Samstag, 17. September 2011

Der hustende Pudel

Svenja in England Tea RoomIch muss unbedingt aus diesem Schlaf­sack raus. Puh, ist das heiß hier drinnen, wenn die Sonne ungehindert aufs Zelt scheint. Jetzt aber raus.

Schon um kurz nach acht Uhr bin ich auf dem Motorrad unterwegs nach Süden. Ein festes Ziel habe ich heute nicht. Mal sehen, wie weit ich komme, aber zuerst möchte ich irgendwo einen Kaffee trinken.

In Holme-on-Spalding-Moor sehe ich das Klappschild von Nita's Country Café und halte davor an. Der rote Backsteinbau sieht total einladend aus und kurz darauf lerne ich Nita kennen, eine hübsche Blonde, die fast so groß ist wie ich.

Mit einem großen White Coffee und zwei Scheiben Toast mit Butter setze ich mich an einen der kleinen Tische und werfe einen Blick in die SUN, die auf dem Tisch liegt.

Svenja and the City

Auf der Titelseite lese ich eine Notiz über Amy Winehouse und blättere neugierig Seite fünf auf, wo der Artikel dazu steht. Amy ist nun einmal mein absolutes Popidol, auch wenn sie schon ziemlich lange nichts Neues mehr gebracht hat, aber ich liebe ihre göttliche Stimme und ihren unangepasten, heißen Style. Valerie ist seit Jahren Claudies und mein Song. Keine Disco und keine Bar, in der wir danach nicht getanzt hätten und unvergessen unser Auftritt vor ein paar Jahren auf der MTV Aftershow Party. 

Amy Winehouse

Oh no, was lese ich: In irgendeinem Kaff in Serbien hat Amy einen Auftritt vergeigt und ist hackenkackenstramm von der Bühne getorkelt nachdem die Plattköppe sie ausgebuht haben. Es macht mich total traurig, sie so am Boden zu sehen. Wenn ich doch nur helfen könnte.

Nach einem prima Frühstück, für das Nita mir nur 3 £ berechnet hat, geht es bei strah­len­dem Wetter weiter nach Süden. 

Kurz vor Scunthorpe überquert die Green Cow ihren 10.000 Km Äquator und ich lenke sie in eines der wunderschönen Mohnfelder, um ein Erinnerungsfoto zu machen. 

Svenja and the City

An der Tankstelle in Scunthorpe fülle ich drei Liter Benzin nach und gehe in den riesigen ASDA Megastore zum Einkaufen. Ich stelle mir einen bunten Teller verschiedener RibEye Steaks aus Irland und Schottland zusammen. (Angus beats the Irish beef hands down). Auch eine neue Haarspange landet in meinem Einkaufskorb, aber schon beim Einpacken in den Tankrucksack mache ich sie kaputt und werfe sie gleich in den Mülleimer vor dem ASDA. Schade drum, denn da war tatsächlich mal ein bisschen Bling Bling dran.

ASDA Scunthorpe

Bevor ich weiterfahre, rufe ich Claudie zuhause in Kiel an. Es ist schön, ihre Stimme zu hören und außerdem hat sie einen tollen Übernachtungstipp für mich. In der Nähe von Louth gibt es eine Campsite auf einer Farm, die bei Google Earth total klasse aussehen soll

West End Farm

Es ist gerade erst Mittag, als ich auf der West End Farm eintreffe und Claudie hatte Recht, das sieht echt prima aus. Der Campingplatz auf den Wiesen um die Farm sieht verlassen aus. Man braucht einen Code für das elektronische Schloss am Gatter, den ich natürlich nicht habe und es ist auch niemand da, den ich fragen könnte. 

Die Green Cow ist aber so schlank, dass sie mit riskierten Spiegeln auch durch das Fuß­gänger­tor passt. Am Rande der Wiese steht eine kleine Hütte mit einer Klingel, die Rezeption. Auf mein Klingeln kommt aber niemand und deshalb suche ich mir selbst einen schönen Platz und baue mein Zelt auf. 

Welch ein schöner Campingplatz mitten in der Natur. Hier hört man nur die Vögel. Zufrieden liege ich auf meiner Therm-a-Rest Matte in der Sonne und lese den Welt­raum Thriller weiter, in dem die Aliens von unse­rem Sternenkreuzer Antares gerade ordentlich die Jacke voll kriegen. 

Svenja and the City

Gerade als die Antares ihre Plasma­torpedos abfeuert, höre ich den harten Klang eines Diesel Direkteinspritzers und ein altes Fiat Ducato Wohnmobil rollt auf den Platz. Muss das ausgerechnet jetzt sein? 

Ein älteres Ehepaar mit einem noch älteren Pudel steigt aus und die Lady ist not amused, weil ich angeblich auf ihrem Platz stehe. Sie habe heute morgen auf der Farm angerufen und ihr sei ein abgelegener Einzelstellplatz zugesagt worden. Ihr Pudel habe nämlich Husten und sie wolle die anderen Camper nicht stören. Deshalb sei ihr genau dieser Stellplatz zugesagt worden. 

Pech gehabt, denke ich, denn jetzt stehe ich hier schon. Der Camping­platz ist ansonsten völlig verlassen, aber diese beiden Landeier wollen ausgerechnet auf den Platz, wo schon mein Zelt steht. Die beiden können aber keine schriftliche Reservierung vorzeigen und damit haben sie für mich nur die Befugnisse einer toten Katze. 

Ich bin der Diskussion überdrüssig und schalte meine Sensoren in den Modus völliger Gleich­gültigkeit, bevor ich mich wieder der Antares und dem Schicksal der Menschheit zuwende. 

Englische Rentner sind allerdings genauso hartnäckig wie unsere und stellen ihr Wohnmobil auf den Platz neben mein Zelt. Was treibt diese Menschen? Hier ist doch Platz genug. Offensicht­lich ist es aber ein Racheplan der Geronten, denn ihr alter Pudel hustet tatsächlich wie der Marlboro Mann in seinen besten Tagen. 

Svenja beim Camping

Am späten Nachmittag, ich bin gerade mit den RibEyes fertig, kommt ein großer blonder Typ mit langen, wilden Haaren auf mich zu. Es ist Chris, der Farmer, dem die Campsite gehört. 

Chris ist selbst gerne auf seinem Motorrad, Zelt und Schlafsack in Europa unterwegs und wir verstehen uns auf Anhieb. Minuten später sitze ich zuerst auf seiner alter Moto Guzzi California und kurz darauf in seinem Wohnzimmer. MEINE Mama hat nämlich nie etwas davon gesagt, dass ich nicht zu fremden Männern nach Hause gehen soll. 

Svenja im Minirock

Wir unterhalten uns die halbe Nacht über Motorräder, unsere Reisen, die Probleme in Groß­britannien, den Euro und Gott und die Welt. Es ist ein unterhaltsamer Abend, aber irgend­wann merke ich, dass es Zeit ist zu gehen, denn diesen Blick kenne ich nur zu genau. So toll die Sache mit dem Passing auch ist, so hat sie doch auch ein paar echte Nachteile

Bevor ich in mein Zelt krabble, ernte ich aber noch ein total süßes Kompliment: "You've got the five Bs: You like blues, bikes, beer, beef and you are beautiful". Ich liebe Chris für diesen Spruch und beschließe ihn bei nächster Gelegenheit selbst irgendwo anzubringen...

PS: Natürlich weiß ich, dass Amy Winehouse in der Zwischenzeit verstorben ist. Als ich diesen Eintrag am 20. Juni in mein Tagebuch geschrieben habe, war sie aber noch quicklebendig und  ich habe es so mit Bleistift in mein Moleskine geschrieben, wie ich an jenem Morgen empfunden habe.

Mittwoch, 14. September 2011

After Outdoor Fashion Flash

Svenja and the CityIch stehe als vierte Kundin bei H&M an der Kasse und sehe zu, wie ein junges Mädchen die Preise scannt und die großen, farb­gefüllten Diebstahl­sicher­ungen ent­fernt, bevor sie jedes einzelne Teil ordentlich zusammen­legt und in eine Tüte packt. Es dauert ewig bis ich endlich dran bin. 

Was mache ich hier? Vor drei Tagen bin ich doch noch auf meiner Enduro durch matschige Wälder in Schweden gedüst, hab mich nassregnen lassen, im Zelt geschlafen, und stehe jetzt hier voll aufgebrezelt mit mehr Taschen und Tüten beladen als ein Mensch tragen kann. 

Es ist Dienstagmorgen und ich bin schon früh in den Kieler CITTI-Park gefahren. Zuerst schaue ich bei VERO-Moda rein. Das ist mein Lieblingsladen, wo ich die meisten meiner Klamotten kaufe. Heute will ich mich aber nur umsehen. 

Eine halbe Stunde später stehe ich mit einem kleinen Einkauf wieder in der Mall. Die waren total nett bei VERO-Moda und haben mir sogar wieder die große Shoppertasche von ONLY geschenkt. Die drei Minikleider un die beiden Thermoleggings passen gerade so hinein. Nur mit den Kleidern stimmt was nicht, die sind auf dem Kassenzettel merkwürdigerweise als Pullover gelistet. Komisch, aber der Preis stimmt. Sicher hat sich das Mädchen an der Kasse nur vertan. 

Ich stöckele weiter durch die Mall, probiere bei New Yorker lustlos ein paar schwarze Keilstiefel an und verlasse den Laden, ohne etwas zu kaufen. Ich bin stolz auf mich. Außerdem hatten sie die Stiefel nicht mehr in 41. 

Nächster Halt H&M. Nichts kaufen, nur umschauen. Mit einem dunkelblauen Strickkleid, einer schwarzen Treggings*, einem grauen Wollmini vom Typ Chefsekretärin und einer Handvoll dicker kurzer Strickkleider stehe ich kurz darauf an der Kasse. Unterwegs habe ich noch ein paar gerippte Strickstrumpfhosen in grau und anthrazit zusammengerafft..

Svenja and the City
Völlig ausgehungert stelle ich mich an den Hansen-Wurststand um ein paar Wiener zu essen. Ich liebe Hansen Würstchen und kann mir gerade noch ein: "Sechs Stück, ein Tablett, viel Senf", verkneifen. Stattdessen bestelle ich mit schüchterner Stimme ganz damenhaft: "Zwei Paar, bitte." 

Jetzt würde ich mich gerne noch kurz zum Thema "Schuhe" informieren. Bei BeJuicy im Obergeschoss sind Keilstiefel dekoriert. Ich probiere ganz unverbindlich ein Paar hohe Stiefeletten und schwarze Schnürstiefel mit 9 cm Keilabsätzen an. Als Minuten später "Zahlung erfolgt" im Display des EC-Terminals aufleuchtet, spüre ich, dass mein Klamotten Frenzy für heute befriedigt ist.

Auf dem Weg zurück ins Parkhaus schaue ich aus Höflichkeit kurz bei Deichmann rein, denn ich möchte nicht, dass die mich mit der Tüte von BeJuicy vorbeistöckeln sehen und später beleidigt sind, weil ich nicht wenigstens reinschaue und "Hallo" sage. Ohne ein einziges Teil gekauft zu haben, außer dem Angebot der Woche, den braunen Overkneestiefeln zum Krempeln, stöckele ich endlich in die Tiefgarage zu meinem Auto.

Fazit: Den Reisen auf der Enduro mit Zelt und Schlafsack gehört meine ganze Leidenschaft, aber sie lassen nur wenig Raum für Feminines. Viel Schmutz, sparsames Gepäck und kein bisschen bling bling. Wenn ich dann von einer Tour zurückkomme, kriege ich zuhause den totalen "After Outdoor Fashion Flash". Die Ausgaben für Kleider, Pumps und Stiefel gehören inzwischen zu jeder Reise, ebenso wie die für Benzin, Entrecotes und Fährtickets. So extrem wie diesmal habe ich allerdings schon lange nicht mehr zugeschlagen...

PS: gerade entdecke ich noch eine neue Handtasche und ein paar kuschelige Hausschuhe in einer Tüte. Keine Ahnung, wann die passiert sind...
*Treggings: Eine Mischung aus Trousers und Leggings. Im Grunde sind das Leggings mit Taschen und Gürtelschlaufen. Halb Hose, halb Leggings.