Versucht einmal, euch meine Situation vorzustellen. Ich gehe in die Klinik mit Bauchschmerzen. In der Aufnahme zeige ich meine Versichertenkarte und die Überweisung vom Hausarzt. Beides auf Frau Svenja ausgestellt.
Natürlich steht da kein Warnhinweis drauf, dass ich als Transgender für zwei, drei kleine Überraschungen gut bin. Und ich selbst habe überhaupt keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Muss ich eine Erklärung abgeben? Vielleicht einfach aufstehen, in die Hände klatschen und kurz um Aufmerksamkeit bitten? Ich bin ratlos und tue, was ich in solchen Situationen immer tue, nichts. Die merken im OP noch früh genug, dass bei mir etwas anders ist, als bei handelsüblichen Frauen.
Blende und Schnitt: Eine Stunde später in meinem Krankenzimmer. Eine fröhliche junge Lernschwester hilft mir beim Umziehen in das OP-Hemd. Alleine kriege ich das nicht mehr hin. Im Arztbrief steht später: „Die Patientin erschien bereits in deutlich reduziertem Allgemeinzustand.“ Keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber jetzt heißt es, ich brauche Hilfe beim Umziehen.
Ich möchte die junge Schwester nicht schockieren und fühle mich verpflichtet, etwas zu sagen: „Sie wissen ja sicher schon, dass ich die Frau mit dem Geburtsfehler bin. Ich trage die Eierstöcke außen.“ Wir müssen beide lachen. Sie hatte die Story längst brühwarm von der Aufnahme gehört, wo es dem Doc inzwischen unangenehm war, mich nach einer Schwangerschaft gefragt zu haben. Ob er mir zu nahe getreten sei? Aber nein, das war ein total süßes Kompliment. Davon werde ich noch Monate zehren.
Blende und Schnitt: Zehn Tage und zwei Operationen später. Ich beginne mich zu langweilen und gehe auf Patrouille. Vielleicht entdecke ich etwas und kann ein, zwei Anzeigen fertigen und mir später dafür Überstunden aufschreiben. Und tatsächlich, was entdeckt das geschulte Auge des Gesetzes? Mein Bett hat eine TÜV-Plakette und die ist 2007 abgelaufen. Das macht 75 Euro Bußgeld und 2 Punkte in Flensburg. Pro Bett. Ich rechne kurz hoch. Die Klinik hat ca. 640 Betten, das sind 48.000 Euro und 1.280 Punkte. Dafür gibt nicht nur der Verwaltungsdirektor den Lappen ab, sondern auch das gesamte Personal bis runter zu dem Typen, der im Foyer die Brötchen verkauft. Ich bin jedoch in Geberlaune und belasse es bei einer mündlichen Verwarnung.
Zwei Tage später aber geschieht etwas, darüber werde ich nicht hinwegsehen. So eine Frechheit ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert. Als Claudia mich kurz darauf besucht, bin ich noch immer völlig außer mir.
Claudia: „Guten Morgen, Svenja. Na, wie gehts?“
Ich, ohne auf ihren Gruß einzugehen: „Ich bin noch niemals so beleidigt worden. Stell dir vor, die schmeißen mich hier raus, weil ich den Ärzten auf einmal nicht mehr hübsch genug bin!“
Claudia: „Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Nicht hübsch genug? Spinnst du?“
Ich, mit Zittern in der Stimme: „Eben war die weiße Wolke hier zur Visite. Und da hat dieser eine junge Arzt, du weißt schon, der mit den dunklen Haaren, der ganz gut aussieht, gesagt: Darf ich mal einen Blick auf ihren Bauch werfen? Und ich total nett: Aber natürlich, Herr Doktor. Und ziehe voller Vertrauen mein Nachthemd hoch. Schließlich sind das doch Ärzte.
Jedenfalls guckt der Doc auf meinen Bauch, natürlich genau auf die hässliche, frisch zugenähte Narbe und weißt du, was er zu mir sagt?“
Ich kann die Tränen jetzt kaum noch zurückhalten.
„Was denn?“, fragt Claudia mit Ratlosigkeit in der Stimme.
„Reizlos, vollkommen reizlos. Sie können morgen nach Hause gehen.“
Claudia: „Ja, aber...“
„Nichts, ja aber“ unterbreche ich sie wütend. „Können die sich denn alles rausnehmen nur weil das Ärzte sind? Geht es hier jetzt nach dem Aussehen? Ich weiß ja selber, dass ich momentan nicht besonders reizvoll aussehe, aber...“
Claudia: „Jetzt hör doch erstmal zu, Tinky Winky. Der meint doch nicht dein Aussehen, sondern nur deine Narbe. Reizlos heißt doch bloß, dass die gut verheilt und nicht mehr so gerötet ist. Kein Grund zur Aufregung.“
Ich: „Ha, ha. Du hast ja auch nicht sein Gesicht gesehen. So guckt man nicht auf den Bauch einer Frau, die vor einem im Bett liegt und sagt: Reizlos, vollkommen reizlos. Der müsste mich mal am Wochenende im Nightfever sehen in meinen neuen Overknee Stiefeln. Den schwarzen mit den Nieten, du weißt schon, welche ich meine.“
Claudia: „Ja, ja, ich weiß, welche du meinst.“
Ich: „Das sind jetzt schon drei Vorfälle weshalb ich den Verwaltungsdirektor anrufen werde. Und genau das mach ich auch, verlass dich drauf.“
Claudia: „Drei Vorfälle? Was denn für Vorfälle?“
Ich: „Hörst du mir nie zu? Da war zuerst die Sache mit dem abgelaufenen TÜV von meinem Bett und heute, dass die Ärzte mich zu hässlich finden für die Station. Und dann noch die Sache mit dem Tomatensalat."
„Die Sache mit dem Tomatensalat? Was denn für ein Tomatensalat?“
Ich: „Ganz genau: Was denn für ein Tomatensalat? Der, den ich letzten Dienstag extra auf meinen Essenzettel geschrieben habe und der bis heute nicht gekommen ist. Sollen die denn hier mit allem durchkommen? Ich bin nun echt keine von diesen schwierigen Zicken, die sich dauernd über alles beschweren müssen, aber das geht zuweit. Nur weil ich ein schwaches Mädchen bin...“
„Nein.“, stimmt Claudia mir zu und verdreht dabei die Augen, weil sie wahrscheinlich glaubt, ich sehe das nicht:
„Du bist nun wirklich keine von diesen schwierigen Zicken.“
Fazit: Einem Blogger kann kaum etwas Besseres passieren kann, als eine Weile im Krankenhaus zu liegen. Mehr Stoff für Postings findet man nirgends. Und sowie der Sinn für Humor wieder größer ist als das Aua, macht es auch Spaß, darüber zu schreiben.
Natürlich steht da kein Warnhinweis drauf, dass ich als Transgender für zwei, drei kleine Überraschungen gut bin. Und ich selbst habe überhaupt keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Muss ich eine Erklärung abgeben? Vielleicht einfach aufstehen, in die Hände klatschen und kurz um Aufmerksamkeit bitten? Ich bin ratlos und tue, was ich in solchen Situationen immer tue, nichts. Die merken im OP noch früh genug, dass bei mir etwas anders ist, als bei handelsüblichen Frauen.
Blende und Schnitt: Eine Stunde später in meinem Krankenzimmer. Eine fröhliche junge Lernschwester hilft mir beim Umziehen in das OP-Hemd. Alleine kriege ich das nicht mehr hin. Im Arztbrief steht später: „Die Patientin erschien bereits in deutlich reduziertem Allgemeinzustand.“ Keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber jetzt heißt es, ich brauche Hilfe beim Umziehen.
Ich möchte die junge Schwester nicht schockieren und fühle mich verpflichtet, etwas zu sagen: „Sie wissen ja sicher schon, dass ich die Frau mit dem Geburtsfehler bin. Ich trage die Eierstöcke außen.“ Wir müssen beide lachen. Sie hatte die Story längst brühwarm von der Aufnahme gehört, wo es dem Doc inzwischen unangenehm war, mich nach einer Schwangerschaft gefragt zu haben. Ob er mir zu nahe getreten sei? Aber nein, das war ein total süßes Kompliment. Davon werde ich noch Monate zehren.
Blende und Schnitt: Zehn Tage und zwei Operationen später. Ich beginne mich zu langweilen und gehe auf Patrouille. Vielleicht entdecke ich etwas und kann ein, zwei Anzeigen fertigen und mir später dafür Überstunden aufschreiben. Und tatsächlich, was entdeckt das geschulte Auge des Gesetzes? Mein Bett hat eine TÜV-Plakette und die ist 2007 abgelaufen. Das macht 75 Euro Bußgeld und 2 Punkte in Flensburg. Pro Bett. Ich rechne kurz hoch. Die Klinik hat ca. 640 Betten, das sind 48.000 Euro und 1.280 Punkte. Dafür gibt nicht nur der Verwaltungsdirektor den Lappen ab, sondern auch das gesamte Personal bis runter zu dem Typen, der im Foyer die Brötchen verkauft. Ich bin jedoch in Geberlaune und belasse es bei einer mündlichen Verwarnung.
Zwei Tage später aber geschieht etwas, darüber werde ich nicht hinwegsehen. So eine Frechheit ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert. Als Claudia mich kurz darauf besucht, bin ich noch immer völlig außer mir.
Claudia: „Guten Morgen, Svenja. Na, wie gehts?“
Ich, ohne auf ihren Gruß einzugehen: „Ich bin noch niemals so beleidigt worden. Stell dir vor, die schmeißen mich hier raus, weil ich den Ärzten auf einmal nicht mehr hübsch genug bin!“
Claudia: „Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Nicht hübsch genug? Spinnst du?“
Ich, mit Zittern in der Stimme: „Eben war die weiße Wolke hier zur Visite. Und da hat dieser eine junge Arzt, du weißt schon, der mit den dunklen Haaren, der ganz gut aussieht, gesagt: Darf ich mal einen Blick auf ihren Bauch werfen? Und ich total nett: Aber natürlich, Herr Doktor. Und ziehe voller Vertrauen mein Nachthemd hoch. Schließlich sind das doch Ärzte.
Jedenfalls guckt der Doc auf meinen Bauch, natürlich genau auf die hässliche, frisch zugenähte Narbe und weißt du, was er zu mir sagt?“
Ich kann die Tränen jetzt kaum noch zurückhalten.
„Was denn?“, fragt Claudia mit Ratlosigkeit in der Stimme.
„Reizlos, vollkommen reizlos. Sie können morgen nach Hause gehen.“
Claudia: „Ja, aber...“
„Nichts, ja aber“ unterbreche ich sie wütend. „Können die sich denn alles rausnehmen nur weil das Ärzte sind? Geht es hier jetzt nach dem Aussehen? Ich weiß ja selber, dass ich momentan nicht besonders reizvoll aussehe, aber...“
Claudia: „Jetzt hör doch erstmal zu, Tinky Winky. Der meint doch nicht dein Aussehen, sondern nur deine Narbe. Reizlos heißt doch bloß, dass die gut verheilt und nicht mehr so gerötet ist. Kein Grund zur Aufregung.“
Ich: „Ha, ha. Du hast ja auch nicht sein Gesicht gesehen. So guckt man nicht auf den Bauch einer Frau, die vor einem im Bett liegt und sagt: Reizlos, vollkommen reizlos. Der müsste mich mal am Wochenende im Nightfever sehen in meinen neuen Overknee Stiefeln. Den schwarzen mit den Nieten, du weißt schon, welche ich meine.“
Claudia: „Ja, ja, ich weiß, welche du meinst.“
Ich: „Das sind jetzt schon drei Vorfälle weshalb ich den Verwaltungsdirektor anrufen werde. Und genau das mach ich auch, verlass dich drauf.“
Claudia: „Drei Vorfälle? Was denn für Vorfälle?“
Ich: „Hörst du mir nie zu? Da war zuerst die Sache mit dem abgelaufenen TÜV von meinem Bett und heute, dass die Ärzte mich zu hässlich finden für die Station. Und dann noch die Sache mit dem Tomatensalat."
„Die Sache mit dem Tomatensalat? Was denn für ein Tomatensalat?“
Ich: „Ganz genau: Was denn für ein Tomatensalat? Der, den ich letzten Dienstag extra auf meinen Essenzettel geschrieben habe und der bis heute nicht gekommen ist. Sollen die denn hier mit allem durchkommen? Ich bin nun echt keine von diesen schwierigen Zicken, die sich dauernd über alles beschweren müssen, aber das geht zuweit. Nur weil ich ein schwaches Mädchen bin...“
„Nein.“, stimmt Claudia mir zu und verdreht dabei die Augen, weil sie wahrscheinlich glaubt, ich sehe das nicht:
„Du bist nun wirklich keine von diesen schwierigen Zicken.“
Fazit: Einem Blogger kann kaum etwas Besseres passieren kann, als eine Weile im Krankenhaus zu liegen. Mehr Stoff für Postings findet man nirgends. Und sowie der Sinn für Humor wieder größer ist als das Aua, macht es auch Spaß, darüber zu schreiben.