„Sag mal, wieviele Paar Schuhe willst du dir eigentlich noch kaufen? Man kann doch nicht sein ganzes Geld in Ballerinas, Pumps und Stiefel stecken.“, zickt Claudia mich von der Seite an, während wir gemeinsam durch den Kieler CITTI-Park stöckeln.
"Und wo genau steht das noch mal geschrieben?", gebe ich ebenso zickig zurück und bin auf der Stelle eingeschnappt.
„Und außerdem stecke ich keinesfalls all mein Geld in Schuhe. Oder glaubst du, dass ich meine ganzen Röcke, Kleider und Strumpfhosen geschenkt bekomme? Und die Parfums, das MakeUp und den Schmuck? Es ist eben nicht ganz billig, eine Frau zu sein. Nicht einmal die Hälfte meines Geldes investiere ich in gutes Schuhwerk. Wenn überhaupt...“
"Gutes Schuhwerk, dass ich nicht lache.", muffelt Claudia vor sich hin und aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie schon wieder die Augen verdreht, obwohl sie genau weiß, wie ich das hasse: "Wenn ich nur an die
pinken Korkpantoletten denke, die du unbedingt haben wolltest und dann hast du sie nur ein einziges Mal angezogen, weil du dir damit fast die Gräten gebrochen hättest. Von wegen, Gutes Schuhwerk..."
„Na und? Ist doch egal. Die waren aber total schön. Außerdem kann ich ja wohl schlecht barfuß laufen, oder?!“
„Barfuß? Nicht mal ein Tausendfüßler könnte alle deine Pumps und Stiefel, Ballerinas und Stiefeletten, Wedges, Clogs und Peeptoes auftragen. Nicht mal, wenn er hundert Jahre alt wird.“
„Nun übertreib mal nicht.“, wiegele ich sanft ab. „Wusstest du zum Beispiel, dass ich nur sechs Paar Ballerinas besitze?“
„Sechs Paar? Das ist doch eine glatte Lüge. Alleine unter dem Fenster in deinem Zimmer stehen mindestens 12 Paar davon.“ Bei Claudia setzt langsam die Schnappatmung ein.
„Nun lass mich doch mal ausreden, ich meinte doch auch sechs Paare aus schwarzem Wildleder. Sonst habe ich natürlich mehr. Und außerdem habe ich einen Ruf zu verteidigen,“, füge ich mit leiser Stimme hinzu und schlage bescheiden die Augen nieder: „Vor dir steht nämlich die Mitbgegründerin der StudiVZ Gruppe: Ich trage Ballerinas auch im Winter.“
Claudia ist beeindruckt, jedenfalls sagt sie nichts mehr und sieht mich nur bewundernd von der Seite an. Wir stöckeln weiter durch den Kieler CITTI-Park. Nächster Halt Deichmann. Ich muss unbedingt diese braunen Keilstiefel aus der Werbung anprobieren. Braune Keilstiefel habe ich nämlich noch gar keine. Jedenfalls diese nicht.
Bei Deichmann angekommen, setze ich mich auf die große Ankleidebank und probiere die wunderschönen Overknees mit Keilabsatz an. Aber was ist das? Ich krieg den Reißverschluss nicht zu, weil mein Spann einfach zu hoch ist. Mist. Dann muss ich wohl noch eine Weile mit den drei Paar braunen Keilstiefeln leben, die ich schon habe. Aber schön ist das nicht.
Um mich etwas abzulenken, frage ich Claudia ganz höflich: „Kannst du mir mal bitte die, die und die in 41 bringen? Und die Peeptoes in beiden Farben, bitte.“ und zeige dabei mit dem Finger auf verschiedene Modelle.
„Wieso ich? Ist was mit deinen Füßen?“, fragt Claudia mich verständnislos.
„Na hör mal, ich kann ja wohl schlecht auf Strumpfhosen durch den Laden rennen, oder? Was ist denn, wenn ich hier auf ein Kaugummi trete? Oder auf eine Heftzwecke? Das ist dann allein deine Schuld.“
„Ja, ja, ist schon gut, Tinky Winky. Es kann ja auch wirklich niemand von dir verlangen, dass du mal eben wieder in deine Pumps schlüpfst. Das ist ja viel zu mühevoll. Bleib bloß sitzen, ich mach das schon.“, erwidert Claudia und verschwindet kopfschüttelnd hinter dem nächsten Regal, um nach einer ganzen Weile voll beladen mit Schuhkartons wieder aufzutauchen. Ich sag ihr natürlich nicht, dass das aber ganz schön lange gedauert hat. Hat es aber.
Bei Deichmann ist heute für mich nichts dabei, außerdem habe ich die meisten sowieso schon und für Buffalos fehlt mir heute das Geld. „Ich brauche unbedingt noch
Strumpfhosen.“, verkünde ich so laut, dass ein älteres Ehepaar sich irritiert nach mir umsieht. „Ich brauche Blickdichte in allen Farben, besonders in hellgrau, grau, mittelgrau, dunkelgrau und anthrazit. Grau ist nämlich das neue Schwarz.“ füge ich klugscheißerisch hinzu und ziehe dabei die Augenbrauen hoch, wie ich das immer tue, wenn ich eine elementare Wahrheit zu verkünden habe. So wie damals, als plötzlich braun das neue schwarz war und ich das als Allererste wußte.
Aber zuverlässig wie ein Uhrwerk geht das Genörgel natürlich wieder los: „Strumpfhosen? Dein Schrank ist doch voll davon und mindestens ein Dutzend hast du noch nicht mal ausgepackt.“
„Na und? Du weißt doch, dass ich
niemals Hosen trage und deshalb brauche ich nunmal zu jedem Outfit die hundertprozentig passende Strumpfhose, sonst taugt der ganze Look nichts. Außerdem brauche ich die jeweils in glänzend und in matt, in glatt und in wollig und am liebsten zwei Stück von jeder Sorte.“
"Aber vorher muss ich erstmal meine Schuhe wechseln, die grauen Wildlederpumps bringen mich nämlich gerade um. Aber bevor du wieder anfängst zu meckern, nein, die sind nicht neu. Die habe ich schon letzte Woche gekauft."
Zum Glück habe ich extra ein paar Ersatzschuhe in der Handtasche. Die grauen Stiefel habe ich in endlosen Partynächten total bequem
eingetanzt und außerdem sind die Absätze nur 5cm hoch. Endlich bequeme Laufschuhe.
Ich setze mich auf eine große Ledercouch und wechsele in Ruhe meine Pumps gegen Stiefel. Trotzdem bin ich irritiert: "Was glotzen die Landeier eigentlich so? Haben die noch nie gesehen, wie eine Dame der Großstadt elegant ihre Schuhe wechselt?"
"Dame? Der Begriff wäre mir jetzt nicht dazu eingefallen, wie du hier in deinem Minikleid auf der Couch sitzt und deine große Ich-wechsel-die-Schuhe-Show abziehst. Und gewöhn dir endlich ab, jede Else
anzuflirten, die zufällig in deine Nähe kommt. Die sind immer völlig irritiert."
"Na gut, du hast ja Recht. Ich bin wirklich keine Dame, denn dafür bin ich noch viel zu jung. Immerhin bin ich ja erst
vierundzwanzig..."