Fotos meiner allerersten Motorradtour nach Schweden 1984. Aufmerksam betrachte ich jedes einzelne Bild und nehme die Details in mich auf. Meine Güte, ist das lange her.
Das bin ja ich. Mit meiner Enduro, Zelt und Schlafsack in Schweden. Wie sich die Bilder mit denen aus Irland vom letzten Sommer gleichen. Meine Augen brennen, so tief berühren mich die alten Aufnahmen.
Manchmal weiß man nicht, ob man noch auf dem richtigen Weg ist und droht, sich zu verlieren, nicht mehr zu wissen, wer man ist und wo es längs geht. Mir geht es gerade ein wenig so.
Um herauszufinden, wer ich bin, muss ich mich daran erinnern, wer ich war. Was waren meine Träume? Was war mir wichtig? Wie war ich? Was hat mich ausgemacht?
Dazu brauche ich keinen Therapeuten, sondern nur meine Erinnerungen und ein paar alte Fotos. Ich werde in die Vergangenheit reisen und einen Bericht über meine erste Tour nach Schweden schreiben. Die Erinnerung daran ist noch so lebendig, als wäre es erst letzten Sommer gewesen.
1984, seit zwei Jahren bin ich Polizist und verdiene 980 DM monatlich. Handy und GPS gibt es noch nicht und im Kino laufen Rambo und Wargames. Die DDR ist noch in vollem Gange und Negerküsse heißen eben so. Ich selbst 22 Jahre alt, fröhlich, unbekümmert und leidenschaftlich hinter Mädchen her.
Inzwischen lebe ich schon viele Jahre als Svenja, aber im Grunde hat sich nichts geändert: Meine Träume sind noch immer dieselben und die pure Lust am Leben, die Fröhlichkeit und die Abenteuerlust, auf der Enduro mit Zelt und Schlafsack in die Einsamkeit zu fahren, das alles ist noch so wie früher. Ob als Sven oder Svenja, ob in Turnschuhen oder Pumps. Svenja kann alles, was auch Sven konnte, aber sie kann es auch auf hohen Schuhen!
Fazit: Manchmal braucht man einen kleinen Fingerzeig, um seinen Weg nicht zu verlieren und sich daran zu erinnern, wer man ist und wo es lang geht. Ich bin noch immer ich, als Svenja heute stärker und entschlossener als je zuvor.
Die Arbeit an dem alten Reisebericht hilft mir dabei, mich zu erinnern und meinen Weg nicht zu verlieren. So wie der Kompass, den Claudia mir auf den Ärmel meiner alten Endurojacke genäht hat.