Das Coming Out am Arbeitsplatz ist ein besonders kritischer Schritt während unserer Verwandlung. Einfach als Frau zur Arbeit zu erscheinen und den verblüfften Kollegen voller Stolz zu verkünden: "Ich bin ab jetzt die Schantalle", ist dabei nicht der cleverste Weg ans Licht.
Ein wenig pfiffiger wollen wir unser Coming Out schon gestalten und zum Glück sind wir dabei nicht alleine. Es gibt nämlich ein paar Institutionen, die uns auf unserem Weg absichernd zur Seite stehen werden. Diese betrieblichen Einrichtungen sind in vielen Firmen der Privatwirtschaft vorhanden und stehen außerdem in jeder Behörde und ihren nachgeordneten Dienststellen den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zur Verfügung.
Ich möchte ein paar Denkanstöße geben, wie wir unser Outing als Transsexuelle möglichst clever vorbereiten und damit zugleich die Gefahr, unseren Job zu verlieren, möglichst gering halten.
Die Gleichstellungsbeauftragte. Sie ist zuständig für die Durchsetzung der Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb. Sofern es eine Frauenbeauftragte in der Firma gibt, ist sie unsere erste Ansprechpartnerin. Sie informieren wir als erste über das beabsichtigte Coming Out. Die Gleichstellungsbeauftragte genießt eine ganz besondere Vertrauensstellung. Sie unterliegt der Schweigepflicht und behandelt alle Gesprächsinhalte streng vertraulich.
Die Gleichstellungsbeauftragte ist eine starke Verbündete, wenn es zu Konflikten kommt, die auf die Ungleichbehandlung von Mann und Frau zurückzuführen ist und unter diesem Schutz stehen ab jetzt auch wir. Sollte es in der Zeit nach dem Outing zu Mobbing kommen, dann ist sie unsere erste Ansprechpartnerin. Mit ihr besprechen wir unser weiteres Vorgehen und überlegen gemeinsam, ob sie uns zu weiteren Gesprächen sogar persönlich begleiten soll.
Wie habe ich persönlich damals gehandelt? Ich habe die Gleichstellungsbeauftragte unserer Dienststelle eingeweiht und sie auf das Kommende vorbereitet. Wir sind überein gekommen, dass sie mich nicht zu begleiteten braucht, aber für den Fall einer Eskalation jederzeit erreichbar ist und dann zum Gespräch hinzukommen würde. Das war natürlich nicht nötig und ich sage noch einmal:
"Danke, Gaby!"

Der
Personalrat oder der
Betriebsrat. Das sind mächtige Institutionen, die wir unbedingt ins Boot holen müssen. Letztlich geht es um eine besonders wichtige Personalentscheidung, nämlich um unseren eigenen Job und da hat der Personalrat ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Die Mitglieder des Personalrats unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und sind zu besonderem Stillschweigen verpflichtet. Wir können gemeinsam darüber beraten, ob es sinnvoll ist, wenn ein Vertreter des Personalrats uns zu weiteren Gesprächen in die Chefetage begleitet.
Wie habe ich persönlich damals gehandelt? Ich habe den Personalrat nicht mit eingebunden.

Unser unmittelbarer Vorgesetzter. Falls wir zu unserem direkten Chef ein schlechtes Verhältnis haben, gehen wir gleich eine Etage höher. Aber Vorsicht: das Verhältnis zu unserem Chef wird sich dadurch nicht verbessern, weil er sich vermutlich übergangen fühlen wird.
Mit unserem Chef sprechen wir möglichst offen, ohne ihn mit Einzelheiten zu überfordern. Im Idealfall gelingt es uns sogar, ihn zu unserem Verbündeten zu machen, indem wir ihm besonderes Vertrauen entgegenbringen und ihm unsere Befürchtungen anvertrauen:
"Die anderen sind vielleicht noch nicht weltoffen und informiert genug, um das zu verstehen." Das wäre die Chance für unseren Chef, sich als weltoffen, tolerant und gut informiert zu zeigen. Je nach Struktur der Firma gehen wir anschließend mit dem kleinen Chef zum großen Chef, bzw. zur Firmenleitung und kündigen dort den bevorstehenden Rollenwechsel an. Um unsere Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, sprechen wir auch von der bevorstehenden Vornamensänderung und dass wir demnächst auch amtlich und offiziell Frau Mustermann sein werden.
Wenn wir die Firmenleitung umfassend informiert haben, besprechen wir gemeinsam das weitere Vorgehen. Eventuell wird man unsere Versetzung innerhalb der Firma in eine andere Abteilung vorschlagen. Wir sollten versuchen, das zu vermeiden. In einem fremden Umfeld mit neuen Kollegen werden die ersten Schritte in der neuen Rolle noch schwieriger werden. Außerdem werden die neuen Kollegen sich nicht gerade bedanken, wenn sie "eine strafversetzte Transe" kriegen.
Gemeinsam mit eurem Chef und der Geschäftsleitung besprecht ihr, wir ihr das Coming Out gegenüber euren unmittelbaren Arbeitskollegen und Mitarbeitern gestalten wollt. Das wird das eigentliche Coming Out sein.
Wie habe ich persönlich damals gehandelt? Ich hatte das große Glück, dass mein direkter Vorgesetzter zugleich mein persönlicher Freund gewesen ist. Leider nur bis zu diesem Tag, denn unsere Freundschaft hat meine Verwandlung leider nicht überlebt. Zur Ehrenrettung meines Chefs muß ich aber sagen, dass er sich absolut korrekt verhalten hat und mir sachlich in jeder Hinsicht geholfen hat. Ich wurde nicht versetzt und auch sonst in keiner Weise benachteiligt. Nur mit mir zu tun haben, wollte er danach leider nicht mehr.

Unsere Arbeitskollegen. Das ist das eigentliche Coming Out und ganz bestimmt der schwierigste Part. Inzwischen haben wir unseren Text schon so oft aufgesagt, dass wir schon ein wenig Übung darin haben. Wenn wir diesen letzten Schritt geschafft haben, dann winkt uns als Belohnung endlich auch ein Berufsleben als Frau.
Wir müssen auf jeden Fall für den passenden Gesprächsrahmen sorgen. Es soll dabei kein Telefon klingeln und auch kein Praktikant mit einer doofen Frage plötzlich hereinplatzen. Wir hängen einfach ein Schild an die Tür
"Besprechung - bitte nicht stören" und lassen dem Telefon für die Dauer der Besprechung die Luft raus.
Unseren Kollegen sagen wir, dass ihr ihnen etwas wichtiges Persönliches mitzuteilen haben und bitten sie in den Besprechungsraum.
Sowie Ruhe eingekehrt ist, ergreifen wir das Wort und erzählen sachlich und ohne Umschweife von unserer Transsexualität. Wir dürfen dabei ruhig das Bild vom Leben im falschen Körper benutzen. Für Außenstehende ist es recht verständlich und den meisten ist dieser Vergleich schon aus dem Medien bekannt.
Dieses Gespräch wird nicht nur uns etwas peinlich sein, sondern es ist auch für unsere Kollegen ein wenig unangenehm, etwas so Persönliches anhören zu müssen. Deshalb vermeiden wir jedes Pathos und jede Trauer in der Stimme und sprechen möglichst klar und sachlich über unsere bevorstehende Verwandlung. Wir machen aus unserem Coming Out keine Oper, sondern sprechen ganz sachlich davon. Das Ganze ist keine große Angelegenheit. Wir sind eben transsexuell, mehr nicht.
Wir sollten unsere Kollegen ruhig darauf vorbereiten, dass die ersten Monate optisch ein wenig gruselig werden können. Die äußere Umstellung vom Mann zur Frau ist anfangs immer gruselig anzusehen und erfordert von unseren Kollegen eine gewisse Leidensfähigkeit. Wenn ihr es schafft, einen kleinen Joke darüber zu machen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Ein kleiner Lacher wird das Gespräch an dieser Stelle für alle entkrampfen.
Danach sind wir offen für weitere Fragen unserer Kollegen, aber wir begeben uns auf keinen Fall aufs Glatteis, indem wir Fragen zu unserer Sexualität beantworten. Die geht nur uns selbst etwas an.
Wie habe ich persönlich damals gehandelt? Auf fast jeder Polizeidienststelle findet morgens eine Frühbesprechung statt. Gegen Ende dieser Besprechung habe ich meine Kollegen gebeten, noch einen Moment sitzen zu bleiben, weil ich etwas Persönliches zu verkünden habe. Dann habe ich in recht knappen Worten von meiner bevorstehenden Verwandlung erzählt. Zuerst herrschte ein unangenehmes Schweigen, aber dann haben meine Kollegen so reagiert, wie ich es erhofft hatte. Tenor:
"Das ist deine eigene Sache, aber für uns geht das schon in Ordnung und du hast hier im Sachgebiet keine Probleme zu erwarten." Der Bericht darüber war damals übrigens einer meiner ersten Blogbeiträge,
klick.

Kunden, Lieferanten, Mitbewerber, benachbarte Dienststellen und Filialen. Da machen wir gar nichts. Auf keinen Fall ziehen wir als reisende Coming Out Show durch die Firma. Wir haben unsere unmittelbare Umgebung informiert und das reicht. Alles andere ergibt sich jetzt von selbst. Nur wenn wir direkt auf unsere Verwandlung angesprochen werden, antworten wir frei und unverkrampft.
Ein ganz besonders wichtiger Punkt ist unsere Arbeitsleistung. Die muß einfach stimmen. Trans darf keine Ausrede für schlechte Leistungen und schon gar nicht für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz sein. Never! Ich kenne leider einige Transgender, die auf der Arbeit erhebliche Probleme hatten, ohne dass dafür der Rollentausch die Ursache gewesen ist. Also: Wir erscheinen jeden Tag pünktlich zur Arbeit und versuchen leistungsmäßig sogar noch einen Brikett draufzulegen, besser sogar zwei. Unsere Umwelt soll merken, dass wir jetzt noch leistungsbereiter sind als vorher, weil wir endlich in unserem wahren Geschlecht leben und arbeiten können.
Bitte keine Fehlzeiten aufgrund unserer Andersartigkeit, denn das fällt letztlich auf alle Transsexuellen zurück, die diesen Weg noch vor sich haben. Wir wollen auf keinen Fall als kränklich und nicht belastbar gelten, sondern wollen viel lieber die echten Powerfrauen mit der Kraft der zwei Herzen sein.