Sonntag, 27. November 2011

Svenja im Wirtshaus

Wir stehen draußen vorm Wirtshaus und mir ist kalt. Wir haben zwei Plätze für das große Brunchbuffet gebucht und ich will endlich rein, aber Claudia muss noch etwas loswerden: "Hör zu, Tinky Winky, du weißt doch noch, wie wir uns am Buffet beneh­men, oder?", fragt sie mich und guckt schon jetzt irgendwie total miss­bil­ligend, obwohl ich noch gar nichts gemacht habe. Schließlich stehen wir ja noch draußen.

Ich weiß, was Claudia hören will und ohne jede Betonung leiere ich hastig meinen Text herunter: "Wir dürfen soviel essen, wie wir wollen und wir könn' immer wieder nach­nehmen. Und des­halb brauch ich auch meinen Teller nicht so vollzuhäufen, dass mir der Krab­bensalat wieder auf die Stie­fel tropft.", verdrehe ich die Augen.

Und es bedeutet auch nicht," setzt Claudia unbeirrt ihren Vortrag fort, "dass du dich so maßlos mit Aufschnitt, Bra­ten, Fisch und Krabben voll­stop­fen musst, wie damals im Chagall und du nachher wieder jammerst: Mir ist so schlecht, ich muss raus, ich will nachhause.", äfft sie albern meine Stimme nach.

Oh, wie ich das hasse, wenn Leute Stimmen nachmachen, um einen möglichst blöd aussehen zu lassen, dabei hatte ich im Chagall nur eine gastritische Verstimmung, weil ich in der Woche vorher immer soviel gearbeitet habe. Aber Claudia ist noch nicht fertig: "Und es ist auch NICHT so, dass alles verloren ist, was du nicht mehr in dich hineinstopfen kannst.", fährt Claudia in ihrem Spießer­vortrag fort, den ich bestimmt schon tausendmal gehört habe. "Und es ist dem Gastwirt gegenüber sehr unhöflich, wenn du nur bergeweise Roastbeef, Braten, Lachs und Krabben auf den Teller häufst und überhaupt kein Brot nimmst."

"Ich hatte WOHL Brot genommen letztes Mal.", gebe ich entrüstet zurück. "Ich wusste ja nur nicht, dass man das mitessen soll. Ich dachte, es ist wie auf dem Weihnachtsmarkt, wo wir Champig­nons mit Knob­lauch­sauce in diesen essbaren Scha­len hatten. Die haben wir hinterher ja auch weg­ge­schmissen.", bekomme ich allmählich wieder Oberwasser.

Mit einem Kopfschütteln öffnet Claudia die Tür zum Wirtshaus und wir dürfen endlich reingehen. Am Ende kann ich sie eben doch immer überzeugen.

Eine Kellnerin im feschen Dirndl weist uns einen prima Platz oben auf der Gallerie zu und schenkt uns gleich die ersten Becher Kaffee ein.

Von hier oben habe ich das Buffet genau im Blick und sehe sofort, wenn etwas Neues hingestellt wird. Ich bin nämlich ein totaler Gastronomieprofi mit Schwerpunkt auf Buffets und weiß natürlich ganz genau, wie man sich da benimmt und worauf es ankommt.


Die Amateure erkennt man von hier oben sofort, weil sie schon zu Anfang gleich Fleischsalat und Mettwurst nehmen. Und jede Menge Brot natürlich. Dabei ist das Billigzeug immer bis zuletzt da, aber bei Krabben und Roastbeef machen sie später eine lange Nase. Amateure, denke ich und fülle mir den Teller bis zum Rand mit Roastbeef. Obenauf lege ich eine winzige Scheibe Brot, damit es für den Gastwirt höflich aussieht und damit Claudia nicht gleich wieder rumzetert.

Und natürlich möchte man gerne auch den Preis fürs Buffet wieder reinholen und da liege ich schon nach dem ersten Teller Bratenaufschnitt ganz gut im Rennen.

Die 14,90 € für den Groupon dürfte ich auch ohne die drei Becher Kaffee und den Orangensaft längst wieder drin haben. Wir sind also auf jeden Fall schon auf der sicheren Seite.

Puh, bin ich satt. Ich kann gleich nicht mehr. Aus­ge­rechnet jetzt kommen noch einmal zwei frische Schwei­ne­braten heiß aus der Küche und der Haufen mit dem Roastbeef wird auch nicht kleiner.

Und die Fischplatte, was ist mit der Fischplatte? Davon hatte ich fast noch gar nichts. Ich könnte heulen, das ist doch alles bezahlt, das kann man doch nicht hierlassen. Einmal muss ich noch gehen. Ich werde dazu einen meiner geheimen Profitricks anwenden und mir einen Linie Aquavit zur Verdauung und ein Glas Wein zum Zeitschinden bestellen. Daran halte ich mich solange fest, bis ich wieder Hunger kriege. Obwohl mir gerade ein bisschen komisch zumute wird: "Claudie, können wir jetzt bitte nach Hause gehen? Mir ist nicht so gut. Ich muss an die frische Luft. Ich glaub, ich krieg wieder eine Verstimmung."

Fazit: Das Wirtshaus in Kiel begeistert mich. So gut hatte ich es mir nicht vorgestellt. Man sitzt gemütlich auf zwei Etagen und hat von der Galerie einen tollen Blick hinunter ins Lokal und auf das Buffet. Es sind viele bestens geschulte Kellnerinnen in bayrischer Tracht unterwegs, die endlos Kaffee, Tee und Orangensaft nachfüllen und überhaupt sehr aufmerksam und freundlich sind. 

Sonntags gibt es ein sagenhaft gutes Brunchbuffet mit einer großen Auswahl warmer und kalter Speisen von erstaunlicher Qualität und Frische. Die warmen Gerichte werden von einem Koch in weißer Mütze vorgelegt, der die ganze Zeit hinter dem Buffet steht und auch Sonderwünsche erfüllt: "Kann ich bitte eine dicke Scheibe Schweinebraten haben? Nein, nicht die. Die andere. Die da vorne mit dem dicken Fettrand."

Donnerstag, 24. November 2011

Die Personenstandsänderung

"Ich leb' jetzt ja sechs Jahre länger.", platze ich unvermittelt in die Stille hinein. 

Claudia lässt ihr Sudoku sinken und sieht mich fragend an: "Wie kommst du denn darauf?"
"Nur so.", erwidere ich schnippisch. Mit einem Kopfschütteln wendet sie sich wieder ihrem Sudoku zu.

"Und ich könnte einen Mann heiraten.", spiele ich weiter die Geheimnisvolle. "Komplett mit alles: Hochzeitsmarsch, Kirche, weißes Kleid, Eheberatung, Scheidung und fette Alimente. Und den Hund und das Haus behalte diesmal ich!"

"Sag mal, hast du Tabletten genommen?"
"Nein, wieso?"
"Solltest du vielleicht.", murmelt Claudia und glotzt wieder auf ihr langweiliges Sudoku.

Jetzt halte ich es nicht mehr länger aus. Ich ziehe den gelben Briefumschlag vom Gericht hervor und wedele damit aufgeregt vor ihrer Nase herum: "Ich bin endlich eine Frau!", platzt es aufgeregt aus mir heraus.

"Die Personenstandsänderung ist durch? Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe. Ich freue mich für dich, aber du warst doch schon immer eine Frau."
"Ja schon, aber nicht so. Jetzt hab ich endlich die totale Gleichberechtigung. Also auch juristisch und so."
"Und so?", fragt Claudia und zieht dabei das "o" fragend in die Länge, obwohl sie genau weiß, dass ich diese Oberlehrermasche absolut nicht leiden kann. "Was soll sich denn noch ändern, außer einigen rechtlichen Aspekten bei der Eheschließung?", hakt sie weiter kritisch nach.
"Na alles eben." erwidere ich aufgebracht und bin erschüttert, wie wenig Claudia in rechtlichen Dingen bewandert ist. "Also, na zum Beispiel, diese ganzen Sachen eben... Einfach ALLES. Das ist total kompliziertes Juristenzeug, das würdest du sowieso nicht verstehen."

"Nein,", sagt Claudia. "Das würde ich wohl nicht."


Und dann nach einer kurzen Pause: "Hör mal, Tinky Winky, das ist wirklich eine schöne Sache mit deiner Personenstandsänderung und ich freue mich von Herzen für dich, aber damit ändert sich sonst gar nichts. Rechtlich haben wir die Gleichstellung mit den Männern doch längst erreicht. Du darfst wählen, Hosen tragen und in manchen Landkreisen sogar Auto fahren. Allerdings  musst du inzwischen auch genauso lange arbeiten wie ein Mann." 

Hosen tragen, Auto fahren. Einer von Claudias typischen Gabelwitzen, wo man sich erst mit der Gabel unterm Arm kratzen muss, damit man lachen kann. "Warum sollte ich denn Hosen tragen? Und arbeiten? Ich bin doch Beamtin.", zahle ich es ihr in gleicher Münze zurück.

"Ach, hör auf mit dem Unsinn. Du weißt doch genau, was ich meine. Tatsächlich ändert sich damit nur sehr wenig. Soweit ich weiß, ist hauptsächlich die Eheschließung davon betroffen: Vorher konntest du eine Frau heiraten, oder mit einem Mann die Lebenspartnerschaft eingehen und jetzt ist es umgekehrt. 

Das Einzige, wo es sich wirklich bezahlt macht, ist bei deiner Autoversicherung. Frauen verursachen weniger Unfälle und zahlen deshalb weniger Haftpflicht. Sie fahren eben besser Auto."

"Frauen fahren besser Auto?", setze ich mit Entrüstung in der Stimme zu meinem alten Standardvortrag an, bis mir gerade rechtzeitig noch einfällt, dass ich ja jetzt für die andere Seite fahre: "Ja, genau, weiß doch jeder.", stimme ich ihr eilig zu. "Ich saß neulich in einem Dienstwagen, den hatte vorher ein Mann gefahren und weißt du, worauf der Innenspiegel eingestellt war? Na? Auf die Heckscheibe. Männer..."

Claudia schüttelt den Kopf und wendet sich endgültig wieder ihrem Zahlenrätsel zu. Sie ist echt meine allerbeste Freundin, aber eine tiefgründige Diskussion über anspruchsvolle Themen kann man mit ihr nicht führen.

Fazit: Ich freue mich sehr über die Personenstandsänderung, denn sie ist ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Tatsächlich aber ändert sich dadurch wenig für mich, denn in Deutschland sind die rechtlichen Konsequenzen gering. Allenfalls beim Strafantritt ist es noch entscheidend dafür, ob man in den Frauen- oder Männerknast kommt.

In einem Land wie Saudi Arabien hingegen, wären die Rechtsfolgen gravierend: Ich dürfte nicht mehr Auto fahren und meine Zeugenaussage wäre vor Gericht nur noch halb soviel wert, wie die eines Mannes. Nein, ich denke, wir haben großes Glück, in einem freien Land wie Deutschland zu leben, wo wir nur ein wenig an unserem Passing zu arbeiten brauchen, um glücklich unser Leben als Frau führen zu können. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, genau das zu tun.

Dienstag, 22. November 2011

Wo ist mein Nivea?

Habe ich heute Tomaten auf den Augen? Ich stehe vor dem NIVEA Regal und kann mein Mascara nicht finden. Lash Revolution in der blauen Packung. Das kaufe ich immer, weil es diese abgewinkelte Bürste hat, mit der ich mir endlich nicht mehr die Nasenspitze bemale. 

Und eine neue Flasche Make Up brauche ich auch. Mein Stay Real ist zwar noch halb voll, aber ich habe gerne einen Vorrat im Haus. Man weiß ja nie, wann die nächste Latina Minirockparty losgeht und wenn dann gerade das Make Up alle ist...

Dafür scheint NIVEA jetzt eine neue Produktlinie zu haben: Astor. Komischer Name, ich kenne nur die Zigarettenmarke, weil meine Tante die raucht.

Eine Verkäuferin klärt mich auf: "Nivea gibts nicht mehr. Also, gibt es schon noch, aber die machen keine Kosmetik mehr. Nur noch Cremes. Aber Astor hat auch sehr schöne Kosmetik."

Eine Recherche im Internet bestätigt die Aussage der jungen Verkäuferin. Nivea trennt sich von jedem fünften Produkt und die dekorative Kosmetik wird sogar komplett eingestampt. Dabei wurde Nivea Beauté erst 1998 mit großen Erwartungen aus der Taufe gehoben.

Ich bin entäuscht. Nivea hatte wunderbares MakeUp, ausgezeichnete Kajalstifte und meinen Lieblings Wimpernroller, den Lash Revolution. Und eine kleine Armada zweifarbiger Lidschatten steht auch in meinem Schrank. An mir hat es also nicht gelegen, wenn mit Nivea Beauté kein Geld verdient wurde.

NIVEA Creme? Ich liebe die typische blaue Dose mit der wunderbaren Creme, die so aromatisch riecht. Aber ob die davon leben können? Mit einer Dose NIVEA Creme komme ich jahrelang aus, aber Kosmetik habe ich laufend nachgekauft und auch jedes neue MakeUp getestet und probeweise mindestens einmal gekauft. 

Als Kundin bin ich sauer und weiß nicht einmal auf wen. Auf eine Marke? Auf den Konzern Beiersdorf? Nein, ich bin entäuscht und fühle mich als Kundin fallen gelassen. Dabei hat NIVEA sonst einen erstklassigen Kundendienst. Ich habe einmal einen Verbesserungsvorschlag für die Verpackung des Stay Real Make Up eingebracht und der ist tatsächlich umgesetzt worden.

Fazit: Mein leckeres Duschgel, Cashmere Moments, werde ich auch weiterhin kaufen und ebenso die tolle Handwaschseife, die im Januarheft von TEST gewonnen hat, aber ansonsten ist NIVEA für mich Geschichte.

Samstag, 19. November 2011

Aufgelegt

Das Telefon klingelt: "Guten Tag, hier spricht Gaby Röster. Ich rufe an im Auftrag der Energie­bera­tung Nord. Ich möchte..." 

Norma­ler­weise lege ich an dieser Stelle wortlos auf, aber nicht heute: "Oh, wie schön, dass sie wieder anrufen. Beim letzten Mal sind wir ja leider unter­brochen worden (weil ich wütend auf­gelegt habe). Ich brauche nämlich noch ein paar Informationen."

"Welche Informationen brauchen Sie?" Gaby wittert Morgenluft. Ein Abschluss rückt in greifbare Nähe.
"Nur ein paar allgemeine Angaben. Also für welches Unternehmen Sie genau anrufen und ob sie eine Natürliche Person sind."
"Eine natürliche Person?"
 "Ja, keine Ahnung, was das soll. Alles verstehe ich auch nicht, was man hier ausfüllen soll."
 "Was ausfüllen?"
 "Na, dieses Formular von der Bundesnetzagentur. Das, womit man diese blöden Werbeanrufe anzeigen kann. Ach ja, und ich soll noch fragen, ob..."
 
klick
 
"Hallo, Frau Röster? Gaby...?!", aber Frau Röster hat aufgelegt, Ich halte das Telefon auf Armeslänge von mir und zeige ihm den Mittelfinger. Jahrelang haben diese ätzenden Werbeanrufer mich genervt, aber ab heute schlägt Svenja-and-the-City, der Blog für den rebellischen Leser, zurück, und das geht so:

Man klickt auf die Seite der Bundesnetzagentur und lädt sich dieses Anzeigeformular herunter. Am Bildschirm ausfüllen, drucken und unterschrieben an die Bundesnetzagentur schicken. Das Formular ist voradressiert und passt perfekt in einen Fensterumschlag. Fünf Minuten Arbeit, aber eine große Genugtuung für meine kleine Seele.

Fazit: Werbeanrufe nerven, aber man kann etwas dagegen tun. Sogenannte ColdCalls, das sind Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung, sind nämlich verboten und werden mit Geldbußen bis zu 50.000 EUR geahndet. Und wenn ich mithelfen kann, auch nur einem einzigen dieser widerwärtigen CallCenter Parasiten das Handwerk zu legen, dann bin ich dabei.