Sonntag, 21. Dezember 2008

Transgender und die Liebe

Jedes Jahr zu Weihnachten überfällt mich diese schreckliche tiefe Traurigkeit.

Es ist ein unüberwindbares Dilemma: je besser es mir gelingt, selbst eine Frau zu sein, je weiblicher ich werde, je mehr die Brüste wachsen, die Haare länger werden, tolles MakeUp, schicke Klamotten, je mehr ich mich meinem eigenen Wunschgeschlecht annähere, desto weiter entferne ich mich von meinem Wunschpartner, einer hübschen Frau.

Der Gedanke, vielleicht nie wieder eine attraktive und intelligente Frau an meiner Seite zu haben, macht mich einfach kirre. Nie wieder "Mäuschen, ich liebe dich", keine kuscheligen Abende mit Massageöl, Rotwein und stundenlangem Küssen auf dem Sofa. Die Wolldecke, Knabbereien, vielleicht ein guter Film. Spät ins Bett, gemeinsam frühstücken, Urlaubspläne machen, über Bekannte ablästern, Wochenende, Einkaufsstress, Geburtstage, Streit, Versöhnung, sich lieb haben, den anderen vermissen. Das alles fehlt mir unendlich.

Ich habe als Transgender fast alles erreicht, das ich mir je gewünscht habe, aber dafür habe ich auch alles verloren, das mir je etwas bedeutet hat.

Scheiß Weihnachten!

Freitag, 12. Dezember 2008

1918 Revolution in Kiel

Auf keinen Fall gehe ich in Fjällräven ins Theater. Punkt!
Dabei könnte es heute abend richtig kalt werden. Das Kieler Theater spielt diesmal an einem historischen Außenspielort in der alten Maschinenhalle auf dem Gelände des Kieler Marinestützpunkts in der Arkonastraße. Es gibt das Stück Neunzehnachtzehn um den Kieler Matrosenaufstand und die Revolution von 1918.

Leider können mir die netten Damen an der Theaterkasse auch nicht sagen, wie kalt es in der alten Maschinenhalle sein wird. Ich erfahre nur, dass es keine Pause gibt, nichts zu trinken und das Toiletten diesmal ungewiss sind.

Draußen sind nur noch 2° C. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst und trage gleich zwei blickdichte Strumpfhosen übereinander. Darüber meinen neuen Mikromini aus Schurwolle und die hohen Stiefel und Stulpen. In diesem Outfit sollte ich warm bleiben, ohne gleich auszusehen wie eine Öko-Tussy auf Kortison.

Zur Sicherheit stecke ich noch einen winzigen Damenflachmann mit kanadischem Whisky ein. Man weiß ja nie und sicher ist sicher.

Als wir in der Arkonastraße ankommen, werden wir durch das kleine Tor in ein altes Kasernengebäude verbracht und verteilen uns aus Platzmangel in die alten Marinestuben. In Hut und Mantel stehen wir dicht gedrängt in den kleinen Stuben und sind ein bisschen verunsichert. Plötzlich von draußen der Ton einer Sirene.

„Alles raustreten“, brüllt eine militärische Stimme ins Gebäude. Ich fühle mich an meine Zeit in Eutin, Hubertushöhe erinnert und stöckele hinaus zum Antreteplatz.

Dicht gedrängt stehen wir im Halbdunkel des Torbogens, als aus der Dunkelheit ein Trupp Marinesoldaten im Gleichschritt heran maschiert und direkt vor uns stehenbleibt. Es wird laut, es wird gebrüllt, von Revolution ist die Rede. Plötzlich sind wir, das Publikum ein Teil des Schauspiels. Die Soldaten treiben uns auseinander und wir werden aufgefordert, über den Hof zu folgen. Mir ist richtig ein wenig unheimlich zumute. Was geschieht hier?

Von den Soldaten werden wir zu einer alten verlassenen Maschinenhalle getrieben. Wie die Lämmer wollen alle durch denselben Eingang ins Gebäude, als ich von einem Offizier barsch angefahren werde, den anderen Eingang zu benutzen. Ich bin wirklich mitten drin im Geschehen.

Durch halbdunkle Kellergewölbe werden wir von Soldaten zu den verschiedenen Spielorten geleitet. Überall geschieht etwas, die Spannung ist kaum auszuhalten. In einem Raum demonstriert ein Soldat das Töten mit dem Bajonett. Während im Hintergrund ein alter Ausbildungsfilm läuft, sticht der junge Marinesoldat immer wieder mit tödlicher Präzision auf eine lebensgroße Strohpuppe ein.

In einem anderen Zimmer sitzt eine junge Frau und verliest Rezepte für Steckrüben und Getreidekaffee.

Immer wieder hetzen wir durch dunkle Gänge und über Treppen aus Metall. Die Akustik ist laut, hart und eindringlich. Keinen Augenblick lang kann ich mich der Handlung entziehen.

In einem niedrigen Kellerraum sehe ich an diesem Abend zum ersten Mal Matthias Unruh wieder. Er spielt einen jungen Marinekadetten, der von seinem Offizier fast zu Tode geschunden wird. Schließlich verweigert er den Befehl und wird dafür auf der Stelle zum Tode verurteilt. Die Stimmung ist bedrückend.

„Platz da!“, fährt mich der Offizier an und bahnt sich energisch seinen Weg durch die Zuschauer hindurch. „Alles folgen!“, lautet gleich darauf sein nächster Befehl. In einer Kammer sind wir Zeugen einer Besprechung der Marineführung mit Vertretern der SPD. Der Name Gustav Noske fällt.

„Kiel ist ein Pulverfass“, brüllt in einer anderen Halle Vizeadmiral Kraft. Doch Wilhelm Souchon, Gouverneur von Kiel versichert noch immer, er habe alles im Griff. Schüsse in der Stadt. In der Kieler Feldstraße werden sieben Menschen getötet, als sie versuchen ihre inhaftierten Kameraden aus der Arrestanstalt zu befreien.

„Hier entlang!“, „Platz machen“, „Folgen!“, brüllen uns die Befehle schließlich in die große Maschinenhalle. „Stühle aufstellen!“, heißt es plötzlich und gemeinsam mit den Marinesoldaten bauen wir uns unsere Sitzreihen selber auf. „Markierung beachten!“, herrscht mich ein Offizier an, als ich meinen Stuhl nicht genau auf die schwarze Markierungslinie stelle. Mehr denn je fühle ich mich an meine Ausbildung in Eutin erinnert.

Etwa ein Drittel der Zeit ist um und ab jetzt dürfen wir sitzen. Doch wir sind noch immer hautnah dabei. Das Kieler Ensemble spielt so eindringlich, so nah und so authentisch, dass ich vielleicht zum ersten Mal verstehe, was es bedeutet, ein guter Schauspieler zu sein. Zacharias Preen spielt nicht den SPD Politiker Gustav Noske, nein, an diesem Abend ist er es. Wie er dort steht und geht. Selbstsicher, arrogant, fast überheblich in seinem schweren wollenen Mantel mit dem dicken Hut und der Zigarette. Kein Zweifel: das ist Noske!

Ebenso Marko Gebbert als aufständischer Soldat Fritz Kemp. Wenn es einen glaubhaften Revoluzzer am Kieler Schauspiel gibt, dann ist es Marko Gebbert. Schon in Linie 1 habe ich seine Power in der Rolle des kleinen Dealers Bambi geliebt. Aber heute abend übertrifft er sich selbst. Als er hoch oben auf dem alten Dieselmotor steht und revolutionär in die Menge brüllt, habe ich andauernd Angst, er könne herunterfallen. Und als er den Stadtkommandanten Heine mit dem Bajonett ersticht, da glaube ich ihm seine Wut und später auch seine Verzweiflung, als er merkt, dass er durch diesen Mord nicht besser ist, als die, gegen die er aufgestanden ist.

Die Aufführung 1918 ist auch für das Publikum ein ganzes Stück Arbeit. Wir sind nicht nur Zuschauer. Wir sind selbst Teil der Ereignisse. Wir sind Matrosen, Arbeiter, Aufständische und oft auch einfach nur das namenlose Volk. Aber immer spielen wir mit und sind selbst ein Teil der Handlung. Es ist manchmal regelrecht beängstigend. Welch eine Spannung. Die Schauspieler sind uns andauernd so sehr nah und so eindringlich. Sie gehen zwischen uns hindurch, erteilen uns Befehle, hetzen uns mal hierhin, mal dorthin. Die Akustik ist laut. Sie schallt und knallt, so dass man sich keine Sekunde dem Stück entziehen kann. Als das Schauspiel schließlich zu Ende geht, bin ich fast zu erschöpft zum Klatschen.

Das war ein megatoller Abend und ich kann nur jedem raten, sich um Karten zu bemühen, die dazu mit 15 EUR kaum teurer sind als Kinokarten. Kalt war es übrigens nicht, die Räume sind geheizt. Nur dass ich die ganze Zeit meinen dicken Mantel anlassen musste, hat mich ein wenig gestört. Außerdem rate ich dazu, vorher nichts zu trinken, denn Toiletten waren weit und breit nicht zu sehen. Und niemals hätte ich den Mumm gehabt, einen der Offiziere zu fragen, ob ich mal austreten darf. Ich bin doch nicht lebensmüde!

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Svenja nimmt die Pille

Weibliche Hormone bekomme ich nun schon seit mehr als einem Jahr. Ich nehme Estreva Gel, das in einem praktischen Pumpspender geliefert wird. Jeden Morgen nach dem Duschen gönne ich mir eine winzige Portion des klaren Gels und verteile es auf Brust und Arme.
Die Wirkung ist einfach umwerfend: Gesicht und Körper werden femininer, Begegnungen mit ExFrauen und Liebesfilme werden heuliger und mein Busen wächst und wächst.

Und trotzdem: Der volle Pamela Anderson Effekt will sich oberweitenmäßig einfach noch nicht einstellen.

Nach der letzten Blutuntersuchung erklärt mir der Endokrinologe, warum das so ist: Mein Östrogenspiegel gleicht inzwischen tatsächlich dem einer ganz normalen Frau. Mein Testosteronwert aber, das männliche Hormon, ist noch immer viel zu hoch und das ist schlecht.

Ich brauche also ein Medikament, dass den Testosteronspiegel senkt, oder zumindest wirkungslos macht. Das wirksamste und bekannteste Medikament dafür ist Androcur. Es ist sehr wirkunsvoll, aber leider auch ein echter Hammer. Depressionen, Müdigkeit und fett zu werden, sind drei Dinge, die ich nicht gebrauchen kann.

Der Doc empfiehlt mir als Alternative die gute alte Diane-35, eine bekannte Antibabypille. Sie enthält neben weiblichen Hormonen auch ein Gestagen, das den männlichen Hormonen entgegenwirken soll. Ich bin sofort einverstanden und bekomme gleich ein 3-Monatsrezept mit auf den Weg.

Auf dem Rückweg vom Arzt halte ich an einer Apotheke, um gleich das Rezept einzulösen. Aus Verlegenheit und weil ich gut drauf bin, frage ich die junge Apothekerin, ob ich jetzt auch wirklich nicht mehr schwanger werden könne. Sie merkt wohl nicht, dass ich sie nur ein wenig auf den Arm nehmen will und erklärt mit freundlicher Besorgnis:

"Aber nein, wenn sie die genau nach Vorschrift nehmen, ist sie völlig sicher.
Nehmen Sie denn zum ersten Mal die Pille?"


Ich gebe auf. Sie ist total nett und merkt einfach nicht, dass ich mal ein Mann war und auch ohne diese blöde Pille vermutlich nicht schwanger werden würde. Als mir klar wird, welches perfekte Passing das eben war, bin ich total glücklich. Welch ein schöner Tag!

Sonntag, 23. November 2008

Sonntagskaffee im Cafe Pursche

Wenn es etwas gibt, das wir T-Girls mit älteren Damen gemeinsam haben, dann ist es unsere Vorliebe für Kaffeehäuser. Wir lieben es einfach, in der ruhigen Atmosphäre eines guten Cafés zu sitzen und mit unseren besten Freundinnen über Gott und die Welt zu tratschen. Und über Schuhe natürlich...

Auf meinen Spaziergängen in der Holtenauer Straße bin ich bis jetzt immer im Cafe Fiedler hängen geblieben. Ein wirklich gutes Café mit tollen Torten. (Hallo Ayten!). Alles ist nagelneu eingerichtet, sehr stylish und modern. Und dennoch: Es muss doch auch eine Kaffeehauswelt geben diesseits von Late Machiato, Vanille Moccacino und anderen Lifestyle Getränken.

Und so stöckele ich an diesem Sonntag gemeinsam mit meiner Freundin Claudia achtlos am Café Fiedler vorbei immer weiter die Holtenauer Straße entlang in Richtung Kiel Wik. Gerade als ich mich frage, ob meine 6 cm Pfennigabsätze das durchhalten werden, taucht die alte Café Konditorei Pursche auf.

Lasst euch bloß nicht vom morbiden Charme der 70er Jahre Architektur abschrecken. Das Café ist ein absoluter Geheimtipp. Vorne im Verkaufsraum der Konditorei suchen wir uns jede ein Stück Torte aus - dafür verzichte ich sogar einen Tag mal auf meinen Doc Atkins - und gehen nach hinten in das eigentliche Café. Und hier ist nun wirklich die Zeit stehen geblieben. Kein bisschen Lifestyle, nichts Modernes, dafür aber der unvergleichliche Charme von Plüsch und Resopal. Einfach klasse. Claudia und ich versinken in einem riesigen Plüschsofa und sind sofort begeistert. Hierher kommen wir öfter! Diese Konditorei muss ich unbedingt auch in meinem Kielführer empfehlen. Hier fühlen sich bestimmt auch "neue" und unsichere T-Girls wohl, ohne Angst haben zu müssen. Die lieben Omis am Nebentisch werden bestimmt keine Hauerei mit euch anfangen. :-)

In der kleinen Speisenkarte finde ich sogar einige Klassiker, die aus modernen Cafés schon lange verschwunden sind. Ein Würstchen mit Butterbrot zum Beispiel. Oder noch besser: die gefüllte Blätterteig Pastete mit Frikassee. Und natürlich ein Kleiner Rüdesheimer Kaffee. Ich bin begeistert. Und Kaffee heißt hier tatsächlich noch Kaffee und jeder weiß, was gemeint ist. Auch wenn jemand mit Kugelschreiber den Late Macchiato als erste exotische Spezialität auf die Karte geschrieben hat.

Fazit: Das Café Pursche ist unbedingt einen Besuch wert und ich hoffe inständig, dass es noch lange genau so erhalten bleibt. Bitte, bitte, bloß nichts ändern!
Außer: wenn ihr Rührei hättet, dann würde ich sogar zum Frühstücken hinkommen, versprochen! :-)


Café Konditorei Pursche
Holtenauer Straße 208
24105 Kiel
Tel. 0431/86245
Tägl. von 9.00 - 18.00 Uhr

Freitag, 14. November 2008

Kieler Schauspielhaus: Des Teufels General

"Sie dürfen hier nicht fotografieren", sagt die ältere Dame auf dem Platz neben mir und sieht mich dabei missbilligend an. "Ich weiß", erwidere ich, "aber wenn jemand kommt, stecke ich Ihnen die Kamera zu und dann wollen wir doch mal sehen, wer hier Ärger bekommt." Da ist sie erstmal sprachlos und es dauert eine ganze Weile, bis sie merkt, dass ich sie auf den Arm genommen habe und wir beide lachen müssen.

Kurz darauf geht auch schon das Licht aus im großen Saal des Kieler Schauspielhauses und ich bin von der ersten Minute an gefesselt. Mit einem genialen Beleuchtertrick werden zu Beginn der Vorstellung die Akteure einzeln vorgestellt. Hinter einem transparenten Vorhang stehend werden sie einzeln angeleuchtet und wie Geister schwebend von einem Sprecher aus dem Off kurz vorgestellt. Ein toller Effekt.

Kurz darauf betritt General Harras zum ersten Mal die Bühne und zieht das Publikum sofort in seinen Bann. Mir wird sofort klar, dass "Des Teufels General" ohne einen guten Harras nicht funktionieren kann." Puh, wir haben Glück. Mit Matthias Unruh hat Kiel einen wirklich erstklassigen Harras zu bieten.

Richtig gut gefällt mir auch Harras' treuer Fahrer, Korianke. Das Faktotum wird gespielt von Zacharias Preen, den ich bislang nur als Wilmersdorfer Witwe aus der Linie 1 kannte und natürlich aus TATORT, oder als Jürgen Weber in Ein Fall für Zwei.

Die weibliche Hauptrolle der Diddo Geiss wird gespielt von Jennifer Böhm, die schon in Linie 1 die Hauptrolle gespielt hat. Für meinen laienhaften Theaterverstand spielt sie die Rolle ohne Fehler. Doch irgendwie bleibt mir von ihr weniger in Erinnerung, als von den anderen Darstellern. Das mag aber auch an der Rolle des schüchternen Mädchens Diddo Geiss liegen.

Foto gelöscht
Die Offiziere singen das Fliegerlied - Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt

Total überzeugend und dabei sexy finde ich Dorothee Föllmer in der Rolle der bösartig, biestigen Pützchen von Mohrungen. Wow. Es ist kaum zu glauben, dass sie noch vor kurzem als Jim Knopf an der Seite von Lukas dem Lokomotivführer zu sehen gewesen ist.

In einer ungewohnten Rolle kann diesmal Almuth Schmidt ihr großes Talent beweisen. Erst Claudia macht mich darauf aufmerksam, dass sie es ist, die den kauzigen Hauptmann Pfundtmayer spielt. Eine originelle Besetzungsidee, die zudem super funktioniert hat. Ihr Passing als Mann war perfekt!

An mehreren Stellen der Vorstellung habe ich das Gefühl, jetzt müsste endlich Applaus kommen, aber es bleibt totenstill im Zuschauerraum. Nicht etwa, weil es den Leuten nicht gefällt, nein, sie sind einfach starr vor Spannung und später auch zunehmend bedrückt, als der starke General Harras von den Nazis allmählich klein gemacht und mehr und mehr demontiert wird. Dabei zu klatschen scheint irgendwie nicht angemessen zu sein.

Erst am Ende der Vorstellung brandet lang anhaltender Applaus auf und ich hab gar nicht soviele Hände, wie ich klatschen will. Das Theater hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Die tolle Atmosphäre, das liebevoll ausgestaltete Bühnenbild, die dramatische Beleuchtung und das erstklassige Ensemble. Ich bin wirklich total begeistert.

Als ich später in der Künstlerkantine mit General Harras auf ein Glas Wein anstoße, kann ich kaum glauben, dass Matthias Unruh den General nur gespielt hat. Sein Passing als General Harras war perfekt.


Es ist unglaublich, aber von diesen Schauspielern können sogar wir T-Girls noch eine ganze Menge über authentisches Rollenverhalten lernen :-)

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Schauspielhaus: Linie 1

Heute ist ein ganz besonderer Tag, ich gehe ins Kieler Schauspielhaus zu Linie 1. Es ist mein erstes Musical und ich bin total aufgeregt, auch wenn ich den Titel überhaupt nicht kenne.

Die Story ist schnell erzählt: Mädchen vom Lande haut von zuhause ab nachdem ein Rockmusiker ihr die große Liebe versprochen hat. Sie reist nach Berlin, um dort ihren Johnny aufzuspüren. Am Berliner Bahnhof Zoo steigt sie in die U-Bahn Linie 1 nach Kreuzberg und beginnt eine Irrfahrt durch die unbekannte und gefährliche Großstadt auf der Suche nach Johnny.

Ich komme absichtlich eine Stunde zu früh ins Schauspielhaus, um noch ein bisschen von der Theateratmosphäre mitzukriegen. Und natürlich auch, um noch ein Glas Wein zu trinken und im kleinen Schwarzen im Foyer umherzustöckeln. Die Atmosphäre unterscheidet sich doch schon sehr, von der im Hanging Gardens am Wochenende :-)


Leider zerreiße ich mir noch vor dem Beginn der Vorstellung mit diesem blöden Strass-Armband meine nagelneue Strumpfhose. Ein schönes dickes Loch mitten auf dem Oberschenkel, durch das meine kalkweißen Beine frech nach außen blitzen. Ich nicht doof, zieh mir die Strumpfhose einfach anders herum an. Jetzt ist das Loch hinten und was Menschen auf der Rückseite denken, ist mir doch egaaaal. :-)

Als die Vorstellung endlich beginnt, merke ich, dass Claudia für uns die besten Plätze im ganzen Theater ergattert hat. Wir sitzen in der 2.Reihe nur etwas mehr als Armeslänge von der Bühne entfernt.

Ich brauche eine Weile, bis ich mich in Linie 1 hineinfinde. Ich kenne das Stück nicht und auch keinen der Songs, die zu Anfang gespielt werden. Nach einer halben Stunde aber bin ich mittendrin und verfolge atemlos die Handlung. Lachend, staunend und manchmal auch weinend fahre ich mit der Linie 1 durch die Handlung. Spätestens als Maria ihren Song "Hey Du" singt, hat das Stück mich total gefesselt und ich wünschte, ich hätte wasserfestes MakeUp drauf. (Marias Lied bei YouTube)

Besonders beeindruckt bin ich von Ellen Dorn als Berliner Göre Bisi und als Buletten-Trude. Sie spielt ihre Rollen so frech, so out-going und dabei so natürlich und authentisch, dass ich völlig hingerissen bin. Das zweite Highlight ist David Allers in seiner Rolle als Johnny und als Leichi, der Punker. Er spielt mit ungeheurer Kraft und aggressiver Energie und zeigt für mich die beste Gesangsleistung des Abends. Wow, die beiden sind klasse.

Nach der Vorstellung gehe ich mit Claudia noch in die Künstlerkantine, wo es eine kleine After Show Party mit den Darstellern gibt.

Blind wie eine Eule merke ich zuerst gar nicht, dass Johnny neben mir an der Bar steht und Ellen sich mir gegenüber mit einer Freundin unterhält. Ich kann mich nicht zurückhalten und stöckele zu ihr hin, um ihr zu sagen wie klasse ich sie finde. Vor Aufregung plappere ich nur dummes Zeug und blamiere mich wahrscheinlich bis auf die Knochen, aber wenigstens werde ich den Text los, der mir so auf der Seele brennt. Ellen ist sehr freundlich und bedankt sich artig für das Kompliment
Danach mache ich mich komplett zur Idiotin, indem ich auch Johnny sage: "Duuu, ich fand dich sooo toll."
Nun gut, wo mich keiner kennt, ist mir auch nix peinlich :-)

Fazit:

- eine Strumpfhose zerrissen: ALDI 2,99 €

- bei Marias Lied das komplette MakeUp verheult: NIVEA ca. 1,25 €

- meine Hände im Applaus knallrot geklatscht: auaweh

- mich zweimal komplett zum Obst gemacht: Einfach unbezahlbar!

Welch ein mega toller Abend und ich komme erst gegen halb fünf nach Hause. Aber das ist eine andere Geschichte.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Kino: Im Juli

Im Filmclub der Hansa48 zeigen sie heute abend "Im Juli" von Fatih Akin. Es ist ein Road Movie um einen jungen deutschen Lehrer, der seiner vermeintlichen Liebe quer durch Europa bis an den Bosporus nachjagt. Moritz Bleibtreu spielt den Lehrer Daniel Bannier, während die bezaubernde Christiane Paul ein Mädchen namens Juli spielt, das sich in ihn verliebt hat und ihn auf seiner Reise begleitet.
Daniel bemerkt nicht, dass Juli eine tiefe Liebe für ihn empfindet und stößt sie immer wieder vor den Kopf.

Am Ende jedoch spricht Daniel zu Juli die bezauberndste Liebeserklärung, die ich jemals gehört habe:

"Meine Herzallerliebste. Ich bin Tausende von Meilen gegangen.
Ich habe Flüsse überquert, Berge versetzt.
Ich habe gelitten und ich habe Qualen über mich ergehen lassen.
Ich bin der Versuchung widerstanden und ich bin der Sonne gefolgt
um dir gegenüberstehen zu können und dir zu sagen: Ich liebe dich."


Ich bin so tief berührt, dass ich spontan in Tränen ausbreche.

Der Film ist einfach klasse. Ich finde ihn weit besser, als Mamma Mia und sogar noch besser als Happy Go Lucky.
Mein Tipp: unbedingt ansehen.
PS: Die DVD gibt es zurzeit bei Amazon für 5,95 EUR

Sonntag, 7. September 2008

Kiels erster Stadtführer für Transsexuelle

Es gibt bereits alle möglichen Sorten von Stadtführern und natürlich gibt es auch einschlägige City Guides für Schwule und Lesben. Ich habe mich aber immer darüber geärgert, dass für Transgender kaum etwas dabei ist. Außerdem sind die meisten Szeneführer nur ein besseres Telefonbuch, ohne dass der Leser näheres über die aufgelisteten Orte erfährt.
Irgendwo habe ich wohl einmal zu doll gemeckert, bis eine Freundin zu mir sagte:"Dann machs doch besser, du Zicke!"

Und voller Stolz präsentiere ich den ersten Kieler Fremdenführer speziell für Transgender.
www.transgender-kiel.de

Originaltext:
Kiel ist auch für Transsexuelle eine wunderbare Stadt. Die Menschen sind tolerant und offen, wir haben flippige Bars, Restaurants für jeden Geschmack, ein breites Kulturangebot und natürlich jede Menge toller Schuhgeschäfte.
Als T-Girl zeige ich euch meine Heimatstadt, wie ihr sie vielleicht noch nie zuvor gesehen habt. Lasst mich heute eure Reiseleiterin sei
n und Stöckelt einfach hinter mir her ..."
Für das Layout habe ich zum ersten Mal mit Elementen amerikanischer Comics experimentiert. Ich finde die Mischung aus Texten, Fotos und ergänzenden Kommentargrafiken total spannend. Dabei opfere ich bewusst einen Teil der Lesbarkeit zugunsten des Unterhaltungswertes. Schwierig ist der Spagat zwischen lockerer Schreibe und Seriosität, bzw. Glaubwürdigkeit der Information. Ich hoffe, ich kriege das hin.
Bitte schaut mal auf die Seite www.transgender-kiel.de
Auf eure Kommentare bin ich gespannt.

Sonntag, 24. August 2008

Kino: Happy Go Lucky

Heute ist Kinotag. Ich bin pünktlich um neun im Chelsey und gönn mir noch ein kleines Frühstück mit Kaffee und Rührei. Das Frühstück im Jungfernstieg wird immer besser, es gibt jetzt Rührei mit Tomaten und Schafskäse. Es steht zwar nicht auf der Karte, aber Ulli macht es auf Wunsch gerne fertig. Superlecker.

Zwei Kaffeebecher später ist es schon Zeit fürs Kino. Ich liebe die 11 Uhr Vorstellung im Metro Kino. Es ist morgens noch total leer und nur ein paar gut gelaunte Frühaufsteher treffen sich zum Frühstückskino.

Ich sehe Happy Go Lucky, das neue FeelGoodMovie aus England. Oh, welch ein toller Film mit einer absolut bezaubernden Sally Hawkins in der Rolle der liebenswerten und fröhlichen Grundschullehrerin Poppy. Stellt euch Pippi Langstrumpf als 30-jährige Londonerin vor. Immer gut gelaunt hat sie für die schlimmsten Typen noch einen witzigen Spruch parat. Zu einem mega unfreundlichen Buchhändler sagt Poppy zum Abschied: "... und immer schön so fröhlich bleiben!". Oh, das kriegt der Typ von Mister Minit das nächste Mal auch von mir zu hören, wenn er wieder so muffelig ist. Ich freu mich schon richtig drauf.

Poppys Fahrlehrer Scott, gespielt von einem genial neurotischen Eddie Marsan hat mir richtig Angst gemacht. Es ist unglaublich, wie Poppy mit ihm fertig wird. Aber ich will nicht zuviel verraten. Dazu trägt Sally Hawkins in dem Film die abgeflipptesten Klamotten. Besonders ihre Strümpfe sind der Knaller. Ich muss heute gleich zu "Schöne Beine" in der Holtenauer und nach Happy Go Lucky Strümpfen fragen. Na, die werden schauen...

Happy Go Lucky ist ganz großes Gute-Laune-Kino und wer die Bridget Jones Filme mochte, wird Happy Go Lucky lieben. Unbedingt sehenswert.

Eine Kritik am Metro Kino im Schloßhof muss ich noch loswerden: der Vorführer ist eine Katastrophe. Kein Gefühl für die richtige Lautstärke und absolut keine Ahnung, wie man mit dem elektrischen Vorhang umgeht. Es nervt ein bisschen und war mir schon vor Wochen einmal aufgefallen.

Freitag, 22. August 2008

America's Next Topmodel goes Trangender

In der kommenden Staffel von America's next Top Model wird erstmals ein T-Girl unter den 14 Contestants sein. Die 22 jährige Isis aus New York City ist die erste Transsexuelle, die in einer Top Model Show auftreten wird.

Der amerikanische Fernsehsender The CW überträgt die 11. Top Model Staffel ab dem 3. September 2008. Es handelt sich dabei um das Original der Sendung, die in Deutschland mit Heidi Klum als Germany's next Topmodel bekannt geworden ist.

Erfunden wurde die Show von dem ehemaligen US amerikanischen Top Model Tyra Banks. Sie spielt in der Show die Rolle, die hier von Heidi Klum besetzt wird.

Ausschnitte der Sendung kann man direkt auf der Website von The CW anschauen. Auf jeden Fall drücke ich Isis alle Daumen und hoffe so sehr, dass sie es möglichst weit schafft und mir ihrem Auftreten automatisch ein bisschen zur Aufklärung zum Thema Transgender beiträgt.
© 2008 The CW Television Network

Mittwoch, 20. August 2008

3 Jahre Alltagstest

Heute ist ein ganz besonderer Tag für mich. Vor 3 Jahren bin ich zurück nach Kiel gezogen und habe ein neues Leben angefangen. Meine Frau hatte mich kurz zuvor abgeschafft und ich beschloss, mit Sven genau dasselbe zu tun: ihn endlich abzuschaffen.
Claudia holt mich gegen 19 Uhr ins Birdcage ab. Es ist der erste Laden, in den ich mich vor 3 Jahren als Svenja reingetraut habe und heute wollen wir ein bisschen feiern.
Als wir ins Birdy stöckeln, traue ich meinen Augen kaum: Claudia hat für mich einen kleinen Empfang vorbereitet. Mein Lieblingsplatz am Fenster ist festlich geschmückt mit einem Strauß rosa Lieblingrosen, drei Lichtern und einem kleinen Geschenk. Ich bin total aus dem Häusschen vor Freude und in dieser speziellen Stimmung, wo ich meine 20% auch auf Tiernahrung bekomme.

Welch ein glücklicher Abend. Ich sitze im Birdy auf meinem Lieblingsplatz am Fenster. Jedes Knarren des alten Barhockers ist mir so vertraut. Dazu spielt Micha für mich Shirley Bassey, meine absolute Lieblings-CD.

Es ist unglaublich, was in den letzten 3 Jahren alles geschehen ist. Trennung von meiner Familie, Beginn des Alltagstest, Outing auf meiner Dienststelle, eine neue Partnerin, Beginn der Laserepilation, blonde Haare, Scheidung, die Vornamensänderung von Sven zu Svenja, Beginn der Hormonbehandlung, wieder schwarze Haare, keine neue Partnerin mehr, heftiges Brustwachstum, Verlust des Sorgerechts für meine Kinder und was wird noch alles geschehen?

Sven zu Svenja von 2005 bis 2008

Seht euch nur die Fotostrecke an. Ich kann selbst kaum glauben, dass ich einmal der haarige Typ links auf dem Foto gewesen sein soll. Ist es nicht unglaublich, welche Wirkung diese kleine Portion Estreva Hormongel auf den ganzen Körper hat?

Sonntag, 17. August 2008

Bookcrossing - Freiheit den Büchern

Zugegeben, als ich das erste Mal vom Bookcrossing hörte, wusste ich auch nicht was das ist. Bücher-Freilassen? Was soll das sein? Die Idee ist schnell erklärt: Man legt ein Buch irgendwo in der Öffentlichkeit ab und hofft, dass es gefunden wird. Darin eine Nachricht an den Finder:
"Du darfst das Buch mitnehmen, lesen und musst es dann an einer anderen Stelle erneut aussetzen."

Damit man das Buch auf seiner Reise um die Welt verfolgen kann, hat es der erste Spender bei bookcrossing.de registriert. Die Idee ist ebenso genial, wie kostenlos. Wir machen die ganze Welt zu einer Bibliothek. Um gezielt nach ausgesetzten Büchern zu suchen, sagt man auf Bookcrossing "Go Hunting". Und wow: Allein in Kiel sind derzeit 11 - seit heute 12 - herrenlose Bücher auf der Walz und warten darauf, gefunden zu werden. Der Finder geht bitte auf die im Buch angegebene Webadresse und tippt kurz ein, wo er das Buch gefunden hat und wie es ihm gefiel. Manche Bücher sind auf diese Weise um die ganze Welt gereist und haben sicher viel erlebt.

Ich bin auf Anhieb begeistert und registriere sofort eines meiner Bücher, um es anschließend in der Wildnis auszusetzen. "Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt", scheint mir ein angemessener Titel zu sein. Ich schreibe eine persönliche Widmung hinein und beklebe das Buch mehrfach mit den Notes von Bookcrossing, damit nicht gleich die erste Senfnase den Findling voller Stolz zum Fundbüro trägt.

Gegen 16 Uhr fahren Claudia und ich suchend durch Kiel und überlegen, wo wir das Buch am besten freilassen. Wo finden es Menschen, die tatsächlich noch lesen? Am Bahnhof? Dort liegen schon drei. An den Fähranlegern? Aber wo dort? Außerdem liegt dort auch schon eines. Im CAP? Eher findet man eine dreibeinige Ballerina, als einen Leser im Cap.
Schließlich entscheiden wir uns für den kleinen Kirchgarten der Ansgarkirche in der Waitzstraße. Ein winziger Garten mitten in der Stadt, wunderschön und ich traue meinen Augen kaum: dort wachsen üppig blaue und helle Weintrauben und sogar Feigen. Dieser Ort scheint wirklich besonderen Schutz von oben zu genießen. Ich bin total beeindruckt und lege das Buch wasserdicht verpackt in einem alten Spurensicherungsbeutel auf einer der beiden Parkbänke ab. Tschüss, kleines Buch. Machs gut und lass ab und zu mal von dir hören.
Viele Grüße, Svenja

PS: Derzeit sind in Deutschland 5.513 Bücher auf der Reise, weltweit sind es sogar mehr als 45.000 Exemplare.
Seit heute ist es eines mehr :-)

Nachtrag am 18.08.2008:
Jemand hat das Buch gefunden und bei bookcrossing geschrieben:
"Liegt auf dem Nachttisch und wird bald gelesen. :-)"
CAUGHT IN KIEL SCHLESWIG-HOLSTEIN GERMANY

Mittwoch, 13. August 2008

Verlust des Sorgerechts für meine Kinder - Even big Girls cry sometimes

Wenn ich mein Weblog so lese, klingt das Leben der T-Girls immer leicht und lustig. Und häufig ist es das auch. Vielleicht habe ich aber auch nur die Angewohnheit, das Gute zu lieben und das Schlechte einfach zu verdrängen. Doch heute gelingt mir das nicht.

Ich habe das Sorgerecht für meine fünf Kinder verloren. (Eigentlich vier, denn die Älteste ist schon lange volljährig).

Das Außergewöhnliche ist der Grund dafür: nicht etwa, dass ich etwas Böses getan hätte, nein, sondern meine Kinder wollen es so. Ihre Mama hat den Antrag dazu gestellt. Ich kann niemandem böse sein, denn ich hätte ehrlich gesagt auch keinen transsexuellen Vater haben wollen - wer will das schon?

Doch an diesem Tag zerbricht etwas in mir. Es geschieht ungefähr in dem Moment, als die Verhandlung zu Ende geht und die freundliche junge Richterin mich aus dem Saal entlässt. Ein kleines Stück von meinem hellrosa Herzen wird plötzlich grau und schrumpelig und sieht aus wie ein Stück Fonduefleisch, das man zu früh aus dem Topf genommen hat. An dieser Stelle wird nie wieder ein liebes Gefühl für einen Menschen wachsen können.

Als ich den Gerichtsaal verlasse, kann ich vor Tränen kaum noch etwas sehen und ich bin froh, dass ich die Treppe nach unten mit erhobenem Kopf schaffe. Weinend laufe ich an der Wache vorbei - die jungen Wachmänner sehen mich bestürzt an - und ich schaffe es gerade noch bis zu meinem Auto, als in diesem Moment die Welt über mir zusammen bricht.

Das Foto habe ich aufgenommen, um mich immer an diesen Tag zu erinnern. Völlig aufgelöst bei dem Gedanken an meine Kinder. Dazu Neil Young - Like a Hurricane und eine doppelte Portion Selbstmitleid mit Herzschmerz.

Puh...., welch ein schrecklicher Tag. Heute bin ich tief gesunken: vom Papi, vom Alle-Probleme-lösen-Könner, vom Geschichtenerzähler, vom Wohnwagen-mit-Familie-nach-Spanien-Fahrer, vom Tröster, vom Erklärer, vom Fahrrad-Reparierer, vom Witzeerzähler, vom Versorger, vom bewunderten Papi zu einer Person, die endlich aufhören soll, die Familie zu belästigen.
Das hat gesessen.

Dienstag, 29. Juli 2008

Restaurantkritik - Bollywood Bombay, Kiel

Schon seit einer ganzen Weile habe ich ständige Gelüste nach dem Geschmack von frischem Curry. Weil bei mir als T-Girl eine Schwangerschaft eher unwahrscheinlich ist, beschließe ich stattdessen, das brandneue indische Restaurant Bollywood-Bombay im Knooper Weg zu besuchen.

In meiner Vorstellung von indischer Küche wimmelt es nur so von knusprigen Curry-Hähnchen, tief gelbem aromatischem Curryreis und exotischen gebackenen Fleischspeisen mit unbekannten Gewürzen und scharfen Soßen. Soweit zu meiner völligen Ahnungslosigkeit. Ich möchte für die Inder entschuldigend hinzufügen: sie können nichts dafür, dass ich eine Vorstellung habe, wie Klein-Erna vom Orient.

Obwohl das Bollywood nur 6 Blocks entfernt von meinem Apartment in der Kieler Innenstadt liegt, nehmen Claudia und ich ihren kleinen silbernen Twingo. Wir haben Glück und finden in der Parkreihe vorm Eingang sofort einen Parkplatz.

Vor dem Restaurant stehen einige Außentische, wo ich mich aber never hinsetzen würde. Nur 2m neben dem Teller rasen die Autos auf dem vielbefahrenen Knooper Weg dahin. Ihr würdet eure schöne karierte Picknick-Decke ja sicher auch nicht auf dem Kamener Kreuz Mittelstreifen ausbreiten, oder!?

Der Innenraum ist dagegen richtig gemütlich eingerichtet. Warme Ockertöne, passende Ornamente und einige Sitzbänke mit dicken orientalischen Kissen sorgen für ein wenig indische Atmosphäre mitten in der Kieler Innenstadt. Wir sind beide sehr angetan.

Die Tochter des Inhabers und Kochs begrüßt uns total freundlich und wir fühlen uns auf Anhieb wohl im Bollywood. Die Atmosphäre ist wirklich klasse. Wir wählen einen Tisch in einer kleinen Nische und werden auch sofort bedient. Toller Service.

Das Bollywood-Bombay wirbt mit einem indischen Buffet, das täglich von 12 bis 23 Uhr angerichtet ist. Weil ich außer Reis und Kartoffeln keine der Speisen darauf identifizieren kann, lasse ich mir das Buffet direkt an dem kleinen Heißwagen erklären. An dieser Stelle bekommt Klein-Ernas Vorstellung von indischer Küche einen ernsten Knacks. Da ist absolut nichts Knuspriges drauf zu erkennen. Für mich sieht es aus wie eine undefinierbare Matsche aus Erbsen, Kartoffeln und Spinat. Aber ich bin ohne Vorurteile und lerne, was das indische Buffet so alles bereithält: Da gibt es gekochten Spinat mit Putenfleisch, gekochten Spinat mit Kartoffeln, gekochten Spinat mit Hackbällchen, sowie einige Gerichte mit Kichererbsen, die aussehen wie eine zu dünn geratene Deutsche Erbsensuppe.

Letztlich geben mein Hunger und meine Neugier, sowie der günstige Preis von nur 8,50 EUR für All-You-Can-Eat den Ausschlag und wir entscheiden uns beide für das Buffet. Inzwischen bekomme ich den Eindruck, dass Claudia nur mir zu Liebe mitgegangen ist, denn sie hat lange in Indien gelebt und ahnt, was uns erwartet. Kichererbsen statt Currryhuhn und Linsen statt Lammcurry.

Vorweg nehmen wir beide noch einen großen Teller gemischter Vorspeisen Mixed Pakore für zwei Personen (9,50 EUR). Der große Teller mit gebackenen Speisen in Kichererbsenteig kommt innerhalb von Minuten und stellt sich als das Beste des Abends heraus.

Die doppelte Portion Kichererbsenteig haben wir in wenigen Minuten verschlungen. Ich habe richtigen Hunger und bin außerdem ein ziemlich großes Mädchen ohne jede Hemmung, Claudia um ihren Anteil am 2-Personen Teller zu betrügen.

Nach der Vorspeise stöckeln wir beide gemeinsam zum Buffet. Puh, das ist gar nicht so einfach mit dem Buffet. Es riecht ausgezeichnet und sehr intensiv nach Curry, aber es sieht einfach nicht lecker aus. Seht euch das Foto an, das Claudia vom Essen und von mir gemacht hat. Mein Gesichtsausdruck und die Speisen auf dem Teller sind gut zu erkennen und erzählen die Geschichte unseres Kurztripps nach Bollywood.

Uns beiden schmeckt es einfach nicht. Das Essen ist zwar ok und nicht zu scharf, aber leider auch kein bisschen lecker. Spinat mit Erbsen, Linsen und Tomaten zerkocht zu einem einzigen Blubberlutsch.

Der Fairniss halber möchte ich hinzufügen, dass das Bollywood-Bombay sicher an meiner völligen Ahnungslosigkeit in Bezug auf indische Küche gescheitert ist. Danke, Claudia, dass du mir nicht erzählt hast, dass indische Küche Spinat, Linsen und Kichererbsen bedeutet. Aber du hast ja Recht: ich hätte sowieso keine Ruhe gegeben, bis ich es einmal selbst erlebt habe.

Fazit: Für alle die wirklich gerne indisch essen und auch eine Vorstellung davon haben, was sie dabei erwartet, ist das Bollywood-Bombay eine ganz besondere Empfehlung in Kiel. Alle anderen Klein-Ernas wie ich: spart euer Geld, ihr werdet es nicht mögen. (Das Essen, nicht das Geld....)

Samstag, 19. Juli 2008

MTV VIVA Aftershow-Party 2008

An diesem Samstag habe ich eine Einladung zur MTV Aftershow Party nach der Campus Invasion Tour 2008. Jede Menge Leute von VIVA und MTV, Moderatoren, Bild- und Tontechniker, Fernsehjournalisten, Aufnahmeleiter und eine Handvoll Gäste. Location: Die VIP-Lounge der Kieler Maritim Bar. Wow! Die Fernsehleute wissen wo man feiert. Nur eine winzige Kleinigkeit: So richtig eingeladen bin ich bis jetzt noch nicht :-)

Claudia holt mich irgendwann kurz nach zehn in einem schicken neuen Kleid ab. Wie gut, dass ich letzte Woche auch noch ein kleines Schwarzes im Ausverkauf bei H&M ergattert habe. Ein außerordentlich kurzes "kleines Schwarzes" übrigens, so dass ich beschließe die helleren Bars zu meiden. Claudia ist gnädig und parkt den Twingo direkt vorm Birdcage. Die Bar ist um kurz nach zehn schon gerammelt voll. Ein Ausdruck, den ich mir dort sonst verkneife. Ein Magazin für Lesben hat an diesem Abend ein Fotoshooting im Birdcage verabredet. Die Femmes sind in total ausgelassener Stimmung und bestehen darauf, dass Claudie mit auf die Fotos soll. Claudia gibt sich gelassen und cool wie immer, aber ich weiß, dass sie sich gerade fühlt wie ein Zuckerkranker bei Niederegger.

Wir nippen an unserem ersten Cosmopolitan, als Diana in ihrem neuen Outfit ins Birdy vibriert. Sie hat kinderfreies Wochenende und will endlich ihre neuen Stiefel ausführen. Die Biester müssen schließlich eingetanzt werden. Sie hat unser volles Verständnis.

Jetzt sind wir komplett. Einen Drink später beschließen wir, unser Styling nicht länger an die schwule Gemeinde zu verschwenden, sondern woanders noch ein bisschen Spaß zu suchen. Das Birdy ist unser Lieblingsplatz, aber hier kommt man mit Stöckel und Mini nicht weit, sondern nur mit Bizeps und Sixpack und wir sind froh, beides endlich los zu sind.

Zu dritt geht es im Twingo durch die Nacht. Die Straßen sind voll und die Stadt ist eine einzige Party. Was ist in Kiel los? Am Nachtschalter der SHELL-Tankstelle im Knooper Weg stehen die Menschen Schlange, während eine verzweifelte Gaby dabei ist, den gesamten Biervorrat der Tankstelle durch die kleine Sicherheitsschleuse im Panzerglas zu quetschen. Puh, die müssen aber Durst haben, diese Studenten.

Wir fahren weiter ins Kieler Maritim Hotel, wo es eine ganz ausgezeichnete Bar mit tiefen roten Clubsesseln aus Leder, gedämpftem Licht und leiser Barmusik gibt. Man kann dort mit etwas Glück die interessantesten Menschen treffen. An diesem Abend ist alles anders. Von wegen, leise Barmusik. Die Bar ist voll mit Partyleuten und aus der VIP-Lounge im Hinterzimmer dröhnt der Techno bis in die Lobby. Was ist denn nun passiert? Sind alle Geschäftsreisenden von Viagra auf Ecstasy umgestiegen?
Wir werden rasch aufgeklärt; heute war die MTV Campus Invasion an der Uni Kiel. Ein Open Air Konzert mit den Sportfreunden Stiller, Subways, K.I.Z. und andern Namen die ich auch nicht kenne. Alle sind total aus dem Häusschen und jetzt erklärt sich auch die Horde von Partyleuten an der SHELL-Tankstelle.

Die Leute von MTV und VIVA haben zusammen mit ein paar Gästen eine kleine Aftershow Party gestartet und kurzerhand die VIP Lounge des Maritim gemietet. Als der MTV Aufnahmeleiter uns sieht, ist er irgendwie erleichtert und ruft: "Endlich normale Menschen!" Zwei Minuten später sitzen wir in der VIP Lounge mit unserem ersten Drink. Die Campus Tour wird von BECK'S gesponsort und so gehen uns die Getränke heute nacht nicht mehr aus. Die Fernsehleute kommen aus der Bundeshauptstadt und sind fast ein bisschen erschrocken über Kiel. Wie ich heraushöre, soll in Berlin wohl mehr los sein .... Die MTV|VIVA Crew ist in absoluter Partylaune und sehr unterhaltsam. Es tut mir fast ein bisschen leid, dass ich keinen Fernseher habe und nicht ein einzige Sendung kenne, geschweige denn einen der Moderatoren. Nach kurzer Zeit geben sie es auf und finden es erfrischend, dass ich nicht übers Fernsehen mit ihnen reden will. Ohne Fernseher gehöre ich eindeutig nicht zur Zielgruppe.

Nicht nur an der Musik merke ich, dass ich die einzige über 30 bin. Aber das macht nichts. Denn als endlich MegaStar Amy Winhouse "Valerie" singt, bin ich nicht mehr zu halten und tanze, als wenn niemand zusieht.

Irgendwann gegen Morgen, als ich in meinen viel zu hohen Ankle Boots schon nicht mehr tanzen kann, sammele ich Claudia aus einem der tiefen, roten Clubsessel auf. Gemeinsam reißen wir Diana vom Stehtisch, von ihrer zwölften Flasche BECK'S und aus ihrem Gespräch mit Janina heraus. Wir müssen nach Hause. Wow, welch eine abgefahrene Partynacht!

Sonntag, 6. Juli 2008

An jedem normalen Sonntag

An diesem Morgen treffe ich mich mit Claudia nur 5 Blocks weiter im neuen Cafe Chelsey im Jungfernstieg. Nachdem hier vorher 30 Jahre lang das Cafe Lucy war, eine Institution unter den Kieler Studentenkneipen, sind wir umso gespannter, wie sich der Platz entwickelt hat. Das Chelsey war klug genug, das Beste vom Cafe Lucy zu übernehmen und so fühlen wir uns gleich zuhause.

Im winzigen Hofgarten ist gerade Platz für drei Tische, ein gutes Dutzend Stühle und natürlich für Claudie und mich. Das Frühstück ist in Ordnung, wenn auch kein Markerschütterer. Es gibt die üblichen Sonntagsbrötchen Knusperfaktor Null, die beliebten Fertigportionen Butter, Marmelade und Nutella, aber dafür einen guten Kaffee. Die Bedienung ist mega freundlich und sehr aufmerksam. Fast zwei Stunden sitzen wir in dem verwunschen kleinen Hofgarten und fühlen uns pudelwohl. Für ein etwas besseres Frühstück würde ich zum Stammgast werden

Vom Chelsey aus fahren wir rüber in die Holtenauer Straße ins renovierte Metro-Kino in die 11 Uhr Vorstellung von Sex-and-the-City. Nach 6 Staffeln und mehr als 90 Folgen muss ich einfach wissen, wie es mit Carry und Big weitergeht. Im Kino wartet eine Überraschung auf uns. Es gibt ein Riesen Frühstücks-Brunch-Schlemmer-Buffet. Dutzende Menschen sitzten drinnen wie draußen und lassen es sich schmecken. Den Film allerdings sehen wir zu viert mit zwei Studentinnen. Gehen die Menschen vielleicht nur noch zum Frühstücken ins Kino?

Kurz bevor im Saal das Licht ausgeht, merken wir, dass uns ein wichtiges Accessoire fehlt. Claudia bestellt an der Bar zwei Cosmopolitan, aber scheitert kläglich. Ausschank erst nach 18 Uhr. Also gibt es Sex and the City ohne Cosmo. Davon haben wir noch nie gehört. was würden Carry und Samantha jetzt tun?

Der Film legt von der ersten Minute an ein hohes Tempo vor. Er ist überraschend witzig und oft auch überraschend traurig. Sollte ich für solche Gelegenheiten lieber ein wasserfestes Mascara benutzen? Spätestens als ich bei Carries Hochzeit zu weinen anfange, weiß ich, dass meine Hormontherapie genau die Wirkung hat, die beabsichtigt war. Sie hat mich weiblicher gemacht.

Freitag, 4. Juli 2008

Barhopping - Hotel Birke Kiel

An diesem Abend starten Claudia und ich später als sonst zu unserer "Night of Barhopping". Als Highlight des Abends haben wir das Hotel Birke am Kieler Stadtrand ausgesucht. Bei der "Nacht der Kieler Hotelbars 2007" hatte es einige renomierte Kieler Hotels, wie das Steigenberger und das Maritim mit besserem Service um einige Absatzlängen übertroffen.

Als wir wenige Minuten vor Mitternacht in die Bar kommen, sitzt dort noch eine Reisegruppe ehemaliger EON Mitarbeiter, die sich schon langsam bettfertig macht. Mit ihren Gehhilfen und Rollatoren belegen sie selbstbewusst die besten Plätze der Bar. Ebenso selbstbewusst stöckeln wir freundlich lächelnd durch die Menge und setzen uns dekorativ an die Bar. Wir sind die einzigen EON Betriebsfremden und ernten einige erstaunte Blicke. Hätte ich mir die weißen Stiefel verkneifen sollen, um etwas weniger nach der Hauptschulklasse von 1985 auszusehen? Oder bedrohten Claudies endlos lange Beine die bevorstehende Bettruhe der Präsenilen? Wir werden es nie erfahren, aber ich bringe einen der netten Ruhrpott Jungs dazu, ein Foto von Claudie und mir an der Bar zu machen.

Der Barbetrieb ist an diesem Abend eine Entäuschung für uns. Vom flippigen Charme aus der "Nacht der Kieler Hotelbars" ist nichts übrig geblieben. Der Barmann ist gar keiner, sondern einfach ein Hotelangestellter, der nicht weiß, wie man einen Cosmopolitan mixt. "Wir sind keine Bar", entschuldigt er sich lahm. Ich weiß nicht, wer erstaunter guckt, er oder wir. Mit Weißwein und Apfelschorle helfen wir uns über diesen Aussetzer hinweg und sind doch beide ein bisschen pikiert. Nach einer guten halben Stunde geht uns die Stimmung auf den Geist und wir fahren zurück in die City.

Fazit: Das Hotel Birke ist sicher ein tolles Hotel, gemütlich eingerichtet, mit gutem Service und einem reichhaltigen Angebot. Nur als Station zum Barhopping auf ein paar Cocktails in netter Gesellschaft, dafür ist es nicht geeignet und vermutlich auch nicht gedacht. Schade.

Sonntag, 15. Juni 2008

Matthias' 50. Geburtstag

Wenn man im Birdcage nach dem nettesten und freundlichsten Typen dort fragt, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Matthias' Name häufiger genannt wird. Mit seiner höflichen ruhigen Art ist es aber auch schwer, ihn nicht zu mögen. Seit Wochen hatte ich mich auf diesen Abend gefreut und nach dem passenden Outfit gesucht. Es musste etwas Festliches sein und dennoch Mini. Die Feier findet im katholischen Gemeindehaus statt und dennoch Mini. Ok, das war einfach :-)

Mit einer Stunde Verspätung stöckeln Claudia und ich aus dem Birdcage rüber ins Gemeindehaus, das praktischerweise auf der Straßenseite direkt gegenüber liegt. Zur Entlastung der Katholen sei gesagt, dass sie lange vor dem Birdy in der Rathausstraße waren.

Im Gemeindehaus sind schon einige Dutzend Gäste um Stehtische und an der Bar im Small-Talk vertieft. Ja, richtig: das katholische Gemeindehaus hat eine Bar. Ich bin schwer beeindruckt und vom ersten Moment an nimmt der Abend Fahrt auf. Wir trinken mit netten Menschen Weißwein im Garten, unterhalten uns bestens, lachen viel und haben jede Menge Spaß. Dazu hatte Matthias ein Buffet geordert, das für die dreifache Menge an Gästen berechnet schien.


Nach dem Essen erleben wir eine Laudatio von Matthias' Freund Thomas, die sich als überraschend witzige MultimediaShow herausstellt und sehr gut ankommt. Inzwischen wird auch die Tanzfläche eröffnet, wo sich die Gäste an diesem Abend richtig austoben. Matthias ist völlig losgelöst. Um ihn von der Tanzfläche zu trennen, müsste man operieren.


Matthias on the Dance Floor


Während ich in Christiane meine erste wirklich nette Lehrerin kennenlerne, hat Claudia ein Mädchen aus Berlin getroffen. Ihr Name ist Sigrid. Worüber die beiden sich so angeregt unterhalten, ist leider nicht überliefert, aber Claudia schwärmt jetzt schon wochenlang von ihr.

Viele Stammgäste aus dem Birdy sind auf der Party und auch der Wirt Micha genießt es, selbst einfach nur Gast zu sein.

Als Claudia mich später zu Hause absetzt, graut bereits der Morgen und das Gebrüll der Vögel ist unerträglich. Wir sind uns beide einig: das war die beste Party des Jahres und nächstes Jahr gehen wir wieder zu Matthias' 50. Geburtstag.

Freitag, 6. Juni 2008

Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz

In dieser Nacht waren wir aufgebrochen, um das Geheimins zu lüften um Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. Der Name sagte mir anfangs überhaupt nichts, aber Claudia versicherte mir, wir müssten die Ordensschwestern unbedingt kennenlernen. Es würde sich lohnen. Sie seien allerdings nur diesen einen Abend in der Stadt als Vorbereitung auf den Kieler CSD am nächsten Morgen.

Wir hatten keine Ahnung, wo wir die Schwestern an diesem Abend treffen würden, aber wir kannten einige Plätze in Kiel, wo sie im Laufe der Nacht ganz sicher auftauchen würden. Während wir mit Claudias kleinem Renault Twingo durch die Nacht fahren, lerne ich endlich, was es mit den Schwestern auf sich hat. Der Orden The Sisters of Perpetual Indulgence wurde 1979 in San Francisco gegründet und sammelt seit jeher Spenden für sozial schwache Angehörige der Queer Community. In erster Linie werden Spenden für AIDS-Kranke gesammelt und Gratis Kondome verteilt. Aber vor allem machen die Schwestern eine Super Show in ihren tollen Ordenskostümen und werben nicht nur für Toleranz, sondern auch für andauernde Lebensfreude und ewige Ausschweifungen.

Svenja and The Sisters of Perpetual Indulgence

Wir haben das große Glück, den Stadtführer der Nonnen an diesem Abend zu kennen. Es ist Heiko, der direkt dem Film Harold and Maude entsprungen zu sein scheint. Und so haben wir ein gutes Gespür dafür, wo wir in dieser Nacht suchen müssen.

Irgendwann lange nach Mitternacht haben wir Glück und treffen die Schwestern im Harlekin in der Kirchhofallee, wo sie eine außerordentliche Ordensversammlung direkt am Tresen abhalten. Die Ordenstrachten sind ein Knaller und ich überlege ernsthaft, einen Kieler Unterorden zu gründen, nur um solche tollen Klamotten und MakeUp als Dienstkleidung tragen zu können :-)

Claudia und die Schwestern vom Orden der Perpetuellen Indulgenz

Als wir uns gegen Morgen von den Nonnen verabschieden, habe ich eine ganze Menge dazugelernt und bin schwer beeindruckt von den Schwestern. Bei aller Fröhlichkeit darf man das große persönliche Engagement der Schwestern im Kampf gegen AIDS nicht verkennen. Für mich sind die Girls eine queere und fröhliche Ausführung der Heilsarmee. Nur viel hübscher :-)

Samstag, 26. April 2008

Ausstellung in der KZ Gedenkstätte Neuengamme

An diesem Samstag haben Claudia und ich etwas Besonderes vor. Wir fahren nach Hamburg zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme, wo heute eine Ausstellung eröffnet wird mit dem Titel: Homosexuellen Verfolgung in Hamburg 1919 - 1969. Ein Teilbereich der Ausstellung behandelt die Verfolgung Transsexueller im Dritten Reich und weckt damit unser Interesse.

Schon der Gang über das riesige Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers erschüttert uns beide tief. Anfangs lachen und scherzen wir noch darüber, was uns wohl heute erwarten wird. Darüber, ob überhaupt jemand kommt, ob es wohl etwas zu Essen geben wird und wie langweilig die Reden wohl sein werden. Zuerst habe ich ein schlechtes Gewissen, dass wir so unbeschwert und froh über diesen Platz stöckeln, der erst vor einigen Jahrzehnten so unvorstellbares Leid gesehen hat. Dann aber denke ich, dass dieser Ort schon genug Traurigkeit erlebt hat und dass wir ruhig fröhlich sein können, ohne damit das Gedenken an die Opfer zu stören. Trotzdem werden wir immer ruhiger, als wir über den riesengroßen und einschüchternd wirkenden ehemaligen Appellplatz gehen.

Der Ausstellungssaal befindet sich in einer der ehemaligen Häftlingsbaracken. Für die Eröffnungsfeier wurde alles festlich geschmückt. Der Rahmen ist angenehm feierlich und zur Begrüßung gibt es Getränke und Kuchen. Wir sind erstaunt darüber, wieviele Menschen zu dieser Eröffnung erschienen sind. Wir sehen viele schwule und lesbische Pärchen, entdecken außer uns selbst aber nur zwei weitere T-Girls. Wir haben Glück und ergattern die beiden letzten freien Sitzplätze.

Es werden mehrere nichtssagende Festreden gehalten und ich fange schon an, ungeduldig auf meinem Stuhl herum zu rutschen. Doch plötzlich werde ich hellhörig. Der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Dr. Frank Ulrich Montgomery tritt ans Mikrofon und nimmt in seiner Rede kein Blatt vor den Mund. Ohne etwas zu beschönigen räumt Dr. Montgomery das Unrecht ein, das im 3. Reich auch von Ärzten begangen worden ist. "Auch Ärzte haben damals ihren Kollegen den notwendigen Respekt, die Achtung und die kollegiale Fürsorge verweigert", sagt Montgomery. Ich bin total beeindruckt von dem Mut und der Offenheit des Präsidenten der Ärztekammer.

Endlich wird die Ausstellung eröffnet und wir sehen uns in Ruhe die Schautafeln und die vielen verschiedenen Ausstellungsstücke an. Mein Gott. Welch ein Unrecht ist in Deutschland geschehen und wie kurze Zeit ist das erst her. Nie zuvor hatte ich das so stark empfunden. Besonders berühren mich die Plakate und Unterrichtsmaterialien der Hamburger Kriminalpolizei aus jener Zeit.

Als Kriminalbeamtin erkenne ich den typischen Stil polizeilicher Lehrmittel der Vergangenheit, als der Begriff Transsexuell noch unbekannt war . Damals wurde pauschal von Transvestiten gesprochen. Bei der Nennung eines anderen Begriffs lachen wir beide unvermittelt los. Früher wären wir auch als Damenimitatoren bezeichnet worden.

Das Interesse und der Andrang sind riesig. Wir kommen kaum an alle Exponate heran und so machen wir uns nach einigen Stunden auf den Heimweg.

Als wir auf dem Rückweg wieder über den großen Appellplatz gehen, wird mir bewusst, welches große Glück ich habe heute zu leben. In einem liberalen Deutschland, wo ich als transsexuelle Polizistin weiterhin meinen Beruf ausüben kann und von meinen Kollegen dennoch respektiert werde.
Und doch geht mir der Satz eines Kollegen nicht aus dem Kopf, der mich eine Schande für die ganze Kriminalpolizei genannt hatte. Was habe ich mich geschämt, als mir dieser Satz zugetragen wurde. Heute sehe ich das völlig anders und bin im Gegenteil stolz darauf, einer Polizei anzugehören, die mit ihren Minderheiten ebenso korrekt und liberal umgeht, wie sie das von den Menschen erwartet, die sie schützen soll.
Wirklich ein cooler Laden, diese Landespolizei des Jahres 2008.

Freitag, 18. April 2008

Single again

Heute ein mega schlimmer Streit mit meiner Freundin Conny. Er fängt wie immer ganz langsam an, wird dann aber so heftig, dass unsere Partnerschaft daran zerbricht. Puh, welch ein schlimmer Streit. Wir sind beide total geschockt.

Nach knapp drei Jahren, in denen wir beide Conny und Sven ja waren, sind wir beide wieder Singles. Wir hatten eine tolle, aufregende und sehr intensive Zeit zusammen, aber dann sind wir beide am Alltag gescheitert.

Ich bin total traurig und werde Sie sicher nie vergessen. Ich bin richtig geschockt deshalb. Da war man sich mal so nahe und ist plötzlich wie zwei Fremde zueinander. Mist.