Der
gleißend hell erleuchtete Spiegelschrank im Bad unserer Kabine ist
gemein. Böse und gemein. Er zeigt mir Fältchen und Poren, die ich nie
zuvor gesehen habe. Zur Sicherheit gönne ich mir eine extra Schicht
MakeUp, schneide meinem Spiegelbild eine Fratze und mache mich auf die
Suche nach einem Becher Kaffee an Bord.
Ich
schlendere durch die Einkaufspassage des Schiffs und setze mich ins
Promenaden Café. Der Kaffee schmeckt prima. Er ist ziemlich stark und
mit 20 NOK für den ersten Becher und 10 NOK (1,30 €) für die Refills,
sogar erstaunlich günstig. Als Claudie etwas später dazukommt, bin ich
just am Boden meines zweiten Bechers. Claudia gönnt sich zu ihrem Kaffee
ein Wienerbrød, was Pieps mit Begeisterung aufnimmt. Muss sie sich eben ein neues Frühstück kaufen...
Die Fahrt durch den 100 km langen Oslofjord
sehen wir uns bei herrlichem Frühlingswetter durch die Fenster der
Observation Lounge an. Dieses Schiff ist so riesig, dass wir mehrere
Stockwerke über dem Wasser sind und dabei einen herrlichen Blick auf das
sonnige Oslo haben.
Mit
hunderten anderer Passagiere stauen, drängeln, stehen und tippeln wir
von Bord. Unser Postschiff, die MS Lofoten, entern wir erst morgen in
Bergen und deshalb verbringen wir heute eine Nacht in Oslo. Auf dem
Parkplatz stehen mehrere Reisebusse bereit, um Reisende zum Flughafen,
zum Bahnhof, oder zu ihren Hotels zu bringen. Es ist erst zehn Uhr
morgens und damit zu früh, um im Hotel einzuchecken. Vermutlich aus
diesem Grund gehört eine Stadtrundfahrt durch Oslo mit zu unserer
Hurtigrutenreise.
Ich
möchte nichts vorwegnehmen, aber bitte erinnert mich daran, nie, nie,
niemals wieder an einer Stadtrundfahrt teilzunehmen. Agnes, die
Reiseleiterin im Bus, kommt aus Montabaur und ist eine fröhliche
Quasselstrippe, aber schon nach fünf Minuten kommen wir uns vor, wie Oma
auf Kaffeefahrt. Dabei sind wir zusammen erst 120 und ich bin doch das
Girl, das alleine mit der Enduro durch die Highlands fährt, aber ganz
sicher kein Typ für organisierte Rundfahrten im Reisebus.
Unser erster Halt ist die Wintersportanlage Holmenkollen.
Der Reisebus entlässt uns auf dem großen Parkplatz in den matschigen
Schnee und wir haben 30 Minuten Zeit uns umzusehen. Mir ist kalt, ich
habe Angst um meine schönen Schuhe und ich will mich nicht umsehen. Wäre
ich bloß im Bus geblieben. Außerdem muss man schon ziemlich bescheuert
sein, um auf Skiern diese Schanze herunterzufahren. Endlich geht es
weiter.
Der
nächste Halt ist ein ganz besonderer. Wir besichtigen den
Vigeland-Skulpturenpark in Oslo. Claudia hatte mich bereits gewarnt vor
der Darmverschlingung der Nation und als ich sie nur verständnislos
ansehe, erleutert sie: "Warte es einfach ab, du wirst sofort wissen, was
ich meine."
"Der
Bus sammelt uns am gegenüberliegenden Ende des Parks wieder ein.",
verkündet Agnes über das Bordmikrofon und schon öffnen sich die
automatischen Türen des Busses. Aussteigen und latschen? Das ist doch
nicht euer Ernst, oder? Ich hasse latschen. Weshalb buche ich wohl eine
Kreuzfahrt? Ich will mit dem Schiff durch die Gegend geschaukelt und
dabei dreimal am Tag gut verpflegt werden. Ist das denn zuviel verlangt?
Ohne
jede Begeisterung stöckele ich auf meinen 9 cm Absätzen vorsichtig
durch den Schneematsch. Nur gut, dass ich nicht die Peep Toes angezogen
habe.
Falls
es so etwas wie einen nationalsozialistischen Phalluskomplex für
Bildhauer gibt, Gustav Vigeland hatte ihn. Eine scheußlichere
Monstrosität als seinen Monolithen
habe ich wohl nie gesehen und Claudias Umschreibung trifft es auf den
Punkt. Der Monolith und die nackten Gestalten, die überall im Park
verteilt sind, erinnern mich an Kunst aus dem Dritten Reich. Tatsächlich
wird Vigeland
von Manchen als ein Sympathisant der Nazis bezeichnet. Ich bin
erstaunt, wie unkritisch die Wikipedia Artikel in dieser Hinsicht sind.
Vom Vigelandpark geht es weiter zum Vikingskiphuset, in dem mehrere Funde von Wikingerschiffen ausgestellt sind. Als Claudia das Oseberg-Schiff
entdeckt, ist sie völlig aus dem Häuschen, weil sie einmal am Institut
für Ur- und Frühgeschichte in Berlin gearbeitet hat, wo dieses Schiff
ein großes Thema war. Pieps hingegen ist entäuscht. Sie hatte sich Piratenschiffe größer und mit deutlich mehr Totenkopfflaggen vorgestellt.
Schließlich
geht auch die schönste Stadtrundfahrt endlich zuende und wir werden vor
unserem Hotel abgesetzt. Den wertvollsten Tipp gibt Agnes uns zum
Abschied. Sie empfiehlt uns das Restaurant Egon im Hauptbahnhof.
Claudia
hat sich nicht lumpen lassen und für uns im Clarion Hotel Royal
Christiania eine Suite aus zwei Zimmern und sogar einer Badewanne
gebucht. Wir checken ein und machen uns sofort auf den Weg zu Egon.
Agnes' Tipp ist Gold wert, denn Oslo ist schrecklich teuer und bei Egon
kann man sich vor 18 Uhr in das Pizzabuffet einkaufen. All you can eat
für 99 NOK (ca. 13 €). Claudia trinkt dazu einen Apfelsaft und ich ein
alkoholfreies Bier. Die kleine Flasche Bier kostet 6,69 €, der Apfelsaft
5,39 € und dabei ist Egon eines der günstigsten Lokale in Norwegen. Ich
beschließe, mich mit meinen eigenen Waffen für die unverschämten Preise
zu rächen, indem ich so oft zum Buffet latsche, bis ich auch den Preis
für das alkoholfreie Bier wieder drin habe und sogar Pieps mir einen
verwunderten Blick zuwirft. Das Pizzabuffet bei Egon ist nicht der große
Markerschütterer, aber das Brot ist heiß, der Ketchup darauf auch und
es wird laufend frisch nachgelegt. Außerdem ist es das einzige Essen,
dass wir uns leisten mochten. Als ich die kurz darauf die Preise bei
Burger King lese, werde ich fast bewusstlos. Dafür gehe ich in Kiel
gepflegt im Ratskeller essen, hmpff...
Gegen
Abend verziehen wir uns in unsere Suite. Klugerweise habe ich mir aus
dem Supermarkt eine Dose Bier mitgenommen, das ich aus einem der Plastik
Zahnputzbecher trinke. Entweder man hat Stil, oder man hat ihn eben
nicht.
Nach
einer Weile beginnt Claudia ganz unvermittelt, von gekochten Eiern zu
fabulieren und wie wunderbar es doch wäre, jetzt ein hartgekochtes Ei zu
essen und Pieps stimmt natürlich fröhlich mit ein: "Oh ja,
Zimmerservice, Zimmerservice." Mir wird schon bei dem Gedanken an die
Preise schlecht und kopfschüttelnd verschwinde ich im Bad.
Als
ich wieder ins Zimmer komme, liegt ein gekochtes Ei auf meinem Kissen
und Claudia und Pieps grinsen mich breit an. Claudia hat tatsächlich
einen Beutel hartgekochter Eier von zuhause mitgebracht. Eine tolle Idee
und zufrieden mampfen wir die Überraschungseier in uns hinein.
Den
Rest des Abends zappen wir uns durch die 22 Fernsehprogramme, geben
dann entnervt auf, weil es hier noch lautere und dümmere Werbung als
zuhause gibt. Gute Nacht, liebe Welt. Morgen geht es weiter mit der
Bergenbahn und abends sind wir dann endlich auf unserem Postschiff.
16 Kommentare:
Nur in mei'm Überraschungsei wa' ga' kein Schlumpf drin, menno!
Diese Stadtrundfahrt klingt gar grauselig! Mir wäre es da wohl ganz genauso ergangen wie Dir. Klingt aber alles in allem trotzdem nach viel Spass!
Gräm dich nicht Pieps. Freu dich lieber darüber das Claudia so weitsichtig war für die Marschverpflegung zu sogen. Und außerdem ist ja ballt Ostern - da wird bestimmt ein schlumpfiges Ei für dich abfallen.
LG die Schlumpffine aus RD...
Hach, ich liebe Deine Weltenbummler-Geschichten einfach!
Bin schon mächtig gespannt, wie es weiter geht :o)
Eigentlich hättest du MICH mitnehmen müssen, immerhin spreche ich fließend Norwegisch. *grummel*
wow..ich versinke grad in deinem bericht über eure tolle reise *kleinbissalneid* trotz aller "hoppalas" eine zum mitleben einladende reisedoku *ggg @ pieps und claudia*....ausserdem wollt ich mich für deinen lieben und einfühlsamen beitrag in meinem blog bedanken
DANKE und
liebe grüsse aus wien
gitti
Oslo gilt bekanntlich als eine der teuersten Städte der Welt. Aber schön ist diese Stadt trotzdem, finde ich. Der Vigeland-Park und das klotzige Rathaus sind zwar auch nicht mein Fall, aber dafür sind die Museumsinsel Bygdoy und der Kai von Aker Brygge mit den vielen Cafés und Kneipen mit Fjordblick traumhaft schön.
eine stadtrundfahrt haben wir ganz bewußt nicht gemacht, sie dafür ein bischen zu fuß erkundet ... und schön .. naja, schön find ich oslo nicht ... wir haben damals im thon hotel direkt beim hauptbahnhof genächtigt -allerdings auf der rückreise- und da waren uns die umfallpreise bei b.king egal ... wir hatten nämlich kohldampf auf pommes und burger ;)
lg
bini.
@Pieps: Nein, ein Schlumpf war da nicht drin, aber gut geschmeckt hat es trotzdem, oder...?!
@Frau M: Natürlich war das ein großer Spaß, aber ich kann es kaum erwarten, endlich zum Schiff zu kommen und dass die Reise endlich richtig losgeht.
@Tally: Stümmt, Claudie war wirklich weitsichtig. Dafür hatte ich ein Paket Kochwürste und acht kleine Flaschen Underberg im Koffer. Was sagst du nun...? Und für Pieps ist auf dieser Reise auch so ganz schön viel abgefallen. Ich sage nur "Schrecken des Buffets".
@Abalone: Danke dir. Die Geschichte ist ja nicht so aufregend zu Beginn, weil ja allein die Anreise zum Postschiff länger als zwei Tage dauert, aber das wird noch spannender...
@Sabrina: In echt? Oh, cool. Claudia versteht aber auch das Meiste und hat für mich übersetzt. Und Pieps versteht ja sowieso alles wie sie will.
@Gitti: Meine kleine Reisedoku ersetzt mir das Fotoalbum, das ich früher geklebt und beschrieben hätte. Aber dann hättest du es ja nicht lesen können :-)
@Inka: Ja, das haben wir auch gehört, eine der teuersten Städte der Welt. Aber wir waren ja nur auf der Durchreise und ich war an Oslo selbst gar nicht so interessiert. Die Skulpturen im Parks sind wirklich grässlich. Mal sehen, wie es weitergeht.
@Bini: Ich wollte schon deshalb nicht viel für das Essen ausgeben, weil wir ja die nächsten zwei Wochen rund um die Uhr perfekt verpflegt werden an Bord. Aber den FastFoodAppetit danach kann ich gut verstehen :-)
so lecker das essen an bord auch war, nach zwei wochen war der heißhunger auf nen burger riiiiiiiesig :) ... das EGON haben wir auch gesehen aber pizza war nicht unser ding an dem abend ;) -hihi-
lg
bini.
Svenja, wenn sie dich bei der Polizei irgendwann nicht mehr wollen sollten oder dir, wenn es irgendwann in 30 Jahren soweit ist, das Rentnerdasein zu langweilig wird - werd Reiseschriftstellerin! Es findet sich bestimmt ein Verlag, der dich für teuer Geld überall hinschickt und darüber schreiben lässt. Ehrlich, deine Berichte sind ein adäquater Ersatz fürs selber verreisen.
:-)
@Bini: Nein, Pizza ist auch nicht mein Ding, aber Burger auch nicht so sehr Das Essen an Bord ist schon klasse, oder? Aber das darf ich ja noch gar nicht wissen :-)
@Zimtapfel: Oh, danke, wie lieb von dir. Ich hätte es selbst nie gedacht, dass mir das Schreiben einmal soviel Freude machen würde. Danke, lieber Zimtapfel.
Also auch diese Reisebeschreibung ist wie immer einfach grosse Klasse!
Für mich persönlich aber ist das große, zwerchfellerschütternde Highlight immer dann gegeben, wenn ihr beide, Pieps und (Sonja), der armen Claudie das Frühstück weg(fr)esst.
Viele Grüsse DRUKK
Ich meinte natürlich (Svenja)
Boa, das klang ja wie Touri-Abfertigung am Fließband. ;-)
Aber trotzdem: irgendwas haben diese Norwegenreisen was.
Naja, wir werden das dieses Jahr per Motorrad erfahren.
Aber auf die Preise freuen wir uns schon..... *würg*
LG
Eggi
@DRUKK: Danke schön. Es macht auch viel Spaß, hinterher noch einmal im Reisetagebuch zu blättern und den Bericht daraus abzuschreiben. Und Claudia ist aber auch so noch sattgeworden. :-)
@Eggi: Na, du wirst sehen. Lass dich überraschen. Aber Norwegen ist eine Reise wert.
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.