Heute morgen steht ein großes Tablett hauchdünner Pfannkuchen auf dem Frühstücksbuffet und daneben eine Schüssel mit Heidelbeermarmelade. Claudia ist begeistert, denn sie liebt Pfannkuchen und beschmiert sie fingerdick mit Marmelade. Schon bei dem Gedanken kriege ich Hüfte und hole mir stattdessen nur etwas Hering in Tomatensauce und eine Portion Kötbullar.
Nach dem Frühstück gehe ich raus aufs Bootsdeck. Es ist ein herrlich sonniger, beinahe windstiller Tag bei -2° und ich stehe im kurzen Kleid, Strickstrumpfhosen und Overkneestiefeln in der Brückennock. "Du kannst dir ruhig den Dubs abfrieren, Hauptsache, du siehst gut aus dabei, Baby."
Die Leute neben mir sehen aus, als wollten sie das letzte Stück zum Nordpol noch vor dem Mittgessen zu Fuß erreichen. Fjällräven G1000 Hosen, Kamik Stiefel, Daunenparka von Bergans und Skimütze. Erstaunlich, welche Wirkung die Globetrotter Werbung auf ganz normale Menschen hat.
Am Vormittag erreichen wir Kirkenes, den äußersten Punkt unserer Reise. Nur zehn Kilometer weiter liegt der russische Eismeerhafen Murmansk. Von hier aus fährt die MS Lofoten die Küste entlang zurück nach Bergen und läuft alle Häfen südgehend noch einmal an. Die Häfen, die man in der Nacht verschlafen hat, erlebt man diesmal bei Tageslicht und umgekehrt.
Wir haben drei Stunden Zeit, bevor das Postschiff wieder ablegt und gehen an Land. Ich lasse das Kleid an, ziehe aber dicke Overknee Stulpen über die Strumpfhose, dazu Schal und Handschuhe. Claudia hat sich extra für diese Reise ein paar Moonboots gekauft, die heute ihren ersten Landgang erleben. Wir sind fertig und stiefeln los.
Die arktische Luft ist trocken kalt und wir sind genau richtig angezogen. Auf unserem Weg nach Kirkenes hinein kommen wir an einem Einkaufszentrum vorbei.
Spareland steht auf dem Schild und ich bemerke, dass alle Schilder zweisprachig sind, norwegisch und kyrillisch. Die Autos auf dem großen Supermarktparkplatz tragen ausnahmslos russische Kennzeichen RUS und sämtliche Kunden scheinen Russen zu sein.
Die Männer tragen schwarze Kunstledermäntel, Pelzmützen und grimmige Gesichter, die Frauen hingegen einen Look, der auch im Swingerclub wohlwollend zur Kenntnis genommen würde.
Spareland steht auf dem Schild und ich bemerke, dass alle Schilder zweisprachig sind, norwegisch und kyrillisch. Die Autos auf dem großen Supermarktparkplatz tragen ausnahmslos russische Kennzeichen RUS und sämtliche Kunden scheinen Russen zu sein.
Die Männer tragen schwarze Kunstledermäntel, Pelzmützen und grimmige Gesichter, die Frauen hingegen einen Look, der auch im Swingerclub wohlwollend zur Kenntnis genommen würde.
Supermärkte finde ich auf Reisen besonders interessant. Nirgendwo kann man besser sehen, wovon die Menschen leben und was sie gerne essen. Wir gehen hinein, um die Fleischabteilung zu besichtigen und herauszufinden, ob es hier Entrecote gibt. Gibt es, heißt auch so, ist nicht mal besonders teuer, sieht aber völlig falsch aus. Mein Tipp: Das ist Hohe Rippe, ein Suppenfleisch, das sehr ähnlich aussieht, sehr viel billiger ist und gebraten zäh wie Leder wird.
In der Arktis werden Straßen und Wege nicht mit Schneefräsen, Salz und Sand restlos geräumt, sondern es bleibt immer eine dünne Schicht aus Schnee und Eis zurück. Wenn man die Rentner mal richtig ärgern will, dann räumt man seinen Gehsteig sauber bis auf den Asphalt und salzt ihn fett ein. Die Rentner sind hier nämlich nicht mit Rollatoren, sondern mit kleinen Schlitten unterwegs, die sie vor sich herschieben. An jeder deutschen Grundstücksgrenze wäre Endstation für Oma, wenn sie mit ihren Schlittenkufen in blanken Granit beißt.
Sogar die Straßennamen sind kyrillisch beschildert. Ich habe nie gewusst, wie groß der russische Einfluss in dieser Region ist. Man darf sich die Städte der Arktis nicht als besonders schön vorstellen, denn das sind sie nicht. Es sind reine Zweckbauten gegen Kälte, Sturm und Eis. Aber selbst in der trostlos erscheinenden Einkaufsstraße von Kirkenes gibt es natürlich einen Vero Moda. Ich gebe auf. Wo immer ich auch hinkomme, Vero Moda ist schon da.
Auf vielen Parkplätzen sehe ich, dass die abgestellten Autos mit einem Stromkabel verbunden sind. Das sind keine E-Mobile, sondern elektrische Standheizungen, die das Einfrieren des Kühlwassers verhindern sollen.
Immer wieder sehe ich verlassene Fahrzeuge vor den Supermärkten, die mit laufendem Motor auf die Rückkehr des Fahrers warten. Die Leute stellen den Wagen vorm Supermarkt ab, lassen den Motor laufen und gehen einkaufen. Das war mir schon 2007 auf der Norwegentour mit meiner KTM aufgefallen. Offenbar ist Autoklau hier noch nicht so in Mode. Wohin sollte man damit auch verschwinden?
Immer wieder sehe ich verlassene Fahrzeuge vor den Supermärkten, die mit laufendem Motor auf die Rückkehr des Fahrers warten. Die Leute stellen den Wagen vorm Supermarkt ab, lassen den Motor laufen und gehen einkaufen. Das war mir schon 2007 auf der Norwegentour mit meiner KTM aufgefallen. Offenbar ist Autoklau hier noch nicht so in Mode. Wohin sollte man damit auch verschwinden?
Wir machen uns auf den Rückweg zum Schiff. Claudias Moonboots bewähren sich prächtig. Sie sind warm und halten den Schnee ab. Ich trage Wildlederstiefel, aber das ist in der trockenen Kälte auch ok, denn Schneematsch gibt es hier nicht.
Unterwegs kommen wir an einer Gruppe russischer Trawler vorbei, die hier im Hafen auf das Eintreffen des Kabeljaus in der Barentssee wartet. Die Schiffe sind in so erbärmlichem Zustand, dass ich jeden bewundere, der sich mit solch einem Seelenverkäufer auf die offene See wagt. Allein die Fangausrüstung und die riesigen Scheinwerferbatterien machen einen gepflegten Eindruck. Das Übrige ist Rost und Zerfall.
Pünktlich zum Mittagsbuffet sind wir zurück an Bord. Ich habe einen Mörderhunger und es gibt drei verschiedene Gerichte auf dem Buffet, einen Fischauflauf, Rinderbraten und Rentiergulasch. Ich starte mit Rinderbraten, aber der ist so mager, dass er mich nicht begeistern kann. Ich steige um auf Rentierragout und das ist wirklich lecker. Das Fleisch ist zwar auch mager, aber mit Pilzen und viel Sahne zu einem leckeren Gulasch gekocht. Oh, ich liebe es und setze am Buffet mein ganzes Können ein. Claudia begeistert sich für das Fischragout und Pieps wünscht sich Zimtkuchen mit Eis und Himbeeren.
Nach dem Essen verschwinde ich kurz in der Kabine und hole mir einen Underberg aus der Reiseapotheke. Acht der kleinen Fläschchen habe ich mit in Urlaub genommen und jedes Einzelne muss sorgfältig eingesetzt werden. Heute ist so ein Fall...
Kurz nach Mittag legt die MS Lofoten ab und ich verziehe mich mit dem Underberg und einer Flasche Munkholm alkoholfrei in die Observation Lounge, wo ich mein Kirkenes Abenteuer in das Moleskine schreibe. Draußen zieht die von Eis bedeckte Barentssee vorbei. Die Eisschicht ist jetzt im Frühling aber nur noch sehr dünn und bereitet dem Schiff keine Schwierigkeiten.
Am Nachmittag legen wir in Vardø an, das ich auf dem Hinweg verschlafen habe. Wir haben eine Stunde Aufenthalt, aber ich bleibe an Bord.
Zum Abendessen wird erneut ein 3-Gänge Menü zelebriert und die freundlichen Kellnerinnen tragen mit ihrer netten Art viel zum Gelingen des Dinners bei. Heute gibt es zuerst einen Meeresfrüchtecocktail, danach Hirschbraten und zum Abschluss Seter Rømme, eine Süßspeise aus Sauerrahm.
Es ist gerade neun Uhr abends, als ich in meiner Koje liegend über mich greife und die winzige Leselampe an der Decke ausknipse. Wie immer schlafe ich sofort fest ein und wie in jeder Nacht gibt es die üblichen Unterbrechungen. Da ist das nächtliche Anlegemanöver mit den rückwärts laufenden Maschinen, das Getrampel der Seeleute auf dem Deck über mir und später in der Nacht eine kurze Phase mit stärkerem Seegang. Alles das gehört zu einer Fahrt auf der Hurtigruten dazu. Wir sind schließlich kein Kreuzfahrer, sondern ein Postschiff und müssen alles mögliche Zeug und natürlich auch Menschen schnell und zuverlässig durch die Arktis schippern.