Sonntag, 23. November 2008

Sonntagskaffee im Cafe Pursche

Wenn es etwas gibt, das wir T-Girls mit älteren Damen gemeinsam haben, dann ist es unsere Vorliebe für Kaffeehäuser. Wir lieben es einfach, in der ruhigen Atmosphäre eines guten Cafés zu sitzen und mit unseren besten Freundinnen über Gott und die Welt zu tratschen. Und über Schuhe natürlich...

Auf meinen Spaziergängen in der Holtenauer Straße bin ich bis jetzt immer im Cafe Fiedler hängen geblieben. Ein wirklich gutes Café mit tollen Torten. (Hallo Ayten!). Alles ist nagelneu eingerichtet, sehr stylish und modern. Und dennoch: Es muss doch auch eine Kaffeehauswelt geben diesseits von Late Machiato, Vanille Moccacino und anderen Lifestyle Getränken.

Und so stöckele ich an diesem Sonntag gemeinsam mit meiner Freundin Claudia achtlos am Café Fiedler vorbei immer weiter die Holtenauer Straße entlang in Richtung Kiel Wik. Gerade als ich mich frage, ob meine 6 cm Pfennigabsätze das durchhalten werden, taucht die alte Café Konditorei Pursche auf.

Lasst euch bloß nicht vom morbiden Charme der 70er Jahre Architektur abschrecken. Das Café ist ein absoluter Geheimtipp. Vorne im Verkaufsraum der Konditorei suchen wir uns jede ein Stück Torte aus - dafür verzichte ich sogar einen Tag mal auf meinen Doc Atkins - und gehen nach hinten in das eigentliche Café. Und hier ist nun wirklich die Zeit stehen geblieben. Kein bisschen Lifestyle, nichts Modernes, dafür aber der unvergleichliche Charme von Plüsch und Resopal. Einfach klasse. Claudia und ich versinken in einem riesigen Plüschsofa und sind sofort begeistert. Hierher kommen wir öfter! Diese Konditorei muss ich unbedingt auch in meinem Kielführer empfehlen. Hier fühlen sich bestimmt auch "neue" und unsichere T-Girls wohl, ohne Angst haben zu müssen. Die lieben Omis am Nebentisch werden bestimmt keine Hauerei mit euch anfangen. :-)

In der kleinen Speisenkarte finde ich sogar einige Klassiker, die aus modernen Cafés schon lange verschwunden sind. Ein Würstchen mit Butterbrot zum Beispiel. Oder noch besser: die gefüllte Blätterteig Pastete mit Frikassee. Und natürlich ein Kleiner Rüdesheimer Kaffee. Ich bin begeistert. Und Kaffee heißt hier tatsächlich noch Kaffee und jeder weiß, was gemeint ist. Auch wenn jemand mit Kugelschreiber den Late Macchiato als erste exotische Spezialität auf die Karte geschrieben hat.

Fazit: Das Café Pursche ist unbedingt einen Besuch wert und ich hoffe inständig, dass es noch lange genau so erhalten bleibt. Bitte, bitte, bloß nichts ändern!
Außer: wenn ihr Rührei hättet, dann würde ich sogar zum Frühstücken hinkommen, versprochen! :-)


Café Konditorei Pursche
Holtenauer Straße 208
24105 Kiel
Tel. 0431/86245
Tägl. von 9.00 - 18.00 Uhr

Freitag, 14. November 2008

Kieler Schauspielhaus: Des Teufels General

"Sie dürfen hier nicht fotografieren", sagt die ältere Dame auf dem Platz neben mir und sieht mich dabei missbilligend an. "Ich weiß", erwidere ich, "aber wenn jemand kommt, stecke ich Ihnen die Kamera zu und dann wollen wir doch mal sehen, wer hier Ärger bekommt." Da ist sie erstmal sprachlos und es dauert eine ganze Weile, bis sie merkt, dass ich sie auf den Arm genommen habe und wir beide lachen müssen.

Kurz darauf geht auch schon das Licht aus im großen Saal des Kieler Schauspielhauses und ich bin von der ersten Minute an gefesselt. Mit einem genialen Beleuchtertrick werden zu Beginn der Vorstellung die Akteure einzeln vorgestellt. Hinter einem transparenten Vorhang stehend werden sie einzeln angeleuchtet und wie Geister schwebend von einem Sprecher aus dem Off kurz vorgestellt. Ein toller Effekt.

Kurz darauf betritt General Harras zum ersten Mal die Bühne und zieht das Publikum sofort in seinen Bann. Mir wird sofort klar, dass "Des Teufels General" ohne einen guten Harras nicht funktionieren kann." Puh, wir haben Glück. Mit Matthias Unruh hat Kiel einen wirklich erstklassigen Harras zu bieten.

Richtig gut gefällt mir auch Harras' treuer Fahrer, Korianke. Das Faktotum wird gespielt von Zacharias Preen, den ich bislang nur als Wilmersdorfer Witwe aus der Linie 1 kannte und natürlich aus TATORT, oder als Jürgen Weber in Ein Fall für Zwei.

Die weibliche Hauptrolle der Diddo Geiss wird gespielt von Jennifer Böhm, die schon in Linie 1 die Hauptrolle gespielt hat. Für meinen laienhaften Theaterverstand spielt sie die Rolle ohne Fehler. Doch irgendwie bleibt mir von ihr weniger in Erinnerung, als von den anderen Darstellern. Das mag aber auch an der Rolle des schüchternen Mädchens Diddo Geiss liegen.

Foto gelöscht
Die Offiziere singen das Fliegerlied - Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt

Total überzeugend und dabei sexy finde ich Dorothee Föllmer in der Rolle der bösartig, biestigen Pützchen von Mohrungen. Wow. Es ist kaum zu glauben, dass sie noch vor kurzem als Jim Knopf an der Seite von Lukas dem Lokomotivführer zu sehen gewesen ist.

In einer ungewohnten Rolle kann diesmal Almuth Schmidt ihr großes Talent beweisen. Erst Claudia macht mich darauf aufmerksam, dass sie es ist, die den kauzigen Hauptmann Pfundtmayer spielt. Eine originelle Besetzungsidee, die zudem super funktioniert hat. Ihr Passing als Mann war perfekt!

An mehreren Stellen der Vorstellung habe ich das Gefühl, jetzt müsste endlich Applaus kommen, aber es bleibt totenstill im Zuschauerraum. Nicht etwa, weil es den Leuten nicht gefällt, nein, sie sind einfach starr vor Spannung und später auch zunehmend bedrückt, als der starke General Harras von den Nazis allmählich klein gemacht und mehr und mehr demontiert wird. Dabei zu klatschen scheint irgendwie nicht angemessen zu sein.

Erst am Ende der Vorstellung brandet lang anhaltender Applaus auf und ich hab gar nicht soviele Hände, wie ich klatschen will. Das Theater hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Die tolle Atmosphäre, das liebevoll ausgestaltete Bühnenbild, die dramatische Beleuchtung und das erstklassige Ensemble. Ich bin wirklich total begeistert.

Als ich später in der Künstlerkantine mit General Harras auf ein Glas Wein anstoße, kann ich kaum glauben, dass Matthias Unruh den General nur gespielt hat. Sein Passing als General Harras war perfekt.


Es ist unglaublich, aber von diesen Schauspielern können sogar wir T-Girls noch eine ganze Menge über authentisches Rollenverhalten lernen :-)