Ausgerechnet am 11. Januar, meinem Geburtstag, hat das Bundesverfassungsgericht mir ein ganz besonderes Geschenk gemacht, indem es eine wesentliche Bestimmung des TSG für verfassungswidrig erklärt hat. Wir sind demnach nicht mehr gezwungen, uns operieren zu lassen, um auch rechtlich im empfundenen Geschlecht anerkannt zu werden.
TSG steht übrigens nicht für „Turn- und Sportverein“, sondern ist die Abkürzung für das Transsexuellengesetz, unseren Leitfaden für die Transition, das Handbuch zum Rübermachen. Darin steht alles, was man für den erfolgreichen Wechsel von Sven zu Svenja wissen muss. Allein in Modefragen hält der Gesetzgeber sich recht bedeckt. Im Gegensatz zu mir :-)
Bisher musste man sich in einer schwierigen Operation die Geschlechtsorgane entfernen lassen, um auch im Personenstandsregister den gewünschten Geschlechtseintrag männlich, oder weiblich, zu bekommen.
Im Klartext: Wer nicht bereit war, sich operieren zu lassen, der meinte es auch nicht ernst. Mediziner wissen schon seit vielen Jahren*, dass diese Schlussfolgerung falsch ist und selbst die beiden psychiatrischen Gutachter für die Namensänderung haben mir damals trans bescheinigt, ohne überhaupt die Frage nach der OP gestellt zu haben.
Die Verfassungsrichter sind der aktuellen Lehrmeinung gefolgt, wonach nicht die Operation entscheidend sei, sondern "wie konsequent der Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich in ihm angekommen fühlt". Für dieses Statement könnte ich sie küssen, die Jungs und das Mädel vom Bundesverfassungsgericht, denn genau das ist auch meine Überzeugung.
Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis das TSG in einer geänderten Fassung vorliegt, aber die genannte Vorschrift darf bereits jetzt nicht mehr angewandt werden.
Doch neben aller Politik und Juristerei, was bedeutet das für mich ganz persönlich? Was habe ich davon? Ich kann jetzt endlich diesen blöden Fehler in meiner Geburtsurkunde ändern lassen: Es wurde damals in Klingberg kein Junge geboren, sondern ein Mädchen, wenn auch mit Extras.
Und was ändert sich für mich, nachdem ich meinen Personenstand habe ändern lassen? Auf Anhieb kommen mir nur zwei bedeutsame Konsequenzen in den Sinn: Falls ich mal wieder heiraten wollte, könnte mein Ehepartner nur noch ein Mann sein. Mit einer Frau könnte ich aber die eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Vorher war es umgekehrt. Und die zweite Konsequenz ist, falls ich mal in den Knast muss, wäre es dann der Frauenknast. Wobei ich mit den Konsequenzen zu 2 wesentlich leichter leben könnte, als mit denen zu 1, fürchte ich.
Sollte ich nämlich jemals wieder heiraten wollen, so müsste es schon eine supersüße, nette, sexy, langbeinige Blondine mit einem Herzen aus Gold sein, mit der ich mich schon vor der Hochzeit anzicken würde, wer wohl das schönere Kleid tragen wird.
Glücklicherweise beträgt die aktuelle BHW (Blondinenheiratswahrscheinlichkeit) exakt NULL. Und meine Ansicht über das Heiraten kennt ihr ja bereits: „Eher stöckele ich im nassen T-Shirt auf PeepToes über eine Baustelle.“
Fazit: Ich freue mich sehr über die Entscheidung 1 BvR 3295/07* aus Karlsruhe, denn auch für mein eigenes Leben hat sie ganz konkrete Auswirkungen. Ich werde endlich die Personenstandsänderung erreichen können, ohne dass ich vorher ins Krankenhaus muss. Es ist genau so, wie die Richter sagen, entscheidend ist, wie konsequent man sein neues Leben führt und sich in ihm angekommen fühlt. Und in dieser Disziplin gebe ich mir selbst mal eben volle hundert Punkte. Auch ohne OP...
* weiß jemand, wann und wo die alte Lehrmeinung erstmal infrage gestellt wurde?
* der Leitsatz zum Beschluss des Ersten Senats vom 11. Januar 2011 findet sich unter 1 BvR 3295/07