Mittwoch, 6. Mai 2009

Theater: Der Boss vom Ganzen

Manchmal frage ich mich, warum Transsexuelle nicht häufiger ins Theater gehen? Hier können wir voll aufgestrapst in der Öffentlichkeit unter Menschen sein, ohne dabei auch nur im Geringsten aufzufallen. Jedenfalls nicht mehr, als die beiden Typen, die in Badelatschen an mir vorbei ins Schauspielhaus schlurfen. "Wow! Tolle Schuhe." Die Bemerkung kann ich mir einfach nicht verkneifen.

Mein garstiger Kommentar passt perfekt zu Lars von Triers ebenso bissiger Komödie Der Boss vom Ganzen. Zacharias Preen, der heute abend den Kristover spielt, hatte mich auf das Stück aufmerksam gemacht: "Das ist gut, das mußt du sehen." "Und nicht nur, weil ich darin der Boss vom Ganzen bin." fügt er mit einem charmanten Lächeln hinzu.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ravn, Chef einer kleinen IT-Firma leidet unter seiner eklatanten Führungsschwäche. Deshalb erfindet er einen imaginären Boss, der angeblich von Amerika aus die Firma führt. Mit diesem Trick kann Ravn auch unangenehme Weisungen erteilen, ohne dadurch die Zuneigung seiner Leute zu verlieren. Doch als Ravn die Firma verkaufen will, braucht er dazu einen echten Boss aus Fleisch und Blut. Dafür engagiert er den arbeitslosen Schauspieler Kristover, der jedoch seine ganz eigene Vorstellung von der Rolle des Chefs hat und als Boss vom Ganzen schon bald für jede Menge Ärger sorgt.

Meine Freundin Claudia und ich haben zwei super Plätze. Wir sitzen in der Mitte der ersten Reihe und bei manchen Szenen sind uns die Schauspieler so nah, dass wir sie fast berühren können. Als Eva Krautwig sich in der Rolle der Lise lasziv an den Bühnenrand setzt, bin ich kurz davor, selbst ein wenig ins Geschehen einzugreifen. Claudia muß das gespürt haben, denn sie nimmt instinktiv meinen Arm und hält mich zurück. "Danke Claudie", denke ich: "Du hast mir gerade ein lebenslanges Hausverbot in allen Kieler Spielstätten erspart." Was ich damit sagen will: ich finde Eva Krautwig als Schauspielerin geradezu unglaublich. Hoffentlich entdeckt das Fernsehen sie nicht für sich, denn dann sind wir sie los.

Das Stück macht uns beiden viel Spaß. Es nimmt manche überraschende Wendung und lebt besonders durch Imanuel Humm als Ravn und durch Zacharias Preen als Kristover. In einer Nebenrolle begeistert Christian Kämpfer als Finnur Sigurson das Publikum. Er spielt einen urwüchsigen isländischen Firmenkäufer und spricht dabei die ganze Zeit über in einer Sprache, von der ich selbst jetzt noch nicht weiß, ob das tatsächlich isländisch war, oder nur ein ausgedachter Fantasiekauderwelsch.

Fazit: Der Boss vom Ganzen ist eine ziemlich bissige Komödie ohne störende Längen und ist auf jeden Fall einen Theaterbesuch wert. Den Transgendern kann ich nur raten, sich eine gute Freundin zu schnappen und gemeinsam die wunderbare Welt des Theaters zu erkunden. Es ist wirklich die Gelegenheit, auch einmal eines der Kleider zu tragen, in denen ihr tagsüber bei ALDI schon ziemlich heavy auffallen würdet.
Aber das ist nun wieder Stoff für eine ganz andere Geschichte.

8 Kommentare:

Chrissy hat gesagt…

Hi

Ich bin echt immer wieder überrascht das du in deinem alter so gutes passing hast, soll mit alter keine beleidigung sein aber du siehst eher aus wie 30
kleine kritik: das dress sieht nich so dolle aus, etwas unvorteilhaft

lg

Zimtapfel hat gesagt…

Oh, ich sollte vielleicht auch mal ins Theater gehen, das klingt gut. Hier in Kiel war ich bisher noch gar nicht. Und Zacharias Preen spielt da mit? Hach! Den fand ich früher, so mit dreizehn, mal ganz toll. Als er in irgendeiner Fernsehserie mitspielte... ist der immer noch so schnuggelisch? :-)

Und ich finde auch, das du auf den Bildern immer deutlich jünger wirkst, als du so wie ich das verstanden habe bist.

bellablog hat gesagt…

svenja hat das jugendSERUM, sag ich doch! gib! gib! GIEEEEB!!!!!!

Svenja-and-the-City hat gesagt…

@Chrissy: danke für die charmanten Blumen. Wo hast du die her?
@Zimtapfel: Zac ist noch immer ein Schnuckelchen. Geh doch mal wieder ins Theater, vielleicht sehen wir uns dort. So ein Zimtapfel muß doch zu erkennen sein.
@Bellablog: Ich schreib dir das Rezept auf: 7 Teile "Rache der Chromosomen", 2 Teile "Hormocenta" und ein Teil Photoshop :-)

Benedict hat gesagt…

Die Storyline klingt ein bisschen nach "Der gute Mensch von Sezuan". :-D

Svenja-and-the-City hat gesagt…

@Bendedict: ja, das stimmt tatsächlich. Meine Schulzeit ist solange her, dass ich das Stück erstmal googlen mußte. Aber stimmt: Die Parallelen sind unübersehbar. Danke für den Tipp.

Ami hat gesagt…

svenja! du siehst sensationell aus! ich bin echt begeistert - ich habe mich (auch weil ich nice muste) noch nie mit transsexualität beschäftigt - umso großartiger finde ich, dass ich hier mal lesen und lernen kann.

ich lasse grüße hier und denke, es war nicht das letzte mal:)

Svenja-and-the-City hat gesagt…

@Ami: oh, danke schön. Dein Blog hat mich neugierig gemacht durch "im Vorhof der Familienhölle" und ich lese ihn jeden Tag.