Frage gestellt habe, dachte ich eher daran, was geschieht, wenn jemand mich als transsexuelle Frau bemerkt und ich dann so richtig verarscht werde. Könnte ich damit umgehen?

An den umgekehrten Fall, dass ein paar angetrunkene alte Knaben schlüpfrig und unangenehm werden, daran hatte ich nicht gedacht. Indessen hätte diese Boygroup es mich zweifellos wissen lassen, wenn auch nur der leiseste Zeifel an meiner Weiblichkeit aufgekommen wäre. Das war eine echte Feuerprobe für mich, falls die Jungs nicht einfach mal zum Optiker müssen.

Und dann war da noch der ältere, sehr nette Witwer, der mir einen reizenden Heiratsantrag gemacht hat. Hätte ich den nicht freundlich abgelehnt, so würde ich heute in einem kleinen Dorf bei Höxter wohnen, seine Wäsche waschen, kochen, den Garten machen und wer weiß was sonst noch alles von Frauen erwartet wird, tun.

Svenja-and-the-City stellt Fragen und wer nicht fragt bleibt dumm

Fazit: Die Sache mit dem Passing hat prima hingehauen. Das war meine größte Unsicherheit. Kann ich unter fremden Menschen und auf der Reise durch ein fremdes Land als Frau bestehen, auch wenn ich ungeschminkt und in Motorradklamotten unterwegs bin? Yes, I can!

*Passing: Die Fähigkeit, eindeutig als Frau wahrgenommen zu werden, ohne dass die transsexuelle Vergangenheit aufplatzt. (Gutes Passing, schlechtes Passing).
Siehe auch: Tipps für ein gutes Passing.

*Transe: Eine abfällige und beleidigende Bezeichnung für transsexuelle Frauen.
 Siehe auch: Ist Transe ein Schimpfwort?

Sonntag, 17. Oktober 2010

Reise in die Vergangenheit

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchSommer 1980. Ich heiße noch Sven, bin 18 Jahre alt und wohne mit meinen Eltern in Kellinghusen, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein.

Meine Hauptinteressen? Motorräder und Mädchen, wobei sich die Reihenfolge in letzter Zeit verändert hat.

Eines Tages als ich aus der Schule komme, berichtet meine Mutter mir, dass ein neues Mädchen in der Stadt sei. Eine Amerikanerin, sie heißt Dian, kommt aus New York und besucht hier ihre deutsche Oma.

Ich habe sofort den Wunsch, dieses interessante und für mich total exotische Girl kennenzulernen und tatsächlich schaffe ich es auch, in ihre Nähe zu kommen. 

Meine Ma gibt mir gerne Tipps in diese Richtung. Ich glaube, sie hat ein bisschen Angst, dass ich schwul sein könnte, weil ich mein ganzes Geld für Mädchensachen ausgebe und immer wieder in Frauenkleidern gesehen werde. Nein, Mama, schwul bin ich nicht, ich bin nur irgendwie anders. Ich empfinde mich als Frau. Den Begriff transsexuell kannte ich damals noch nicht.

Dian wohnt mit einer Freundin zusammen ganz in der Nähe und eines Tages bekomme ich überraschend eine Einladung in die Wohnung der beiden jungen Frauen zum Abendessen.

Ich weiß sofort: Das ist der Abend, an dem ES passiert. Vielleicht errinnert ihr euch an den Film American Pie? An Jim, den Typen, der noch Jungfrau ist und diese supersexy, osteuropäische Austauschschülerin Nadia ins Bett kriegen will? Innerlich bin ich zwar wie Nadia, aber äußerlich will ich genau das, was auch Jim will.

Eine kleine Unsicherheit bleibt trotzdem, denn ich bin zu der Zeit noch Jungfrau und muss mich voll und ganz auf Dian verlassen. Sie wird schon wissen, was ich dabei tun muss und wie alles funktioniert.

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchIch werde nicht entäuscht. Der Abend wird unvergesslich. Dian weiß alles, was man wissen muss und sogar noch ein paar Sachen, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt.

Ich erzähle Dian von meiner weiblichen Seele und sie findet es auf Anhieb interessant und lässt mich, so oft ich mag, ihre Sachen anziehen.

Ich erinnere mich sogar, dass ich manchmal in Dians Sachen zur Schule gegangen bin. Nicht im Rock, aber in ihren hohen Stiefeln, die ich über ihren Jeans getragen habe.

Absolut unvergesslich bleibt mir die Physikstunde in der Oberstufe, als ich plötzlich an die Tafel sollte und von meinem Platz in der letzten Bank auf Dians High Heels nach vorne an die Tafel gestöckelt bin. Parkettboden, laut, auffällig, peinlich, ich bekam einen roten Kopf, aber das war auch alles. Niemand hat etwas über mein Outfit gesagt.

Ich habe mich oft gefragt, warum damals alles so gut gegangen ist und es niemals Ärger gegeben hat. Vielleicht deshalb, weil ich recht beliebt war? Weil ich es wie selberverständlich  einfach getan habe? Weil Mobbing noch nicht erfunden war? Ich weiß es nicht.

Aus Dian und mir wird ein Paar. Am 24. Dezember 1981 verloben wir uns und nehmen zusammen eine Wohnung. Meine Eltern sind stinksauer. Für ihren Geschmack ist Dian ein bisschen zu reif und zu sexy für ihren Jungen und sie befürchten, ich könne die Schule schmeißen und das Abitur sausen lasse, aber das tue ich natürlich nicht.

Svenja und ihre Ex Verlobte Dian und ButchDian und ich bleiben einige Jahre zusammen, bis unsere Wege sich schließlich trennen. Sie möchte gerne heiraten und eine Familie gründen, während ich mich noch zu jung dafür fühle.

Ich bin gerade erst bei der Polizei angenommen worden und möchte meine ganze Energie in den neuen Beruf stecken. Wir trennen uns ohne Streit, aber Handy und Internet sind lange noch nicht erfunden und so verlieren wir uns aus den Augen.

Im Sommer 2010 bekomme ich eine E-Mail von Dian: „Ich komme zu Besuch nach Deutschland. Bin geschieden und lebe ich mit meinem neuen Freund Butch in den Südstaaten. Du wirst ihn mögen. Ich freu mich auf unser Wiedersehen. Love, Dian.“

Mehr als zwanzig Jahre sind vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Werde ich Dian wiedererkennen? Umgekehrt habe ich natürlich keine Zweifel, denn ICH habe mich schließlich nicht groß verändert. :-)

Ich ziehe das braune Kleid mit den passenden Nubukleder Pumps an, meine kurze Bikerjacke und los geht die Fahrt nach Hohenlockstedt, wo Dian und Butch bei einer Freundin wohnen.

Welch ein Wiedersehen. Dian ist noch immer das total verrückte, flippige and powerful girl, als das ich sie in Erinnrung hatte. Nein, das Leben hat Dian nicht klein gekriegt und ich weiß sofort wieder, weshalb ich sie einmal geliebt habe. Beide haben wir ein wenig zugelegt, aber auch das ist innerhalb von 30 Jahren ganz ok. Ihr Freund Butch ist ein echter Redneck aus den Südstaaten der USA. Wir verstehen uns auf Anhieb gut und ich mag ihn sehr.

Gemeinsam verbringen wir ein paar wunderbare Tage in Kiel, wo ich Dian und Butch mein Apartment zur Verfügung stelle und solange zu Claudia ziehe. Ich habe Tränen in den Augen, als ich die beiden schließlich am Hamburger Flughafen absetze. Butch lädt mich ganz herzlich zu den beiden in die USA ein, wo sie in einem Holzhaus mitten im Wald auf ihrem eigenen Mountain wohnen.

Dian und Svenja zur Kieler Woche 2010

Fazit: Das war ein tolles Wiedersehen, aber ob ich eine Reise zu einem Gegenbesuch in die Südstaaten machen werde? Es gibt dort im Umkreis von zehn Meilen kein Stück Asphalt, auf das ich einen Absatz setzen könnte und ob es mir gelingt, die einheimischen Redneck Boys davon zu überzeugen, dass trans zu sein, ganz in Ordnung ist? Ich weiß es noch nicht. Aber toller Stoff für einen Reisebericht wärs schon, oder...?!

PS: Und hier kommt die Erklärung für den Spitznamen "The green Cow" für mein Motorrad. Als Butch erfährt, dass ich eine Kawa fahre, spricht er das in seinem Southern Drawl  "cow" aus und Dian macht daraus sofort "The green Cow". Und so kam das ...

Montag, 11. Oktober 2010

Die Reise, Tag 9 - Spessart - Thüringer Wald - Harz

Früstück im Hotel AuerhahnAls ich am nächsten Morgen in die Gaststube komme, warten dort schon ein großer Brötchen­korb und eine üppige Wurstplatte auf mich. Dazu gibt ein weich gekochtes Früh­stücksei, leckeren Orangensaft und starken Kaffee, soviel ich nur mag.

In allerbester Laune mampfe ich das Frühstück in mich hinein, ohne die Marmeladen und den Honig auch nur eines Blickes zu würdigen. Welch ein toller Start in den Tag.

Für heute habe ich geplant, Schloß Mespelbrunn zu besichtigen, das berühmte Wirtshaus im Spessart. Leider liegt es aber nur lausige 7 Km vom Auerhahn entfernt und ist damit auch schon wieder aus dem Rennen. Denn sowie ich morgens auf meiner Enduro sitze und der Motor läuft, ist jeder Gedanke an irgendwelche Schloßbesichtigungen vergessen und ich will nur noch fahren. Darüber muss ich bei Gelegenheit wirklich mal mit einem guten Therapeuten reden.

Einige Kilometer weiter fahre ich bereits mitten durch den tiefen, dunklen Spessart. Die Septembersonne schafft es nur langsam, den Frühnebel aufzulösen. Hinter Weibersbrunn folge ich dem Bach Hafenlohr bis nach Rothenfels, wo er in den träge dahinströmenden Main fließt.

Brücke über den MainBlick über den Main

Ich habe die wunderschöne Kurvenstrecke an diesem Morgen fast für mich allein, nur der überladene Kleinbus einer Heizungsbaufirma stört meine morgendlichen Kreise. Hinter einer Spitzkehre ziehe ich im dritten Gang bergauf mit hoher Drehzahl vorbei und während ich die Gänge vier, fünf und sechs nachlade, rauche ich die Heizungsjungs locker auf. Soo lahm ist die kleine Kawa dann doch nicht.

Endurowandern mit Svenja
Die Navigatorin bei der Arbeit...

Ich folge dem Lauf des Mains bis nach Gemünden, wo ich den Fluss verlasse und in die Bayerische Rhön abbiege. Entlang der Fränkischen Saale fahre ich bis nach Bad Kissingen, wo ich Pause mache und einen Becher heißen Kaffee trinke.

Am Rennsteig in Thüringen mit dem Motorrad
Kurvenstrecke durch den Thüringer Wald

Über Bad Königshofen und Hildburghausen reise ich weiter in den Naturpark Thüringer Wald, wo eine dramatische Kurvenstrecke durch tiefen Nadelwald am Rennsteig entlang führt. Bei Ohrdruf lasse ich den Thüringer Wald hinter mir und folge der B247 bis nach Gotha, das ich als eine deprimierend hässliche Stadt erlebe.

Straßenszene in Gotha
Eine deprimierende Straßenszene in Gotha

Ich sehe viele verlassene Häuser, deren längst eingeschlagene Scheiben notdürftig mit Holz vernagelt wurden. Und es gibt in Thüringen eine Kultur des wilden Plakatierens, die ich aus Schleswig-Holstein nicht kenne. An jedem zweiten Laternenmast hängen grellbunte Plakate auf Neonkarton, die abwechselnd für irgendwelche Erotikshows, Pornomessen und Table Dance Shows werben.

Haus in GothaNein, hier gefällt es mir ganz und gar nicht und ohne Pause fahre ich über Großenehrich zügig weiter in Richtung Norden.

Kurz vor Sonderhausen hat mich der Regen wieder eingeholt und  ich beginne mit der Zimmersuche für die Nacht. Am Ortsausgang von Nordhausen halte ich an einem Gasthof mit Restaurantbetrieb. Die üppige  Schnitzelkarte mit tollen Gerichten hat es mir auf Anhieb angetan und ich gehe hinein, um nach einem Zimmer für die Nacht zu fragen.

Die Gaststube ist leer und nachdem ich eine Weile mit meiner Regenkombi lustlos den Teppich vollgetropft habe, rufe ich laut "Hallo?!". Nach kurzer Zeit erscheint auch jemand, aber der ist schon ziemlich gallig: "Wer hat hier hallo gerufen?".

Ich verkneife mir eine echte Svenja Erwiderung und frage nach einem Zimmer. Als ich höre, dass es 45 Euro die Nacht kosten soll, falle ich ein wenig aus der Rolle: "Wieee bitte?! Nein, danke, das ist nicht meine Preislage.", und beinahe hätte ich hinzugefügt: "Jedenfalls nicht in dieser Gegend." Ich war einigermaßen erstaunt darüber, wie teuer Manches in den neuen Bundesländern ist, obwohl die Leistung nicht dagegen steht.

Der Wirt ist ein bisschen pupsig mit mir. Er weiß natürlich, dass es draußen in Strömen regnet und dass es schon recht spät ist: "Na dann viel Glück. Ich glaube kaum, dass Sie hier was Billigeres finden." Oh doch, das denke ich schon und der Regen macht mir inzwischen schon nichts mehr aus, denn ich wohne in dieser blöden Regenkombi und meine Haut hat eine Unterlage aus Goretex. Pöh...

Ich bin nicht sicher, ob auch Frauen einen Kavalierstart hinlegen können, aber mit einem kurzen Wheely fahre ich den Bordstein hinunter auf die Straße und rausche in einer beeindruckenden Gischtwolke in Richtung Harz davon. Notfalls muss ich eben bis Braunlage, oder sogar bis Osterrode durchhalten. Mir macht das ja nichts aus, aber mein Dubs ist da anderer Meinung, denn der tut inzwischen richtig weh. Schon seit längerem durchfahre ich alle kleineren Orte im Stehen und freue mich in den Städten über jede rote Ampel, an der ich kurz absteigen kann.

Als ich mitten im Harz in 640m Höhe durch den kleinen Ort Hohegeiß fahre, entdecke ich die Beschilderung zum Berghotel und bekomme dort ein wunderbares Einzelzimmer mit Frühstücksbuffet für 33 Euro. In Gedanken rufe ich dem verhinderten Wirt in Nordhausen zu: "Hallo?! Können Sie mich hören? 33 Euro mit Buffet. Und das Hotel war auch nicht so schraddelig wie Ihres." Ich erwäge kurz, die 25 Km zurückzufahren und in Nordhausen ein bisschen anzugeben, aber für heute reichts. Mir ist kalt, hungrig, müde und ein bisschen Aua.

Das Zimmer im Berghotel Hohegeiß ist total schön eingerichtet und bietet einen tollen Panoramablick in den Harz. Leider hat das Hotel keinen eigenen Restaurantbetrieb, aber nur 200 m weiter liegt die Silbertanne, ein ganz wunderbares Speiserestaurant.

Das kleine Stück gehe ich zu Fuß in meinen Motorradsachen. Heute habe ich keine Lust, mich zu stylen, ich mache mir nur die Haare ein bisschen schön und male mir ein neues Gesicht für den Abend.

Die Silbertanne ist echt klasse. Ich probiere als Vorspeise die berühmte Harzer Bratkartoffelsuppe. Der Name macht mich neugierig und ich denke, für 4 Euro ist das sicher nur eine kleine Vorspeise und ich kann nicht viel falsch machen. Fazit: Die Suppe schmeckt total mega lecker, allerdings ist es eine Mörderportion, die in einigen noblen Kieler Restaurants locker als Hauptgericht durchgegangen wäre.

Und während ich noch überlege, wie ich jetzt mein Hautpgericht schaffen soll, das  große Holzfällersteak mit Zwiebeln, frischen Champignons und Bratkartoffeln, da bekomme ich zusätzlich noch einen Gruß aus der Küche. Einen Teller mit hausgemachter Leberwurst und Rotwurst auf frischem Bauernbrot.

Svenja Svendura Sommerreise 2010Jetzt wirds aber eng, denke ich und esse nur die Leberwurstbrote, denn inzwischen kommt mein Holzfällerschnitzel und es ist umwerfend lecker und auch wieder eine Riesenportion. Das Essen in der Silbertanne ist wirklich auch für große Mädchen zum Sattwerden und eine weitere Empfehlung von mir nicht nur für Biker.

Leider habe ich vergessen, nach dem Rezept für die Bratkartoffelsuppe zu fragen, aber die liebe Frau Currywurst hat extra für mich in ihrer Versuchsküche eine eigene Bratkartoffelsuppe komponiert und das Rezept findet ihr hier...


Fazit: Hier endet mein Reisebericht. Der zehnte Tag besteht nur noch aus der langen und ereignislosen Heimreise nach Kiel. In Salzgitter erlebe ich zwar noch einmal ein beeindruckendes Gewitter, aber was macht mir das schon noch aus? Ich bin schließlich das Bikergirl in der orangen Regenkombi :-)

Auf dem Foto links seht ihr nicht nur meine neuen Stiefel (PLAZA 24,95 EUR), sondern auch meine Reiseroute der vergangenen zehn Tage (3.013 Km).

Momentan arbeite ich an dem Gesamtfazit meiner Reise und an der Beantwortung der fünf Fragen, über die ich mir vorher so viele Gedanken gemacht habe.


Mittwoch, 6. Oktober 2010

Die Reise, Tag 8 - Nagold - Neckar - Spessart

Ich werde morgens von der Sonne gewecktAm nächsten Morgen werde ich schon um kurz nach sieben wach, weil mir ein strahlender Sonnen­aufgang durch die geschlossenen Lider in die Augen piekt.

Yippieh, welch ein schöner Morgen. Mit drei Sätzen hüpfe ich unter die Dusche und mache mich in absoluter Rekordzeit fertig. Sogar die Wimperntusche muss heute etwas dünner ausfallen, denn ich will endlich frühstücken und so schnell wie möglich in den neuen Tag starten.

Das Frühstück in der Wolfsschlucht ist wirklich mega lecker. Einzig der Kaffee ist ein bisschen dünn und als ich aus Versehen etwas auf die gelbe Tischdecke kleckere, gibt es nicht mal einen richtigen Fleck. Trotzdem stelle ich vorsichtshalber den Salzstreuer auf die Stelle.

Eine Stunde später habe ich mein Gepäck verstaut und starte die hochbeinige grüne Kawasaki. Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert davon, wie ruhig und gleichmäßig der kleine Motor läuft. Ohne Scheppern und Rasseln säuselt er im Standgas leise vor sich hin. Ganz behutsam fahre ich ihn die ersten 10 Kilometer mit kleiner Drehzahl warm und bleibe beständig unter 5.000 U/min. Das gibt auch mir die Gelegenheit, die letzte Bettwärme abzuschütteln und selbst auch ein wenig geschmeidiger zu werden.

Der nächste größere Ort ist Bad Herrenalb. Es ist ein strahlend schöner Tag und das Thermometer an der Volksbank zeigt schon 14° C an. In dieser Gegend sind die Kurorte aufgereiht, wie Perlen auf einer Schnur. Ich fahre abwechselnd über aufregende Kurvenstrecken und rolle danach wieder leise durch einen der kleinen Kurorte. Das macht einfach Spaß und ich fühle mich rundherum glücklich und zufrieden.

Ich möchte heute noch bis in den bayrischen Spessart fahren, der mich auf meiner letzten Reise so beeindruckt hat. Leider habe ich dort 2007 keine einzige trockene Minute verbracht und war total nass und durchgefroren. Aber heute sieht es besser aus.

Über Bad Wildbad gelange ich auf die Schwarzwald Bäderstraße und folge auf ihr dem Lauf der Nagold. Ein wunderschöner kleiner Fluss, der sich viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat. Ich erreiche Pforzheim und sehe mir die Fischtreppe in Nagold Weissenstein an. Schließlich bin ich kein Banause und gucke mir unterwegs durchaus einige Sehens­würdigkeiten an. Jedenfalls solange ich dafür nicht extra absteigen muss...
Fischtreppe der Nagold in Pforzheim Weissenstein
Die Fischtreppe der Nagold in Pforzheim Weissenstein

Meine Route führt direkt durch Pforzheim hindurch und auf der Durchgangsstraße erlebe ich eine schmutzige, hässliche Stadt. Der Fairness halber muss ich aber sagen, dass mehrspurige Durchgangsstraßen nur selten durch die schönsten Ecken einer Stadt führen. Vielleicht kennt jemand Pforzheim und kann mir doch noch etwas Nettes über diese Stadt schreiben?

Bei Walheim erreiche ich den Neckar und folge seinem Lauf in Richtung Norden. Die Sonne ist mittlerweile wieder hinter dunklen Wolken verschwunden und ich sehe mißtrauisch nach oben, ob es schon wieder Zeit ist, die Regenkombi anzuziehen. Durch Heilbronn und Neckarsulm ziehe ich meine Bahn am Fluß entlang.

In Eberbach verlasse ich den Neckar und biege nach Nordosten ab in den Odenwald. Auf der Siegfriedstraße fahre ich mitten durch diese wunderschöne Kulturlandschaft. Zum Glück herrscht nur wenig Verkehr und ich kann die Fahrt so richtig genießen. 

Irgendwo am Neckar
Irgendwo am Neckar, ich habe leider vergessen wo. Danke schön, das ist Burg Zwingenberg. Volker hat es als Erster bemerkt.

Inzwischen sitze ich schon wieder sieben Stunden im Sattel und kurz hinter Miltenberg fange ich an, mich nach einem Bett für die Nacht umzusehen. Heute brauche ich mir keine Gedanken ums Zelten zu machen, denn inzwischen hat es wieder angefangen zu regnen. Die Bettensuche gestaltet sich heute besonders frustrierend. Ich mache zweimal den Fehler, meine Route zu verlassen, weil ich der Beschilderung zu einem Hotel folge. Beide Male ist es ein Umweg von 5 Kilometern und beide Male sind die Läden geschlossen. Klingeln, klopfen, fluchen, aber da ist keiner. Mist. Weiterfahren.

Mitten im Bayrischen Spessart finde ich dann aber ein echtes Goldstück von einem Landgasthof, den Auerhahn in Hobbach. Schon beim Anblick der Speisenkarte läuft mir das Wasser im Mund zusammen und die Preise für Essen und Trinken sind so unglaublich günstig, dass ich schon kleine Portionen befürchte, aber nicht im Auerhahn! Die Übernachtung kostet 30 Euro mit Frühstück und mein Zimmer ist mit ganz neuen, blau gebeizten Bauernmöbeln sehr gemütlich eingerichtet. Ich bin richtig begeistert, diesen tollen Gasthof entdeckt zu haben. 

Auerhahn in Eschau Hobbach Neuhammer
Der Auerhahn in Hobbach - Mein Top Tipp für Biker im Spessart

Ich darf die Enduro in die Garage hinterm Gasthaus stellen und trage das Gepäck die wenigen Schritte in mein Zimmer. Ohne mich umzuziehen gehe ich in meinen Motorradsachen hinunter in den großen Wintergarten und trinke erstmal in Ruhe ein Bier. Ich merke, dass die Tage anstrengender werden und ich die acht Stunden im Sattel der kleinen Enduro nicht mehr so mühelos wegstecke, wie noch zu Beginn meiner Reise. Wenn ich wieder zuhause bin, brauche ich sicher erst einmal Erholung vom Urlaub.

Eine gute Stunde später erscheine ich komplett gestylt wieder in der Gaststube. Unter dem Arm trage ich Pieps, die zu faul zum Laufen ist, mein Reisetagebuch, zwei Bleistifte, einen Anspitzer, verschiedene Landkarten, die Reisekasse und meine Digitalkamera. Eintrag ins Logbuch: Auf der nächsten Reise nehme ich eine kleine Handtasche mit und ein Paar höhere Schuhe. Zwei Tische weiter sitzt nämlich eine total süße Blondine gegen die ich mit meinen langweiligen Flachtreter Ballerinas mächtig abstinke, denn SIE hat ein paar echt heiße Keilpumps an. Dafür ist aber mein Kleid deutlich kürzer, wodurch ich wieder ein wenig Boden gutmachen kann.

Ich schenke der Schönen ein strahlendes Lächeln, doch sie hat nur ein dürres Grinsen für mich übrig, bevor sie irritiert wegschaut. Irgendwie funktioniert diese Nummer in letzter Zeit nicht mehr so gut wie früher. Dabei habe ich damit in meinem ersten Leben einige tolle Kontakte geknüpft, indem ich nach einem freundlichen Gegenlächeln ein nettes Gespräch mit der Schönen angefangen habe. Diese ganze Passingsache hat entschieden auch ihre Nachteile. Mist, daran hab ich vorher nie gedacht. Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass schöne Frauen jetzt out-of-reach für mich sind.

Zum Abendessen bestelle ich eines meiner absoluten Lieblingsessen, Tafelspitz in Meerrettich­soße. Ich kann kaum glauben, dass die große Portion nur 5,60 Euro kostet und hätte am liebsten noch ein Schnitzel dazu gegessen, aber ich bin schon satt.

Jetzt kommt der Teil, den ich abends im Hotel so sehr liebe. Dick und kugelrund gefressen sitze ich zufrieden an meinem Tisch und schreibe mit Bleistift in das kleine Reisetagebuch, solange die Eindrücke noch ganz frisch sind.

Dazu bestelle ich mir von Zeit zu Zeit ein frisches Bier, oder ein Glas Wein. Den Bleistift muss ich an diesem Abend gleich mehrfach neu anspitzen, bevor ich gegen halb zehn richtig schön müde und bettschwer auf mein Zimmer verschwinde. Minuten später bin ich bereits fest eingeschlafen.

Samstag, 2. Oktober 2010

Die Reise, Tag 7 - Schwarzwaldhochstraße

Svenja Svendura und Pieps beim BikerfrühstückPerfekt ausgeruht und in den Knien federnd hüpfe ich am nächsten Morgen um sieben aus dem Zelt und gehe mit Pieps auf ein großes Biker­früh­stück in die Camping­klause.

Während mein Zelt bereits in der Sonne trocknet, vertilgen wir beide eine Riesenportion Rührei mit Speck und ich trinke zwei Kännchen Kaffee dazu. Das war ein erstklassiges Frühstück und jetzt kann der Tag beginnen.

Das Wetter sieht prima aus, doch obwohl es eine klar Nacht war, ist das Zelt von Kondens­wasser und Tau ziemlich nass geworden. Das Außenzelt meiner kleinen Tropfsteinhöhle hänge ich deshalb zum Trocknen übers Motorrad. Könnt ihr sehen, wie es in der Sonne dampft?

Im Waschhaus jammern die Dauer­camper mir munter die Ohren voll. In der Nacht hat es den ersten Frost gegeben und weil sie darauf natürlich nicht eingestellt waren, sind sie alle etwas durchgefroren. Ich denke, dieses ist genau der richtige Zeitpunkt, um ein wenig mit Claudias Schlafsack anzugeben. Ich beklage mich darüber, wie nervig es doch ist, wenn der Schlafsack so warm ist, dass man ihn nicht einmal richtig zumachen kann.

Svenjas Zelt trocknet in der Sonne

Bis ich meine ganze Ausrüstung trocken verstaut habe und endlich losfahren kann, ist es schon 11 Uhr. Am Schluchsee halte ich nur kurz an, um dieses Foto zu machen, dann geht es weiter nach Titisee.

Svenjas Zelt trocknet in der Sonne

In Titisee angekommen, fahre ich ganz langsam durch den Ort. Hunderte anderer Touristen bevölkern bereits die Innenstadt. Ich bin ganz erstaunt darüber, dass ich nirgends mein Motorrad loswerden kann. Sonst stelle ich mein Bike einfach irgendwo auf dem Bürgersteig ab, aber nicht in Titisee. Alles verboten, gesperrt, reglementiert.
 
Svenja Svendura in Titisee Schwarzwald Zur Ehrenrettung der kleinen Schwarzwald­gemeinde mit dem lustigen Namen muss ich allerdings sagen, dass es einen großen Parkplatz am Bahnhof gibt, der für Motorräder sogar kostenfrei ist. Dort parke ich die Kawa auf dem letzten freien Platz und latsche (ich hasse gehen) die 250 m zurück ins Dorf.

Titisee ist wirklich sehr schön, aber der Ortskern hat seine Ursprünglichkeit schon vor langer Zeit engebüßt. Überall werden Andenken und Kuckucksuhren angeboten. Dabei unterbieten die Läden sich mit dem aller­größten Kitsch, und billigem Plastikramsch, der ganz sicher nicht aus dem Schwarzwald stammt. Das Highlight aber sind die kleinen Kuckucksuhren aus Plastik für 6,95 €, die es in verschiedenen Bonbonfarben gibt. Ich rieche Taiwan.

Dennoch kann ich mich der zuckersüßen Atmosphäre von Schwarzwälder Kuckucksuhr und Kirschtorte nicht ganz entziehen und finde es trotz Kitsch und Kommerz insgeheim sogar wunderschön. Titisee ist schön.

Ich bestaune alles und kaufe dann wenigstens eine Ansichtskarte für Claudia, "Schöne Grüße aus Titisee.", die ich am Bahnhof gleich einwerfe. (Die Karte, nicht Claudia)

Svenja als Schwarzaldmädel in Titisee

Mein nächstes Ziel ist die Schwarzwaldhochstraße, die ich 2007 schon einmal gefahren bin. Damals habe ich aber vor lauter Regen fast überhaupt nichts gesehen, so sehr hat es damals gegossen. Heute hingegen sieht das Wetter richtig klasse aus. Strahlender Sonnenschein um 20° C.

Die Schwarzwaldhochstraße beginnt in Freudenstadt und endet nach 60 Kilometern in Baden-Baden. Sie ist sehr gut ausgebaut und hat einen perfekten Asphaltbelag mit vielen irren Kurven durch eine der schönsten Landschaften Deutschlands. Allerdings ist es auch eine sehr schnelle Strecke, ganz anders als zuvor die Route des Cretes.

Svenja Svendura auf der Schwarzwaldhochstraße
Und natürlich sind Baden-Baden und die Schwarzwaldhochstraße nicht mit auf dem Schild...
Deshalb lockt sie natürlich auch einige der größten Spinner aus dem In- und Ausland an. Ein paarmal werde ich überholt, dass Pieps und ich vor Schreck fast von der Cow herunterfallen. Üble Knieschleifer in buntem Leder, die uns wie die Geistesgestörten überholen. Ich fahre jetzt 30 Jahre Motorrad, aber mit denen habe ich absolut nichts gemein. Schnaub...

Motorradfahren im SchwarzwaldAuf halber Strecke, irgendwo mitten im Hochschwarzwald, bekomme ich plötzlich Appetit auf Schwarzwälder Kirschtorte. Heute lasse ich den alten Doc Atkins mal zuhause und suche mir unterwegs ein schönes Gartencafé.

Kurz darauf sitze ich bereits unter einem großen Sonnenschirm vor einem wirklich riesigen Stück Kirschtorte. Holy Moly, da hätten sie in Kiel leicht zwei Stücke draus geschnitten. Die Torte schmeckt einfach göttlich und ist überhaupt nicht zu süß.

Völlig überfressen habe ich meine liebe Mühe, das Bein über die Sitzbank der hochbeinigen Kawa zu schwingen. Mein Magen drückt gegen die Lunge und ich kriege kaum Luft. Satt und zufrieden fahre ich auf der Hochstraße weiter nach Baden-Baden.

Als ich in Baden-Baden einlaufe, bin ich von dem hektischen Großstadtverkehr ziemlich überrascht und verfahre mich so heftig, dass es mich satte 20 Km Umweg kostet. Mist.

Dafür ist aber das Wetter wunderbar mild, warm und sonnig. Ideales Wetter zum Zelten. Trotzdem kann ich mich einfach nicht überwinden, mir einen Campingplatz zu suchen und im Dreck zu schlafen. Ich bin selbst ein wenig erschrocken über diesen Gedanken und suche mir stattdessen ein Hotelzimmer. Wie teuer kann das in einer armen Stadt wie Baden-Baden schon sein...?

Etwas übermütig halte ich vor dem wunderschönen Hotel Wolfsschlucht in Baden-Baden und frage nach dem Preis für ein Zimmer mit Frühstück. Ich bin richtig überrascht, als ich erfahre, dass es nur 43 Euro inklusive großem Frühstücksbuffet kostet. Außerdem erzählt mir die Wirtin, dass der Jäger gestern ein Wildschwein geschossen hat und dass ich abends davon etwas essen kann, wenn ich mag.

Svenja isst Schwarzwälder KirschtorteFrisch und rosig gebadet ziehe ich das graue Minikleid, die schwarze Strumpfhose und meine Ballerinas an und male mir in aller Ruhe sorgfältig ein schönes Gesicht für den Abend. Wie gut, dass ich jeden Abend woanders bin, auf diese Weise bemerkt niemand, dass ich ständig dasselbe Kleid trage :-)

In allerbester Premiumlaune schwebe ich die Treppe hinunter ins Restaurant, das leider völlig verlassen ist. Nur an einem Tisch sitzen vier Männer in ausgelassener Stimmung und bestellen munter eine Runde Bier nach der anderen.

Es sind zum Glück keine Proleten, sondern eigentlich ganz sympathische Typen. Wie ich heraushöre, Mitglieder des örtlichen Tennisclubs, die wohl gerade von einem Turnier kommen. Keine Gefahr, denke ich, setze mich zwei Tische weiter und bestelle mir etwas vom Wildschwein. Dazu trinke ich ein Bier.

Während ich auf mein Essen warte, schreibe ich schon fleißig in mein Reisetagebuch. Ich suche auf der Landkarte die Wolfsschlucht, kann sie aber nicht finden und gehe deshalb mit der Karte in der Hand an den Nebentisch, um sie mir zeigen zu lassen.

Einer der Männer zeigt mir die richtige Stelle auf der Karte, während die anderen vor sich hin witzeln. Ich werde eingeladen, mich dazuzusetzen, aber ich lehne höflich ab, weil ich auf mein Essen warte. Außerdem liegen die Jungs für meinen Geschmack schon ein paar Runden zu weit vorn.

Dreckige WitzeTrotzdem scheine ich bei den Jungs in ein Wespennest gestochen zu haben, denn während ich weiter auf mein Essen warte, drehen die Typen jetzt richtig auf. Es werden reihum dreckige Witze zu erzählt, Marke: Der Pastor und das Äffchen. Oh Mann, denke ich. Darüber konnte ich auf dem Schulhof schon nicht mehr lachen.

Inwzischen ist mein Wildschweinbraten gekommen und das Essen sieht wirklich lecker aus. Die Jungs lassen sich davon nicht stören und werden langsam unangenehm.
Ich merke, dass die Sprüche ziemlich in meine Richtung gehen und dass genügend Alkohol auch Baden-Badener Society zu Proleten macht. Zum Glück hält mein Passing, andernfalls würde ich das sofort merken, denn die im Schnitt 60-jährige Boygroup nimmt kein Blatt mehr vor den Mund.

Die Jungs fangen allmählich an, mich zu nerven und ein wenig ängstigen sie mich auch. Ich würde gerne in Ruhe essen und ich merke, dass ich langsam sauer werde. Was mache ich nur? Soll ich kurz rübergehen und einem von den Clowns den Arm auskugeln? Das geht schnell, macht nicht zuviel Mühe und hat für alle Beteiligten einen enormen Unterhaltungswert. Andererseits gibt es dann vermutlich ein Riesengeschrei und in der Zwischenzeit wird mein Wildschwein kalt. Ich stecke in einer Zwickmühle.

Schließlich wähle ich den klügsten Weg, indem ich zügig aufesse, mein Bier stehenlasse, und schnell auf mein Zimmer verschwinden will. Dummerweise muss ich ausgerechnet am Tisch der fröhlichen Geronten vorbei, wo die Stimmung unaufhaltsam ihrem traurigen Höhepunkt entgegensteuert.

Als einer der Knaben hinter meinem Rücken so laut flüstert, wie das nur Betrunkene können: "Wetten, die ist schon ganz feucht?", da ahnt er gar nicht, wie nahe wir alle in diesem Moment an einer kleinen Katastrophe vorbeischrammen.

Hinterher bin ich allerdings ziemlich stolz auf mein Passing, denn die Jungs hätten es mich wissen lassen, wenn sie irgendwelche Zweifel an meiner Weiblichkeit gehabt hätten. Insofern ist es doch nicht schade, dass ich vorzeitig aufs Zimmer verschwunden bin. Und dieses blöde Wildschwein war ohnehin zäh wie eine alte Satteldecke...

Fazit: Das war wirklich ein ganz wunderschöner Reisetag. Aufgewacht in meinem Zelt, gehe ich abends in einem noblen Baden-Badener Hotel schlafen. Und das dumme Erlebnis mit den Jungs? Habe ich das vielleicht selbst ein wenig provoziert, indem ich für ein alleinreisendes Girl ziemlich outgoing gestylt war?