Donnerstag, 29. Dezember 2011

Zukunftspläne

Ich bin ein totaler Planungs­freak. Wichtiges und weniger Wichtiges wer­den aufge­schrie­ben, notiert, kal­ku­liert, geplant, festgehalten und nach­bereitet. Das hilft mir, meine Gedanken zu ordnen.

Besonders aktiv bin ich zum Jahreswechsel. Dann schmiede ich neue Pläne, denke nach, for­mu­liere Wünsche und Ab­sich­ten und stelle jedes neue Jahr unter ein eigenes Motto. 2012 wird das Jahr, in dem ich hinter mir aufräume.

Das Thema Gewicht nehme ich mit ins neue Jahr hinüber. In 2011 habe ich es nicht immer geschafft, unter 83 Kilo zu bleiben und um es interessanter zu machen, habe ich das Ziel noch einmal um drei Kilo angeschärft. Ziele dürfen niemals leicht zu erreichen sein.

Das transThema hingegen ist weitgehend durch und soll mit dem Posting zur Personenstandsänderung allmählich erledigt sein. Es beschäftigt mich nur noch selten, so wie mich auch meine Führerscheinprüfung, die Grundausbildung, oder die Zeit im Krankenhaus nicht mehr jeden Tag beschäftigen. Eine Weile sind das wichtige Themen und man erzählt gerne von diesem einen total fiesen Fahrprüfer, der extra die winzigste Parklücke ausgesucht hat und wie man da trotzdem reingekommen ist. Doch irgendwann fährt man schon jahrelang sein eigenes Auto und denkt kaum jemals an die Fahrprüfung zurück. So ähnlich ergeht es mir in meinem siebenten Jahr als Svenja.

Auch über die Vergangenheit werde ich nicht mehr auf eine Weise schreiben, der man den Schmerz über den Verlust von Familie, Freunden und Bekannten anmerkt. Das liegt hinter mir und ich lasse jetzt los. Dieses Ziel wird vermutlich am schwersten zu erreichen sein, aber Ziele dürfen niemals einfach sein.

Die Sache mit den ehelichen Schulden habe ich inzwischen perfekt geregelt, Das knechtet mich nicht länger. Nach zehn Jahren werde ich alles zurückgezahlt haben und sechs davon sind schon um. Dafür schäme ich mich nicht, sondern bin eher stolz darauf, mich nicht in die Insolvenz-Unterhalts-Hartz-IV-Lösung ge­flüch­tet zu haben, sondern in zähen Ver­hand­lungen nach endlosen Mahnbe­scheiden und eini­gen demütigenden Besuchen des Gerichts­voll­zie­hers alles alleine geregelt zu haben: Hingefallen, aufgestanden, Krone gerade gerückt, Nase hoch­ge­zogen und weitergestöckelt.

2012 soll wieder ein extrem aktives Motorradjahr mit mehreren großen Touren werden. Für die Sommerreise habe ich fünf Wochen Urlaub ein­ge­plant, obwohl ich noch nicht einmal genau weiß, wohin es geht. Ich werde viele tausend Kilometer auf meiner Enduro fahren, werde Grenzen überschreiten, Neues bestaunen, nette Menschen kennenlernen und abends vorm Zelt die besten Steaks braten, die ich auftreiben kann. Noch bin ich jung und alles ist möglich. Wenn ich erstmal dreißig bin...

Fazit: 2012 soll ein fulminantes Jahr werden und ich bin schon heute gespannt, ob ich alle Ziele erreichen kann. 

Außerdem hat Claudie für nächstes Jahr eine sagenhafte Über­raschung angekündigt, die mich beinahe umgehauen hat, als ich davon gehört habe. Nur soviel: Es ist nichts Kleines, nichts Selbstgebasteltes und man bräuchte mehr als eine Rolle Geschenkpapier, um es einzuwickeln. Doch das ist Thema für einen anderen Tag. Frohes Neues Jahr, ihr Lieben.

PS: Es hat Irritationen gegeben wegen der "Menschen, die mir nicht gut tun". Es ist keiner meiner Blogleser gemeint. Weder aktuelle, noch frühere...

Montag, 26. Dezember 2011

Svenjas Jahresrückblick


Ohne dass ich es bemerkt habe, sind schon lange Ruhe und Normalität in meinen Alltag ein­ge­kehrt. Ich führe ein ziemlich durch­schnitt­liches, aber sehr ausge­gli­chenes und glück­liches Leben. Ich mache meinen Dienst, genieße die Wochen­enden und bin gut zu mir selbst.

Februar
Ich verbringe eine Woche beim BKA in Wies­baden, lerne einige neue Kollegen kennen und kann es kaum glauben, nicht schon immer als KHK'in Svenja meinen Dienst versehen zu haben.

März
Aus heiterem Himmel überrascht mich eine schlimme depressive Verstimmung. Mein Haus­arzt überweist mich zum Therapeuten, aber ich entscheide mich dagegen und suche allein den Weg zurück ans Licht. Ich brauche einige Wochen bis ich diese merkwürdige Depression überwunden habe, aber letztlich schaffe ich es aus eigener Kraft, wieder gesund  zu werden. Meine Güte, was war das denn?

April
Es geht mir wieder gut. Ein Motor­rad­magazin veröffentlicht einen Artikel über mich, bzw. über meine Website Svendura.de. Ich freue mich so sehr, dass ich jeden Moment vor Stolz zu platzen drohe.
Mai
Mit meiner kleinen Motorradclique verbringe ich ein aufregendes Wochenende auf der dänischen Insel Rømø, wo wir uns mit unseren Enduros am Strand austoben und gemeinsam eine tolle Zeit verbringen.



Juni
Ich habe fünf Wochen Urlaub und fahre mit Pieps zusammen auf dem Motorrad mit Zelt und Schlafsack nach Schottland. Es wird die wunderbare Reise meines Lebens und ich schreibe einen sehr langen und tief empfundenen Reisebericht darüber.

Juli und August
Ich arbeite viel und sitze nach Feierabend meistens auf meinem großen Balkon, wo ich auf dem Elektrogrill kiloweise Steaks atomisiere. Nebenbei arbeite ich zusammen mit Claudia an dem Bericht über meine Schottlandreise.



September 
Mit einem Motorradkumpel fahre ich zum Saisonabschluss für eine Woche mit der Enduro nach Schweden. Die dritte Motorradreise in diesem Jahr.



Oktober
Meine Freundin Claudia feiert ihren 70. Geburtstag und es wird eine ziemlich abgefahrene Partynacht.







November
Ein Schreiben der Pflegeversicherung gibt den Anstoß dazu, endlich meinen Personenstand ändern zu lassen. Die kleine Formalie ist schnell erledigt.

Dezember
Das fünfte Jahr ohne Fernseher und allmählich geht mir der Platz für weitere Bücher aus. Svenja denkt praktisch und kauft ein Amazon Kindle.
Weihnachten feiere ich ein fulminantes Fest in fröhlicher Stimmung mit bestem Essen und bekomme einige wunderschöne Geschenke.








Fazit: Ich habe alle Ziele erreicht, die ich mir für dieses Jahr gesteckt hatte. Außerdem bin ich gesund und schlank geblieben, ernähre mich gut, verzichte weitgehend auf Alkohol und schlafe so gut wie schon immer. Dafür bin ich dankbar und glücklich. Es ging mir nie besser als heute. 2011 war ein gutes Jahr.

Sonntag, 18. Dezember 2011

Der größte Fan, den Weihnachten je hatte

Freitagmorgen halb sechs und der Radiowecker spielt Wonderful Dream, mein absolutes Lieblings Weihnachtslied.

In bester Laune wühle ich mich aus den Federn und gähne ins Bad. Im Vorbeischweben drehe ich das Radio voll auf, damit ich unter der Dusche weiterhören kann. 

Noch etwas verschlafen springe ich unter die viel zu heiße Brause und verwandele mein Bad in kürzester Zeit in eine Dampfsauna  aus beschla­genen Spiegeln, Musik und guter Laune.

Meine Güte, bin ich gut drauf. So früh am Morgen gehe ich mir damit manchmal selbst auf den Wecker. Ich trockne mich ab, stelle mich kurz auf die Waage und überlege schon, was ich heute anziehen soll. Kurzes Kleid, oder extrem kurzes? Overknees oder Overknees?

Übermorgen ist der vierte Advent und so fröhlich wie in diesem Jahr ist die Weihnachtszeit schon lange nicht mehr gewesen. Im siebenten Jahr ohne Familie habe ich Weihnachten endlich wiederentdeckt, besinnlich, feierlich, fröhlich und so gut gelaunt, wie man nur sein kann.

Den Heiligabend werde ich zuhause mit Claudia verbringen. Ich brate uns eine leckere Knusperente mit Rotkohl und habe auch schon eine besonders edele Flasche Rotwein dazu besorgt. (Für den Preis muss sie jedenfalls edel sein. Ich habe nicht gewusst, dass man mehr als 3 € für eine Flasche Wein ausgeben kann.)

Für den ersten Weihnachtstag habe ich einen Tisch im Ratskeller bestellt, wo ich mir die große Dammwildplatte vornehmen werde und dazu den besten Wein bestelle, den der Ratskeller zu bieten hat. Danach geht es auf die Piste.

Den zweiten Feiertag brauche ich zum Erholen. Ich werde mein langes, rotes Kuschel Nachthemd gar nicht erst ausziehen und es mir zuhause so richtig gemütlich machen. Den ganzen Tag über wird die dicke, rote Weihnachtskerze brennen und iTunes eine endlose Playlist klassischer Weihnachtslieder spielen, bis die Besinnlichkeit mir fast aus den Ohren kommt. Dazu werde ich computern, vielleicht etwas bloggen, mir nebenbei eine halbe Ente braten und nichts tun, außer den ganzen Tag in meinem Ohrensessel zu lümmeln und auf dem neuen Kindle zu lesen.

Fazit: Ich liebe Weihnachten. Es ist ein schönes Fest, ein fröhliches Fest, ein bittersüßes Fest und endlich sage ich wieder aus vollem Herzen: "Der größte Fan, den Weihnachten jemals hatte, das bin ich." 

Fröhliche Weihnachten, ihr Lieben.

Montag, 5. Dezember 2011

Svenja unboxing the Kindle

"Guten Tag, Svenja, wir freuen uns, dass Sie sich für den Kindle entschieden haben.", steht auf dem Display meines neuen Amazon Kindle. Der kennt mich schon und dabei habe ich noch gar nichts gemacht. Oh, ich liebe es, ein neues Spielzeug auszu­packen. Ganz darüber hinweg bin ich wohl doch noch nicht.

Sofort fällt mir der hochwertige Eindruck auf, den das Gerät auf mich macht. Es fasst sich sehr gut an, irgendwie warm und nicht zu glatt und kein bisschen nach Billigplastik.

Nach dem Einschalten ist das Display sofort da. Wow, der Kindle reagiert sehr schnell auf meine Eingaben. In einem einfachen Dialog richte ich das Gerät ein. Es fragt nach meiner WiFi Verbindung und ich muss mit der Bildschirm­tastatur den WPA Key eingeben.

Das Eingeben des Schlüssels ist total einfach, denn die Bildschirmtastatur lässt sich mit dem Cursorkreuz sehr gut bedienen. Das ist zwar zuerst ein wenig umständlich, aber wer so oft wie ich in der Spielhalle seinen Namen bei Space Invaders in die High Score Liste eingegeben hat, der bewältigt das im Schlaf. Dabei fällt immer wieder auf, wie nimble and quick der Kindle reagiert. Das kenne ich von meinem iPod Touch anders. Der reagiert langsamer.

Zwei Sekunden später bin ich bereits online. "Inhalte werden geladen", erscheint auf dem Display. Vor ein paar Tagen habe ich mir bei Amazon nämlich schon zwei Leseproben auf den Kindle schicken lassen, bevor ich ihn überhaupt hatte. Die Biographie von Steve Jobs und das Fantasyepos A Game of Thrones und beide werden jetzt automatisch geladen. Wenige Sekunden später erscheinen die Leseproben bereits auf dem Display. Wow, ist das cool. Whispersync nennt Amazon diese Technik.

Das Display ist unglaublich scharf und steht völlig ruhig. Die Technik nennt sich Electronik Ink, kurz eInk, oder auch Liquid Paper.

Leider gibt mein Schnappschuss den wirklichen Bildeindruck der Anzeige nicht überzeugend wieder, aber das liegt an meinem Foto.

Der wahre Eindruck ist einer gedruckten Buch­seite sehr ähnlich und wie bei einem Buch, braucht man auch für den Kindle genügend Licht zum Lesen, denn das Display ist nicht hinter­leuchtet und deshalb perfekt für die Augen.

Die Bedienung des Kindle ist babyeierleicht, denn die Menüs erklären sich von selbst. Die Bedie­nungs­anleitung liegt kluger­weise gleich auf dem Bildschirm, aber es stand nichts darin, dass ich nicht auch selbst herausgefunden hätte.

Fazit: Bis jetzt bin ich noch in der Test-, Spiel- und Begeisterungsphase, aber der erste Ein­druck meines neuen E-Book Readers ist sogar etwas besser als erhofft. Jetzt muss ich erstmal ein paar hundert Seiten lesen und danach weiß ich, ob ich das Papier gedruckter Bücher vermisse, oder eben nicht. 

Samstag, 3. Dezember 2011

After Work Svenja Style

Jeden Tag derselbe Rhythmus: Auf­stehen, anziehen, zum Dienst, nach Hause, einkaufen, Haus­ar­beit, essen, schlafen und am näch­sten Morgen dasselbe von vorn. Dabei mag ich meine Arbeit und gehe ausge­sprochen gerne zum Dienst, aber manchmal ist mir das allein zu wenig.

Ich könnte zu einer der After Work Partys gehen, auf denen sich moderne Menschen aus Werbung, Beratung und Medien­branche immer wieder donnerstags zum Feiern treffen, nur meistens schlafe ich um diese Zeit schon längst.

Zweimal habe ich es ausprobiert und war einmal sogar naiv genug, bereits um 22 Uhr im Trafo aufzutauchen, wo ich eine geschlagene Stunde allein mit dem Barmann am Tresen saß, bis endlich die anderen Gäste, fröhlich, ausgeruht und perfekt gestylt, aufgetaucht sind.

Heute aber liege ich prima in der Zeit. Es ist erst 16 Uhr, als ich meine Haustür aufschließe, mit etwas Puder das MakeUp ausbessere und sofort wieder losstöckele. So schnell die spitzen Absätze tragen, klackere ich den Knooper Weg hinunter zum Chelsey, wo gleich meine eigene kleine After Work Party stattfindet.

Das Ganze ist wirklich keine große Sache, aber für mich ist es genau so perfekt: Gleich nach dem Dienst treffen wir uns mit zwei, drei Freundinnen, je nachdem wer gerade Zeit hat, und lassen gemeinsam den Arbeitstag hinter uns. Es wird geredet, gelacht und erzählt, wir trinken etwas Wein oder Kaffee und ich esse jedes Mal einen dieser leckeren Tramezzinis mit Thunfisch, die Eddy so unvergleichlich gut hinbekommt.

Fazit: Wenn ich gegen 20 Uhr von meiner kleinen After Work Party nach Hause komme, dann bin ich total ausgeglichen und zufrieden. Ich kicke die Pumps von den Füßen, ziehe meinen Nickianzug an und habe das gute Gefühl, dass ich etwas von meinem Tag hatte und heute nicht nur für die Arbeit gelebt habe. Mich zu unterhalten, gemeinsam etwas zu trinken, zu lachen und einfach eine gute Zeit zu haben, das ist After Work Svenja Style :-)

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Svenja bestellt ein Amazon Kindle

Ich mag Bücher und das nicht nur wegen ihres Inhalts. Sie riechen gut, fassen sich gut an und man kann sie prima in der Wohnung herumliegen lassen, um Besucher mit seinem Literaturverständnis zu beeindrucken. Wo bei anderen nur die HörZu liegt, habe ich neben mei­nem Ohrensessel sorgfältig den neuen John Sinclair  drapiert.

Beim Kauf eines eBook Readers geht es aber weniger um die Entscheidung für ein Gerät, sondern darum, sich für eine der beiden eBook-Welten zu entscheiden, für Amazon, oder für den Rest der Welt. Der Kindle ist an das Bücher­an­gebot von Amazon gebunden, während die übrigen Geräte aus verschiedenen Quellen mit Lesestoff gefüttert werden können. So gesehen klingt es unlogisch, sich den Kindle zu kaufen.

Dennoch fiel mir die Entscheidung für Amazon leicht, und das nicht nur, weil ich dort schon seit 1998 einkaufe und in dieser Zeit kein einziges Mal entäuscht worden bin, sondern auch aus ganz handfesten Gründen.

Große Auswahl
Die Auswahl an eBooks kann Ende 2011 noch nicht mit dem Angebot gedruckter Bücher mithalten, aber sie holt atemberaubend schnell auf und die Verfügbarkeit englischer und deutscher Bücher erscheint mir bei Amazon am größten und am besten sortiert zu sein.

Kostenlose Leseproben
Ich bin nur zwei Mausklicks und fünf Sekunden entfernt von einer kostenlosen Leseprobe auf meinem Kindle. Das ist sowas von kewl. Ich entdecke ein Buch, betrachte das Cover, lese die Inhaltsangabe und vertiefe mich in die Rezensionen. Falls ich jetzt noch unsicher bin, klicke ich auf Jetzt Leseprobe schicken. Das kann ich entweder direkt auf dem Kindle machen, oder an einem beliebigen Computer. Wenige Sekunden später habe ich das erste Kapitel auf meinem Kindle.

Rezensionen
Bei Amazon kann jeder Kunde Kritiken schreiben und die sind nicht nur sehr hilfreich, sondern haben oft auch einen hohen Unterhaltungswert. Ich selbst habe vom Jeansmini bis zum Raquelettegrill schon alles mögliche besprochen. Obwohl ich manchmal erstaunt bin, nach welchen Kriterien einige Rezensenten ihre Bewertungen vergeben. (Wie kann ein Buch zuviel Blut, zuviele Monster und zuwenig Handlung haben? Und wie kann jemand von "tief empfunden, anspruchsvoller Erzählweise und moderner Romantik" schreiben und trotzdem fünf Sterne vergeben?)

Rückgabe
Sollte ich beim Kauf doch einmal daneben gegriffen haben, kann ich das Buch innerhalb einer Woche zurückgeben. Amazon entfernt das Buch aus meiner Bibliothek, löscht es vom Kindle und erstattet mir den Kaufpreis. Ich glaube zwar nicht, dass ich das jemals nutzen werde, aber es gibt mir zusätzliche Sicherheit beim Bestellen teurer Bücher.

Zahlung per Lastschrift
Um ein Haar hätte ich mir den neuen Kobo Touch zugelegt und dann auch meine Bücher bei Kobo gekauft, aber eines der Gegenargumente war die ausschließliche Zahlung per Kreditkarte oder Paypal (megaätz!). Amazon hingegen zieht das Geld von meinem Girokonto ein, nachdem die Ware versendet wurde.

Der Kindle
Ich habe mich mit dem 99 € Kindle für das kleinste und günstigste Modell mit eInk Display entschieden. Das kleine Gerät wiegt nur 170 g und ist 114 mm breit. Den werde ich zum Lesen sicher leicht in einer Hand halten können, wie ich es so gerne tue. Das hervorragende eInk Display ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und steht dem Eindruck von Druckfarbe auf Papier kaum nach.

Fazit: Ich werde dem eBook eine echte Chance einräumen und bin schon sehr gespannt darauf, wie sich das Leseerlebnis auf lange Sicht vom Lesen eines gedruckten Buches unterscheidet. Dennoch soll mich der Kindle nicht ganz davon abhalten, auch künftig einige Bücher aus Papier zu kaufen.

Vergangene Weihnachten habe ich mir einen echten Skeppshult geschenkt und in diesem Jahr habe ich mir ein Amazon Kindle bestellt. Seit ich keinen Fernseher mehr habe, ist das Lesen wieder sehr wichtig für mich und es vergeht kein Monat, in dem ich nicht einige Bücher kaufe. Inzwischen sind Buchhandlungen für mich so gefährlich wie Schuhgeschäfte: Wenn ich erstmal drin bin, wirds teuer...

Sonntag, 27. November 2011

Svenja im Wirtshaus

Wir stehen draußen vorm Wirtshaus und mir ist kalt. Wir haben zwei Plätze für das große Brunchbuffet gebucht und ich will endlich rein, aber Claudia muss noch etwas loswerden: "Hör zu, Tinky Winky, du weißt doch noch, wie wir uns am Buffet beneh­men, oder?", fragt sie mich und guckt schon jetzt irgendwie total miss­bil­ligend, obwohl ich noch gar nichts gemacht habe. Schließlich stehen wir ja noch draußen.

Ich weiß, was Claudia hören will und ohne jede Betonung leiere ich hastig meinen Text herunter: "Wir dürfen soviel essen, wie wir wollen und wir könn' immer wieder nach­nehmen. Und des­halb brauch ich auch meinen Teller nicht so vollzuhäufen, dass mir der Krab­bensalat wieder auf die Stie­fel tropft.", verdrehe ich die Augen.

Und es bedeutet auch nicht," setzt Claudia unbeirrt ihren Vortrag fort, "dass du dich so maßlos mit Aufschnitt, Bra­ten, Fisch und Krabben voll­stop­fen musst, wie damals im Chagall und du nachher wieder jammerst: Mir ist so schlecht, ich muss raus, ich will nachhause.", äfft sie albern meine Stimme nach.

Oh, wie ich das hasse, wenn Leute Stimmen nachmachen, um einen möglichst blöd aussehen zu lassen, dabei hatte ich im Chagall nur eine gastritische Verstimmung, weil ich in der Woche vorher immer soviel gearbeitet habe. Aber Claudia ist noch nicht fertig: "Und es ist auch NICHT so, dass alles verloren ist, was du nicht mehr in dich hineinstopfen kannst.", fährt Claudia in ihrem Spießer­vortrag fort, den ich bestimmt schon tausendmal gehört habe. "Und es ist dem Gastwirt gegenüber sehr unhöflich, wenn du nur bergeweise Roastbeef, Braten, Lachs und Krabben auf den Teller häufst und überhaupt kein Brot nimmst."

"Ich hatte WOHL Brot genommen letztes Mal.", gebe ich entrüstet zurück. "Ich wusste ja nur nicht, dass man das mitessen soll. Ich dachte, es ist wie auf dem Weihnachtsmarkt, wo wir Champig­nons mit Knob­lauch­sauce in diesen essbaren Scha­len hatten. Die haben wir hinterher ja auch weg­ge­schmissen.", bekomme ich allmählich wieder Oberwasser.

Mit einem Kopfschütteln öffnet Claudia die Tür zum Wirtshaus und wir dürfen endlich reingehen. Am Ende kann ich sie eben doch immer überzeugen.

Eine Kellnerin im feschen Dirndl weist uns einen prima Platz oben auf der Gallerie zu und schenkt uns gleich die ersten Becher Kaffee ein.

Von hier oben habe ich das Buffet genau im Blick und sehe sofort, wenn etwas Neues hingestellt wird. Ich bin nämlich ein totaler Gastronomieprofi mit Schwerpunkt auf Buffets und weiß natürlich ganz genau, wie man sich da benimmt und worauf es ankommt.


Die Amateure erkennt man von hier oben sofort, weil sie schon zu Anfang gleich Fleischsalat und Mettwurst nehmen. Und jede Menge Brot natürlich. Dabei ist das Billigzeug immer bis zuletzt da, aber bei Krabben und Roastbeef machen sie später eine lange Nase. Amateure, denke ich und fülle mir den Teller bis zum Rand mit Roastbeef. Obenauf lege ich eine winzige Scheibe Brot, damit es für den Gastwirt höflich aussieht und damit Claudia nicht gleich wieder rumzetert.

Und natürlich möchte man gerne auch den Preis fürs Buffet wieder reinholen und da liege ich schon nach dem ersten Teller Bratenaufschnitt ganz gut im Rennen.

Die 14,90 € für den Groupon dürfte ich auch ohne die drei Becher Kaffee und den Orangensaft längst wieder drin haben. Wir sind also auf jeden Fall schon auf der sicheren Seite.

Puh, bin ich satt. Ich kann gleich nicht mehr. Aus­ge­rechnet jetzt kommen noch einmal zwei frische Schwei­ne­braten heiß aus der Küche und der Haufen mit dem Roastbeef wird auch nicht kleiner.

Und die Fischplatte, was ist mit der Fischplatte? Davon hatte ich fast noch gar nichts. Ich könnte heulen, das ist doch alles bezahlt, das kann man doch nicht hierlassen. Einmal muss ich noch gehen. Ich werde dazu einen meiner geheimen Profitricks anwenden und mir einen Linie Aquavit zur Verdauung und ein Glas Wein zum Zeitschinden bestellen. Daran halte ich mich solange fest, bis ich wieder Hunger kriege. Obwohl mir gerade ein bisschen komisch zumute wird: "Claudie, können wir jetzt bitte nach Hause gehen? Mir ist nicht so gut. Ich muss an die frische Luft. Ich glaub, ich krieg wieder eine Verstimmung."

Fazit: Das Wirtshaus in Kiel begeistert mich. So gut hatte ich es mir nicht vorgestellt. Man sitzt gemütlich auf zwei Etagen und hat von der Galerie einen tollen Blick hinunter ins Lokal und auf das Buffet. Es sind viele bestens geschulte Kellnerinnen in bayrischer Tracht unterwegs, die endlos Kaffee, Tee und Orangensaft nachfüllen und überhaupt sehr aufmerksam und freundlich sind. 

Sonntags gibt es ein sagenhaft gutes Brunchbuffet mit einer großen Auswahl warmer und kalter Speisen von erstaunlicher Qualität und Frische. Die warmen Gerichte werden von einem Koch in weißer Mütze vorgelegt, der die ganze Zeit hinter dem Buffet steht und auch Sonderwünsche erfüllt: "Kann ich bitte eine dicke Scheibe Schweinebraten haben? Nein, nicht die. Die andere. Die da vorne mit dem dicken Fettrand."

Donnerstag, 24. November 2011

Die Personenstandsänderung

"Ich leb' jetzt ja sechs Jahre länger.", platze ich unvermittelt in die Stille hinein. 

Claudia lässt ihr Sudoku sinken und sieht mich fragend an: "Wie kommst du denn darauf?"
"Nur so.", erwidere ich schnippisch. Mit einem Kopfschütteln wendet sie sich wieder ihrem Sudoku zu.

"Und ich könnte einen Mann heiraten.", spiele ich weiter die Geheimnisvolle. "Komplett mit alles: Hochzeitsmarsch, Kirche, weißes Kleid, Eheberatung, Scheidung und fette Alimente. Und den Hund und das Haus behalte diesmal ich!"

"Sag mal, hast du Tabletten genommen?"
"Nein, wieso?"
"Solltest du vielleicht.", murmelt Claudia und glotzt wieder auf ihr langweiliges Sudoku.

Jetzt halte ich es nicht mehr länger aus. Ich ziehe den gelben Briefumschlag vom Gericht hervor und wedele damit aufgeregt vor ihrer Nase herum: "Ich bin endlich eine Frau!", platzt es aufgeregt aus mir heraus.

"Die Personenstandsänderung ist durch? Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe. Ich freue mich für dich, aber du warst doch schon immer eine Frau."
"Ja schon, aber nicht so. Jetzt hab ich endlich die totale Gleichberechtigung. Also auch juristisch und so."
"Und so?", fragt Claudia und zieht dabei das "o" fragend in die Länge, obwohl sie genau weiß, dass ich diese Oberlehrermasche absolut nicht leiden kann. "Was soll sich denn noch ändern, außer einigen rechtlichen Aspekten bei der Eheschließung?", hakt sie weiter kritisch nach.
"Na alles eben." erwidere ich aufgebracht und bin erschüttert, wie wenig Claudia in rechtlichen Dingen bewandert ist. "Also, na zum Beispiel, diese ganzen Sachen eben... Einfach ALLES. Das ist total kompliziertes Juristenzeug, das würdest du sowieso nicht verstehen."

"Nein,", sagt Claudia. "Das würde ich wohl nicht."


Und dann nach einer kurzen Pause: "Hör mal, Tinky Winky, das ist wirklich eine schöne Sache mit deiner Personenstandsänderung und ich freue mich von Herzen für dich, aber damit ändert sich sonst gar nichts. Rechtlich haben wir die Gleichstellung mit den Männern doch längst erreicht. Du darfst wählen, Hosen tragen und in manchen Landkreisen sogar Auto fahren. Allerdings  musst du inzwischen auch genauso lange arbeiten wie ein Mann." 

Hosen tragen, Auto fahren. Einer von Claudias typischen Gabelwitzen, wo man sich erst mit der Gabel unterm Arm kratzen muss, damit man lachen kann. "Warum sollte ich denn Hosen tragen? Und arbeiten? Ich bin doch Beamtin.", zahle ich es ihr in gleicher Münze zurück.

"Ach, hör auf mit dem Unsinn. Du weißt doch genau, was ich meine. Tatsächlich ändert sich damit nur sehr wenig. Soweit ich weiß, ist hauptsächlich die Eheschließung davon betroffen: Vorher konntest du eine Frau heiraten, oder mit einem Mann die Lebenspartnerschaft eingehen und jetzt ist es umgekehrt. 

Das Einzige, wo es sich wirklich bezahlt macht, ist bei deiner Autoversicherung. Frauen verursachen weniger Unfälle und zahlen deshalb weniger Haftpflicht. Sie fahren eben besser Auto."

"Frauen fahren besser Auto?", setze ich mit Entrüstung in der Stimme zu meinem alten Standardvortrag an, bis mir gerade rechtzeitig noch einfällt, dass ich ja jetzt für die andere Seite fahre: "Ja, genau, weiß doch jeder.", stimme ich ihr eilig zu. "Ich saß neulich in einem Dienstwagen, den hatte vorher ein Mann gefahren und weißt du, worauf der Innenspiegel eingestellt war? Na? Auf die Heckscheibe. Männer..."

Claudia schüttelt den Kopf und wendet sich endgültig wieder ihrem Zahlenrätsel zu. Sie ist echt meine allerbeste Freundin, aber eine tiefgründige Diskussion über anspruchsvolle Themen kann man mit ihr nicht führen.

Fazit: Ich freue mich sehr über die Personenstandsänderung, denn sie ist ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Tatsächlich aber ändert sich dadurch wenig für mich, denn in Deutschland sind die rechtlichen Konsequenzen gering. Allenfalls beim Strafantritt ist es noch entscheidend dafür, ob man in den Frauen- oder Männerknast kommt.

In einem Land wie Saudi Arabien hingegen, wären die Rechtsfolgen gravierend: Ich dürfte nicht mehr Auto fahren und meine Zeugenaussage wäre vor Gericht nur noch halb soviel wert, wie die eines Mannes. Nein, ich denke, wir haben großes Glück, in einem freien Land wie Deutschland zu leben, wo wir nur ein wenig an unserem Passing zu arbeiten brauchen, um glücklich unser Leben als Frau führen zu können. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, genau das zu tun.

Dienstag, 22. November 2011

Wo ist mein Nivea?

Habe ich heute Tomaten auf den Augen? Ich stehe vor dem NIVEA Regal und kann mein Mascara nicht finden. Lash Revolution in der blauen Packung. Das kaufe ich immer, weil es diese abgewinkelte Bürste hat, mit der ich mir endlich nicht mehr die Nasenspitze bemale. 

Und eine neue Flasche Make Up brauche ich auch. Mein Stay Real ist zwar noch halb voll, aber ich habe gerne einen Vorrat im Haus. Man weiß ja nie, wann die nächste Latina Minirockparty losgeht und wenn dann gerade das Make Up alle ist...

Dafür scheint NIVEA jetzt eine neue Produktlinie zu haben: Astor. Komischer Name, ich kenne nur die Zigarettenmarke, weil meine Tante die raucht.

Eine Verkäuferin klärt mich auf: "Nivea gibts nicht mehr. Also, gibt es schon noch, aber die machen keine Kosmetik mehr. Nur noch Cremes. Aber Astor hat auch sehr schöne Kosmetik."

Eine Recherche im Internet bestätigt die Aussage der jungen Verkäuferin. Nivea trennt sich von jedem fünften Produkt und die dekorative Kosmetik wird sogar komplett eingestampt. Dabei wurde Nivea Beauté erst 1998 mit großen Erwartungen aus der Taufe gehoben.

Ich bin entäuscht. Nivea hatte wunderbares MakeUp, ausgezeichnete Kajalstifte und meinen Lieblings Wimpernroller, den Lash Revolution. Und eine kleine Armada zweifarbiger Lidschatten steht auch in meinem Schrank. An mir hat es also nicht gelegen, wenn mit Nivea Beauté kein Geld verdient wurde.

NIVEA Creme? Ich liebe die typische blaue Dose mit der wunderbaren Creme, die so aromatisch riecht. Aber ob die davon leben können? Mit einer Dose NIVEA Creme komme ich jahrelang aus, aber Kosmetik habe ich laufend nachgekauft und auch jedes neue MakeUp getestet und probeweise mindestens einmal gekauft. 

Als Kundin bin ich sauer und weiß nicht einmal auf wen. Auf eine Marke? Auf den Konzern Beiersdorf? Nein, ich bin entäuscht und fühle mich als Kundin fallen gelassen. Dabei hat NIVEA sonst einen erstklassigen Kundendienst. Ich habe einmal einen Verbesserungsvorschlag für die Verpackung des Stay Real Make Up eingebracht und der ist tatsächlich umgesetzt worden.

Fazit: Mein leckeres Duschgel, Cashmere Moments, werde ich auch weiterhin kaufen und ebenso die tolle Handwaschseife, die im Januarheft von TEST gewonnen hat, aber ansonsten ist NIVEA für mich Geschichte.

Samstag, 19. November 2011

Aufgelegt

Das Telefon klingelt: "Guten Tag, hier spricht Gaby Röster. Ich rufe an im Auftrag der Energie­bera­tung Nord. Ich möchte..." 

Norma­ler­weise lege ich an dieser Stelle wortlos auf, aber nicht heute: "Oh, wie schön, dass sie wieder anrufen. Beim letzten Mal sind wir ja leider unter­brochen worden (weil ich wütend auf­gelegt habe). Ich brauche nämlich noch ein paar Informationen."

"Welche Informationen brauchen Sie?" Gaby wittert Morgenluft. Ein Abschluss rückt in greifbare Nähe.
"Nur ein paar allgemeine Angaben. Also für welches Unternehmen Sie genau anrufen und ob sie eine Natürliche Person sind."
"Eine natürliche Person?"
 "Ja, keine Ahnung, was das soll. Alles verstehe ich auch nicht, was man hier ausfüllen soll."
 "Was ausfüllen?"
 "Na, dieses Formular von der Bundesnetzagentur. Das, womit man diese blöden Werbeanrufe anzeigen kann. Ach ja, und ich soll noch fragen, ob..."
 
klick
 
"Hallo, Frau Röster? Gaby...?!", aber Frau Röster hat aufgelegt, Ich halte das Telefon auf Armeslänge von mir und zeige ihm den Mittelfinger. Jahrelang haben diese ätzenden Werbeanrufer mich genervt, aber ab heute schlägt Svenja-and-the-City, der Blog für den rebellischen Leser, zurück, und das geht so:

Man klickt auf die Seite der Bundesnetzagentur und lädt sich dieses Anzeigeformular herunter. Am Bildschirm ausfüllen, drucken und unterschrieben an die Bundesnetzagentur schicken. Das Formular ist voradressiert und passt perfekt in einen Fensterumschlag. Fünf Minuten Arbeit, aber eine große Genugtuung für meine kleine Seele.

Fazit: Werbeanrufe nerven, aber man kann etwas dagegen tun. Sogenannte ColdCalls, das sind Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung, sind nämlich verboten und werden mit Geldbußen bis zu 50.000 EUR geahndet. Und wenn ich mithelfen kann, auch nur einem einzigen dieser widerwärtigen CallCenter Parasiten das Handwerk zu legen, dann bin ich dabei.


Sonntag, 30. Oktober 2011

Claudia wird 70

Eine wunderschöne, violette Orchideen­blüte liegt oben auf meinem Salat. "Die ist essbar.", versichert mir der Ober, während er die gebratenen Jacobs­muscheln serviert. Meine Güte, ist das nobel hier.

Heute ist Claudias 70. Geburtstag und sie hat Pieps und mich ins Kieler Schloss eingeladen. 

70? Wenn ich Claudie so ansehe, wie sie mir gegenübersitzt und mit fröhlichem Gesicht und großen, neugierigen Augen die Jacobsmuschel in sich reinmampft, dann kann ich es kaum fassen, dass meine beste Freundin heute 70 wird. Heute werden wir einmal wieder richtig auf den Kaktus hauen, schließlich soll man seine jungen Jahre nutzen.


Als Claudia dem freundlichen Ober vorschlägt, ein paar Fotos von uns zu machen, ist er von der Idee mindestens ebenso begeistert wie wir. Während Claudia ihm die Bedienung der Kamera erklärt, ziehe ich unauffällig mein Kleid ein paar Zentimeter höher. Schließlich sind wir im Schloss und da sollte eine Frau sich von ihrer besten Seite zu zeigen.


Elegant schreiten wir über den dicken roten Teppich, der aber leider nur in die Tiefgarage unter dem Schloss führt, wo Claudias Auto steht. Minuten später zirkelt sie den Twingo geschickt in eine kleine Parklücke direkt vor dem Birdcage.

Aber was ist das? Nur eine Handvoll Schwuler sitzt mit muffigem Blick am Tresen, während auf den Fensterplätzen gelbe Zettel liegen, auf die jemand mit Kugelschreiber "reserviert" geschrieben hat. Ich frage Micha, den Wirt vom Birdy, was denn los sei. Er berichtet uns, dass die Tische für einen Junggesellinnenabschied reserviert sind.

"Yeah!", sagen Claudie und ich fast unisono, denn wir erinnern uns noch sehr gerne an unsere letzte Bachelorette Party. Und jetzt begreifen wir auch, weshalb die Typen am Tresen so muffig aus der Wäsche schauen.

Ich sitze noch an meinem ersten Glas Wein, als plötzlich die Tür aufgerissen wird und ein halbes Dutzend wirklich heißer Girls hereinkommen. Es sind junge Russinen, die als slutty Pirates verkleidet sind und mit der zukünftigen Braut den Abschied aus dem Junggesellinnenleben feiern wollen.

Die Mädchen haben ganz offensichtlich keine Ahnung, wo sie gelandet sind und machen sich mit Begeisterung über drei Jungschwuppen her, die bis dahin still in einer Ecke saßen.

Sie haben zwar mit Girls absolut nichts am Hut, aber für lustige Menschen, Spaß und Tanzen sind sie immer zu haben und machen engagiert mit.

Die älteren Schwulen verziehen dagegen keine Mine und starren weiterhin unbeteiligt und etwas entnervt in ihre Biergläser.

Die Russinen wissen, wie man feiert und wie man trinkt. In kürzester Zeit verwandelt sich das Birdy in einen Hexenkessel aus Discomusik, tanzenden Girls, Heten und Schwuppen, während fortwährend große Tabletts mit Xuxu herumgereicht werden, einem Teufelszeug aus Erdbeer und Vodka, von dem bekannt ist, dass es rauf ebensogut schmeckt wie runter. Ich schaffe es erfolgreich, mir das Zeug vom Leib zu halten und komme mit einem einzigen Shooter davon, während Claudia ohnehin nur Kaffee trinkt, weil sie noch fahren muss.

Auf dem Höhepunkt der Stimmung, als die zukünftige Braut sich in ihrem slutty Pirate Outfit auf die Bar setzt, während der Typ neben ihr nur gequält in die andere Richtung sieht, öffnet sich die Tür und eine zweite, überwiegend blonde, Bachelorette Party schneit herein.

Der Erste, den die Mädchen wahrnehme ist eine von den Jungschwuppen, die mit nacktem Oberkörper tanzt und alles tut, um ihren Waschbrettbauch zur Geltung zu bringen. Die Mädchen sind begeistert und die Braut, die eine pinkfarbene Perücke trägt, winkt den Rest ihrer Braut Zwerge hinein.

Inzwischen ist es brechend voll im Birdy und tanzen kann man nur noch, indem man im Stehen mit den Hüften wackelt, oder wie die russischen Mädchen auf Stühlen und Tischen tanzt.

In dem Moment, als Ruslana mich fragt: "Titten lecken?", weiß ich, dass es Zeit ist, zu gehen. Mit einem lässigen "Später vielleicht, Baby.", vertröste ich sie und bin für einen Moment ganz hingerissen von meiner eigenen Charakterstärke.

Während ich die Mäntel hole, kümmert Claudie sich um die Barrechnung und kurz darauf fahren wir schon weiter durch das nächtliche Kiel. Wir sind uns einig, dass es bis jetzt ein ziemlich gelungener Geburtstag ist.

Wir fahren zu Krauses Gastspiel in die Holtenauer, einer wunderbaren, kleinen Bar direkt neben dem Schauspielhaus, die außerdem für ihre gute Küche bekannt ist. Die ruhige Atmosphäre bei Krause mit leiser Barmusik und sanftem Kerzenschein ist genau das Richige nach dem Hexenkessel im Birdy. Ich trinke noch ein letztes Glas Wein, bevor es Zeit wird, nachhause zu fahren. Als Claudia mich vor meiner Haustür absetzt, bin ich ziemlich erledigt und freue mich auf mein Bett. Welch ein Abend...


Fazit: Ich habe schon an einigen Geburtstagsfeiern zum 70. teilgenommen, aber irgendwie habe ich diese Gerontenpartys ganz anders in Erinnerung, wenn Schwiegereltern, Omis und Patentanten zum Kuchenbuffet geladen hatten. So eine wilde Party, wie zu Claudies Siebzigstem, erlebt man auf vielen Dreißiger Parties nicht. Danke, Claudie, das war eine tolle Party. Mal sehen, was geschieht, wenn wir in ein paar Wochen meinen Fünfzigsten feiern...



Donnerstag, 27. Oktober 2011

Auf dem Weg ins Gericht

Was habe ich nicht alles ändern lassen nachdem aus Sven endlich Svenja gewor­den war? Ein neuer Perso­nal­aus­weis, Führerschein, Krankenver­si­cher­ten­karte, neue Bank- und Kreditkarten, mein Polizei-Dienstausweis, Visiten­kar­ten, Ver­träge, alles gab es neu. Ein tolles Gefühl. Und wie stolz ich jedesmal war, wenn mein schöner neuer Name irgend­wo aufge­taucht ist.

Dieses Glücksgefühl hat sich bis heute nicht abgenützt. Auch sechs Jahre danach freue ich mich noch jeden Tag darüber, endlich als Svenja zu leben und auch so zu heißen. Nur mein Auto, das ist noch immer auf meinen Ex zugelassen. Soll Sven doch meine Knöllchen bezahlen, falls ich mal eines bekommen sollte.

Alles war in bester Ordnung bis neulich dieses Schreiben von der Pflegeversicherung kam. Zur Umstellung meines Tarifes benötigt die LKH eine Kopie der Personen­standsänderung. Ups, so etwas habe ich ja gar nicht. Sollte ich etwas Wichtiges übersehen haben?

Personenstand? Was ist das überhaupt? Das Personen­stands­register wird beim Standesamt geführt und darin wird ein Mensch durch folgende Merkmalen beschrieben: Er hat Vor- und Nachnamen, ist männlich, weiblich, ledig, verheiratet, geschieden oder tot. Dazwischen gibt es nichts.*

Doch ausgerechnet bei der Ausstellung meiner Geburtsurkunde ist es damals mit dem Eintrag "männlich" zu einer ärgerlichen, kleinen Falschbeur­kundung gekommen. Heute, fast 50 Jahre danach, bin ich deshalb auf dem Weg zum Kieler Amtsgericht, um diesen Fehler endlich ausbügeln zu lassen.

Vor zwei Wochen habe ich einen formlosen Antrag auf Personenstandsänderung gestellt und darin knapp auf das Aktenzeichen der Namensänderung verwiesen. Dafür bin ich schon 2006 von Psychiatern, Therapeuten und Gutachtern interviewt und durchleuchtet worden, habe Tests gemacht, Ärzte besucht und alles unternommen was nötig war, um die fehlende Silbe hinter Sven zu bekommen, die immerhin 3.000 € gekostet hat. Wobei mich eine Chantalle-Emanuelle auch nicht mehr gekostet hätte, was vielleicht die Vorliebe vieler Transsexueller für Doppelnamen erklärt.

Die psychiatrischen Gutachten werden verlangt, weil Transsexualität nicht direkt nachweisbar ist und deshalb mit einer Differenzialdiagnose* ausgeschlossen werden soll, dass der Betroffene vielleicht bloß eine Meise hat und deshalb lieber Röcke trägt. (Svenjas Schnelltest zur Erkennung von Transsexualität wird vor Gericht bis heute nicht anerkannt.)

Fazit: Ich freue mich auf die heutige Anhörung und bin gespannt, welche Fragen die Richterin am Kieler Familiengericht mir gleich stellen wird. Vor sechs Jahren war ich schon einmal auf dem Weg zu einer solchen Anhörung, nur dass ich damals noch ganz, ganz anders ausgesehen habe.

* Siehe: Personenstandsgesetz (PStG)
* Differenzialdiagnose: Solange alle anderen möglichen Ursachen ausschließen, bis nur noch eine mögliche Erklärung übrig bleibt. In unserem Fall bedeutet das: Sie fühlt sich dem anderen Geschlecht zugehörig, sie hat sonst keine Meise, also wird sie vermutlich trans sein.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Irgendwie anders vorgestellt...

Eine Frau zu sein, das heißt für mich auch, Miniröcke und schöne Schuhe zu tragen, exo­tische Cocktails zu trinken und absolut jeden Tag den aller­tollsten Spaß zu haben.


Stattdessen stehe ich hier total shice angezogen mit Motorrad­kla­motten in Schweden und muss diesen dämlichen Fußboden feudeln.

Mein männlicher Begleiter ist natürlich ver­hin­dert. Er muss während­dessen irgend­einen mega wichtigen Jungskram erledigen. Zum Beispiel, mit seiner Enduro ein Stück aus dem Rasen vor der Hütte fräsen, oder mich beim Sauber­machen foto­gra­fieren.

Dabei war das mal genau umgekehrt. Es gab eine Zeit, da habe nämlich ICH die total wichtigen Sachen zu tun gehabt, während meine Freundin sich mit Nebensächlichkeiten beschäftigt hat. Während ich an meinem Computer dabei war, die Welt zu retten, wozu ich ein total wichtiges und mega schwieriges Level erreichen musste, hat Madame sich mit irgendwelchen Lächerlichkeiten, wie Waschen, Putzen und Kochen die Zeit vertrieben.

Fazit: Die Welt ist wirklich total unge­recht, wenn man eine Frau ist. Irgendwie hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt, als ich damals rüber­ge­macht habe.  ;-)

Siehe auch: 10 Dinge, die echt klasse sind an meinem neuen Leben.

Und wer wissen möchte, wie es am vierten Tag der Schwedenreise weitergeht, der mag vielleicht auf meine Svendura Seite klicken.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Durch Schwedens Wälder

Tief drücke ich mein Gesicht in die Kapuze des Daunen­schlaf­sacks, kneife trotzig die Augen zusammen und tue so, als ob ich noch fest schlafe. Gerade jetzt ist es im Bett so schön kuschelig, während die Welt da draußen bestimmt nur kalt, nass und total doof ist.


Unauffällig blinzele ich mit einem Auge auf das Display meines Handys und kann es kaum glauben. Es ist gleich acht Uhr und ich habe mehr als elf Stunden lang in absoluter Premium­qualität tief und fest geschlafen.  

Ich ziehe den breiten Reißverschluss meines Schlafsacks auf und für einen kurzen Augen­blick tut es mir um die schöne Bettwärme leid, die im Nu daraus ver­schwun­den ist. Ich steige in die Motorradhose und ziehe Gefrier­beutel als zweites Paar Socken an. Die halten jedem Regen stand, was man von Goretex nicht sagen kann.

Draußen herrscht keine Spur mehr von Welt­untergang und nur die tiefen Pfützen und vor Nässe tropfenden Bäume erinnern noch an das Unwetter der vergangenen Nacht.

Uns hält hier nichts und so brechen wir ohne weitere Trödelei unser Lager ab und fahren langsam den sechs Kilometer langen Waldweg zur Hauptstraße zurück. Es ist noch früh am Morgen als wir unsere Motorräder in Urshult vor "Kalles Restaurang" abstellen. An dem größten Tisch sitzen einige Waldarbeiter beim Früh­stück zusammen und sehen uns neugierig an. Wir nicken einander höflich zu und bestellen bei der Bedienung am Tresen zwei Becher Kaffee. 


Der Kaffee schmeckt erstaunlich gut. Ob im Preis von 1,50 € wohl unbegrenzter Refill ent­halten ist? Mit meinem Becher in der Hand schlendere ich lässig zum Buffet, nehme die schwere Glaskanne und schenke mir wieder bis zum Rand voll. Ich versuche nicht allzu schuld­bewusst auszusehen, als ich ohne zu bezahlen an der Kasse vorbeigehe. Keiner sagt was, also scheint es ok zu sein. Volker und ich wandern noch drei Mal zum Buffet und füllen unsere Becher nach. 

Bevor wir weiterfahren, muss ich dringend die Kette der Green Cow fetten. Die lange Fahrt im Regen und die tiefen Pfützen im Wald haben das Kettenfett fast vollständig abgewaschen und einige Rollen glänzen bereits metallisch silbern.

Volker hat es besser, oder hat er nicht? Seine Tenere hat einen automatischen Kettenöler, der während er Fahrt tröpfchenweise Öl an die Kette gibt, nur leider ist der kleine Öltank inzwischen fast leer und Volker hat keine Reserve dabei.

Bei nächster Gelegenheit will er sich etwas Kettensägenöl und eine Einweg­spritze besorgen, mit der er das System auffüllen kann. Wir machen uns auf die Suche nach einer Apotheke, um eine Spritze zu organisieren.
Unser nächstes Etappenziel ist Växjö, die Provinzhauptstadt der Gegend und mit 60.000 Einwohnern größter Ort weit und breit. Hier gibt es sogar eine ganz normale Tankstelle: Ranfahren, Deckel auf, Rüssel rein, tanken, Deckel zu, reinlatschen, bezahlen, wegfahren. Oh, ich liebe das. Und sogar Volker muss ausnahmsweise mal tanken, auch wenn das Benzin­fass seiner Tenere mit 23 Litern dreimal so groß ist, wie der Adventuretank der KLX. 


Gegenüber der Tankstelle gibt es einen hochmodernen ICA Supermarkt und ich wette, da gibt es die leckersten Entrecotes. Aufsitzen, erster Gang, zweiter Gang, Vorfahrt achten, links, rechts gucken, zweiter Gang Vollgas auf den Parkplatz vom Supermarkt, den Bordstein hoch und direkt vor den Eingang fahren. Ein paar Leute gucken verun­sichert. Sorry, wir sind Endurofahrer und können nicht anders. Ich hab schon auf mein Wheely verzichtet.

Mit einem Einkaufskorb voller Entrecotes, Kotelett, Milchschokolade und Bier stehen wir kurz darauf an der Kasse. 174 Kr steht in roter Leuchtschrift auf dem Kassen­display. Ich nehme einen Hunderter und ein paar Münzen und halte dem jungen Mädchen an der Kasse die Handvoll Geld mit einem Lächeln entgegen. Sie nimmt es nicht an.

Stattdessen sieht sie mich an wie etwas Ekliges, das unter ihrem Schuh klebt und zeigt nur wortlos auf einen Münzschlitz neben dem Laufband. Dort soll ich die Münzen einwerfen. Nur den 100  Kronen Schein nimmt sie huldvoll entgegen. An ihrem Blick kann man ablesen, dass sie Volker und mich gerade für zwei absolute Landeier hält.




Der nächste größere Ort, durch den wir fahren, ist Vetlanda, eine Kleinstadt mit kaum 13.000 Einwohnern, doch nach der Einsamkeit der Wälder erscheint sie uns wie eine Metropole. Am Marktplatz entdeckt Volker im Vorbeifahren eine Apotheke und hält davor an. Hier bekommt er sicher eine Einwegspritze, um damit seinen Kettenöler aufzufüllen.

Als Volker aus der Apotheke kommt, sehe ich sofort an seinem Gesicht, dass er keinen Erfolg hatte. Wie ich später erfahre, hat er es mit der völlig absurden Kettenöler Story versucht, anstatt meinem Rat zu folgen und mit tränenerstickter Stimme von seiner zucker­kranken Oma zu erzählen. Selbst Schuld, die Apothekerin hat sich sogleich hinter einer angeblichen Mindest­ab­nahme von zehn Stück verschanzt, die Volker aber zu teuer waren. 


Unsere nächste Station ist Katthult, wo der Hof von Michel aus Lönneberga steht, den Volker sich unbedingt ansehen möchte. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, meinen Kumpel darüber zu informie­ren, dass es sich bloß um eine Fernsehserie handelt und dass er Michel heute vermutlich gar nicht antreffen wird. Mit kindlicher Freude stiefelt Volker in großen Schritten den Sandweg zum Hof hinunter. Ich bleibe diesmal wohlweislich bei den Enduros zurück. Wenn ich da nicht hin­fahren darf, dann will ich da auch nicht sein.  


 Es ist beinahe 17 Uhr, als wir uns von Katthult aufmachen, um einen Campingplatz für die Nacht zu suchen. Volker sieht hochzu­frieden aus, weil er den Michelhof besucht hat und ich trage denselben Ausdruck, weil ich andauernd an die beiden fetten Entrecotes in meinem Tankrucksack denken muss. 



Wir lassen das Gepäck auf den Motor­rädern und fragen an der Rezeption nach einer Stugå, einer der kleinen Holzhütten, die auf dem Platz vermietet werden. Mit 250 Kronen, ca. 27 €, ist sie erstaun­lich günstig und wir greifen sofort zu.

Dafür gibt es eine süße kleine Hütte mit Etagenbetten, einer winzigen Küchen­zeile, einem Klapptisch mit zwei Stühlen und mit einer überdachten Terrasse.

Während unsere Schlafsäcke noch zum Lüften auf der Leine hängen, sitzen wir bereits auf der Terrasse und werfen die Entrecotes in die Pfanne.

Leider ist das Fleisch genauso zäh und geschmacklos wie gestern. So schmecken doch keine Entrecotes. Ich verstehs nicht: Die kochen hier ausgezeich­neten Kaffee und backen die leckersten Kuchen, aber Rindfleisch, das kriegen sie nicht hin.

Es beginnt zu regnen und im Handstreich erobern Pieps und ich das obere Etagen­bett, wo wir es uns mit unserem neuesten Roman gemüt­lich machen.

Wir sind doch beide so gespannt wie es weitergeht, denn gestern abend hatte der britische Premierminister dem Militär befohlen, einen kompletten Londoner Stadtteil auszuradieren, um das tödliche Virus nicht entkommen zu lassen. Aber natürlich hat Dr. Davenport, oder Mike, wie wir ihn nennen, schon einen genialen Plan, um das zu verhindern.

Nur diese eine Kranken­schwester kommt uns total merkwürdig vor und Pieps und ich trauen ihr beide nicht. Ich muss unbedingt weiterlesen und sag deshalb jetzt schon mal "Gute Nacht"... 



Mittwoch, 12. Oktober 2011

Startschwierigkeiten

Welcher Dödel hat bloß die Klima­anlage ausgestellt? Es ist drückend warm in der engen Kabine als mein Handy uns um kurz nach fünf mit einem schmis­sigen Sound unbarm­her­zig aus dem Tief­schlaf reißt. Ich könnte das Biest an die Wand werfen. 

Während ich noch darüber nachdenke, ob ich überhaupt schon geschlafen habe, steigt Vol­ker bereits frisch geduscht in seine Motor­rad­sachen. Jetzt aber schnell.

Zum Glück hat mein Make­Up die Nacht prima überstanden und ich brauche nur zwei kleine Stellen auszu­bessern, die ich beim Schlafen ins Kissen geschmiert habe.

Das Frühstücksbuffet ist eine Klasse für sich. Für nur 7 € gibt es unbegrenzten Zutritt zum großen FrissDichZuTode Buffet der Trucker. Um uns herum sitzen viele russische Last­wagen­fahrer und nur ein, oder zwei Familien.

Es ist erst 05:45 Uhr und ich habe so früh noch keinen rechten Hunger. Lustlos stelle ich mir einen kleinen bunten Teller aus Rührei, gebratenem Speck, Schweinebraten, Pute und etwas Räucher­fisch zusammen, während Volker sogar Frikadellen auf seine Portion häuft. Manche Menschen sind einfach maßlos... 


Aus irgendwelchen Gründen dürfen Motorradfahrer zwar immer als Erste aufs Schiff, werden dafür aber erst ganz zum Schluss hinter dem letzten rumänischen Schwerlaster an Land gelassen. Ich entdecke eine geniale Abkürzung, aber so eine magere Else lässt bis zum Schluß die Autotür offen, so dass uns dieser Weg versperrt bleibt und wir hinter einem 40-Tonner mit Kenn­zeichen aus Somalia herschleichen. 


Wir haben kaum festen Boden unter den Rädern, als es auch schon zu regnen beginnt. Noch im Hafengebiet von Malmø fahren wir auf eine Statoil Tankstelle, füllen Benzin nach und ziehen unter dem Schutz des großen Daches die Regenkombis an.  

Es ist ein ungewöhnlich schwülwarmer Tag während wir über kleine Neben­straßen in Richtung Ystad fahren. Die Stadt ist auch deshalb so bekannt, weil mein Kollege Kurt Wallander dort seine Unter­suchungen durchführt. 


Wir lassen Ystad rechts liegen und fahren an der Küste weiter nach Kåseberga, wo Volker sich das berühmte Ales Stenar ansehen möchte, das sich am besten als eine Art skandi­na­visches Stonehenge beschreiben lässt.

Als ich auf dem großen Besucherparkplatz das Schild mit den Hinweis "Ales Stenar 700m" entdecke, hätte ich misstrauisch werden sollen, aber jung und naiv, wie ich nun einmal bin, verspreche ich Volker statt­dessen: "Klar komme ich mit."

Wir haben kaum den halben Weg zurückgelegt, als ich meine Entscheidung schon bereue. Unter der Thermowäsche, den dicken Endurosachen mit Goretex und der luft­dichten Regen­kombi schwitze ich wie in einer Sauna. Volker ist inzwischen schon hundert Meter voraus, während ich fluchend wie ein Rohrspatz hinter ihm her stolpere. Wozu hat man überhaupt eine Enduro, wenn man die blöden Sandwege dann doch zu Fuß hochlatschen muss?!

Hätte ich mich bloß an mein Motto gehalten: Wo Svenja nicht hinfahren darf, das besichtigt sie auch nicht. Die Fleischabteilung im Supermarkt mal ausgenommen...



Eine halbe Stunde später stehen wir wieder bei unseren Motorrädern und es regnet. Die Hinkel­steine waren fast ebenso interessant wie der Hadrianswall in England. Eine Attraktion von der man eigentlich nie genug kriegen kann...


Wir fahren weiter in Richtung Hätteboda, wo wir heute abend unser Lager aufschlagen wollen. Vorher aber müssen wir noch unser Abend­essen einkaufen. 

In einem CoOp-Markt in Degeberga kaufe ich, was ich am liebsten mag: Entrecote, Heinz Baked Beanz, Bier und eine Flasche Sauce Bernaise. Ich bin ganz erstaunt, im Laden Entrecotes zu bekommen, denn in Deutschland gibt es sie eher selten und sogar der Preis ist mit 179,90 SEK pro Kilo auch in Ordnung, denn das sind nur 19,70 €/kg.

Je näher wir an unser Ziel kommen, desto stärker regnet es. Die letzten Kilometer nach Hätte­boda fahren wir über eine Schotter­piste durch den Wald. Inzwischen sind wir seit 10 Stunden mit dem Motorrad unterwegs und ich bin frustiert und ziemlich erledigt. Diese Tages­etappe war einfach zu lang für mich.

Meine ganze Aggression stecke ich in meinen Fahrstil und heize den einsamen Waldweg in MotoCross Manier entlang. Auf dem groben Schotter findet das Vorderrad der Green Cow perfekten Halt, so dass ich die Kurven im langgezogenen Drift nehmen kann. Erst als die Pfützen tiefer und tiefer werden, lasse ich die Enduro unter mir wieder langsamer werden. Dies­mal ist es Volker, der weit zurück­ge­blieben ist und damit sind wir wieder quitt... :-)

Bei unserer Ankunft in Hätteboda gießt es in Strömen und uns beiden ist nicht danach, jetzt die Zelte aufzubauen. Aus meinem Tankrucksack hole ich eine Fuet und schneide mit dem Taschenmesser grobe Stücke davon ab, die ich genussvoll in mich hineinmampfe. 

Inzwischen ist eine gute Stunde vergangen und der Regen macht keine Anstalten, nach­zu­lassen. Langsam fahren wir auf unseren Enduros durch den Wald und suchen einen geeig­neten Platz für die Zelte. Auf einer kleinen Anhöhe direkt am Ufer eines Sees entdecken wir einen Platz, der gerade groß genug für unsere beiden Zelte ist. 

Wir stellen die Motorräder ab und machen uns daran, den Waldboden von Tannenzapfen, Zweigen und kleinen Steinen zu befreien. Zum ersten Mal stelle ich mein neues Zelt auf, ein Salewa Denali III, das mein altes Vaude Campo ersetzt, mit dem ich in Schottland leider abgesoffen bin. 

Als ich endlich das Außenzelt überwerfe und mit vier Heringen im Wald­boden fixiere, stehen schon Pfützen im Zelt, weil es in der Zwischen­zeit ungehindert hinein­geregnet hat. Volker leiht mir einen Mikrofaserlappen und ich wische, so gut es eben geht, den Zelt­boden damit trocken, bevor ich meine Therm-a-Rest und den Daunenschlafsack darauf ausbreite. 


Meine Laune ist auf dem Tiefpunkt angelangt und auch die Stimmung zwischen uns beiden ist irgendwie angespannt. Es kommt mir vor, als hätten wir den ganzen Tag noch keine sieben Sätze mit­ein­an­der gesprochen, was natürlich Quatsch ist, aber wir sind auch von völlig unter­schied­lichem Temperament. Volker ist eher ruhig und ausge­glichen, während ich nicht still sein kann und pausenlos irgend­welchen Blödsinn rede. 


Jetzt aber freuen wir beide uns erstmal auf das Highlight des Tages, auf unser Abendessen. Ich bin schon total gespannt, wie schwedische Entrecotes schmecken. Zuerst müssen wir einen halbwegs trockenen Platz zum Kochen finden. Am Fuße eines Felsens finden wir eine Bank, über die jemand ein Tarp gespannt hat. Der Platz reicht gerade aus, um darunter halb­wegs trocken zu sitzen und unsere Küche aufzubauen. 

Die kleine Titanpfanne ist in wenigen Augenblicken glühend heiß und im Nu brutzeln unsere Steaks munter zischend im heißen Fett. In der Zwischenzeit trinken wir einen Schluck Bier aus unseren Metallbechern, aber heute ist sogar das Bier zu kalt. Uns beiden ist eher nach Glühwein zumute. Die Entrecotes sind ok, wenn auch keine Markerschütterer. Das Fleisch ist sehr frisch und nicht genügend abgehangen, wodurch es noch reichlich zäh ist. 


Nach dem letzten Bissen sitzen wir noch kurz beim letzten Schluck Bier zusammen und gehen dann, so gut es eben geht, mit kaltem Wasser das Geschirr spülen. Besonders die fettver­krustete Pfanne ist nicht leicht sauberzukriegen.


Es ist erst kurz nach acht, als wir beide erschöpft in unseren Zelten ver­schwinden. Ich lese noch eine Weile und genieße dabei die wohlige Wärme in meinem Dau­nen­schlaf­sack, während Regen und Wind aufs Zelt peitschen und draußen die Welt unterzu­gehen scheint. Um viertel vor neun knipse ich meine Stirnleuchte aus und bin im Nu fest eingeschlafen.

Fazit: Unser erster Tag in Schweden war ein ziemlicher Reinfall, aber wir sehen beide auch das Gute darin: Von jetzt an kann es nur besser werden. Guter Schlaf und etwas besseres Wetter werden schon reichen, um doch noch eine tolle Reise durch Schweden zu erleben...!?

PS: Eine Langversion mit einigen zusätzlichen Fotos erscheint übermorgen auf der Svendura.de.