Freitag, 16. Februar 2018

Morgens im Bloggercafé

Mein freier Tag. Kurz vor Acht. Ich packe das MacBook ein, stecke das Moleskine mit den Reisenotizen in die Tasche und ziehe die Reißverschlüsse meiner langen Stiefel hoch. Gleich macht das Mmhio auf. In allerbester Ich-hab-heute-frei-Laune stiefele ich die Beamtenlaufbahn hoch, an der Blume vorbei, über den Campus der Kunsthochschule, die Ampel am Knooper Weg und schon bin ich da. Es sind nur dreihundert Meter.



Das Mmhio und ich. Das war keine Liebe auf den ersten Blick. Der Laden ist vegetarisch bis vegan und ich ganz sicher nicht. Trotzdem gibt es eine Menge Dinge, die ich hier mag, wie den Filterkaffee, die fetten, butterigen Croissants und die leckeren Quiches. Inzwischen habe ich gelernt, dass nicht alles, was bio ist, automatisch fade und langweilig schmeckt. Manches ist sogar ziemlich ok.

Am meisten mag ich die Atmosphäre: Eine Halle voller alter Möbel, ein derber Holzfußboden, Teelichter, leise Folkmusik, es duftet nach Zimt. Die meisten Besucher sind Studenten der Kunsthochschule. Ich liebe diesen Laden. Nirgends kann man besser sitzen und schreiben. Die Tische stehen weit auseinander und niemand stört sich an Bloggern, die endlos sitzen, Kaffee trinken, sich ab und zu was vom Tresen holen und ansonsten gedankenverloren auf ihre Laptops starren.

Ich besorge mir am Tresen einen großen Kaffee mit zwei Croissants und wandere mit der Beute hinüber zu meinem Lieblingsplatz, dem wurmstichigen Holztisch neben dem Mate Automaten. 

Sie haben freies WLAN im Mmhio, aber ich spanne meinen eigenen Hotspot auf und logge mich darin ein. Ich könnte zuhause sitzen und schreiben, aber ich mag es, im Café zu sitzen und zu bloggen. Manchmal schreibe ich für Svenja-and-the-City, aber heute arbeite ich an meinem Reisebericht über Italien für meine Svendura Seite.

Ich schlage das Moleskine auf, klemme die Seiten fest, damit es nicht wieder zuklappt und vertiefe mich in den Text. Für mich hat das Bloggen noch immer seinen Wert. Als ich vor dreizehn Jahren damit anfing, war es Das große neue Ding im Internet. Inzwischen ist die Karawane längst weitergezogen zu Youtube, Instagram und anderen Diensten, die eingängiger und leichter zu konsumieren sind.

Italien, das Lieblingsreiseland der Deutschen. Wie schreibt man darüber? Wie so oft bin ich hin- und hergerissen zwischen Meinung und Fakten, zwischen Ehrlichkeit und dem inneren Zensor.

Das Schöne ist immer leicht zu beschreiben, es macht Spaß zu loben, aber wie beschreibt man das, was man blöd fand, was einem nicht gefallen hat? Am liebsten schreibe ich offen und ehrlich, ohne zu beschönigen, aber manchmal fehlt mir dazu der Mut. Dabei weiß ich, wie es mich selbst nervt, wenn Reiseführer und Reiseberichte nur eine Tonart kennen: Dur in höchsten Tönen, alles und jedes entzückend finden. Wie dankbar ich bin für Grautöne, die mir sagen, wie es wirklich ist.

Fazit: Die Antwort habe ich mir gerade selbst gegeben. Ich liebe es zu bloggen und ich schreibe weiter so, wie ich persönlich es erlebt und empfunden habe. Kritik muss ich aushalten, so wie mein Reiseland auch. Heute ist das nicht schwer, denn Tag 4 der Italienreise war ausnahmslos ein schöner. Bis auf die Sache mit Pieps und dem Streukäse, aber dafür konnte keiner was. Wenn die Maus niesen muss, dann muss sie eben niesen.


Donnerstag, 18. Mai 2017

Bretonisches Intermezzo - Kommissar Pieps erster Fall

Commissaire Georges Dupin und ich haben manches gemeinsam: Unser Leibgericht ist Entrecôte, wir sind beide Polizisten, trinken zu viel Kaffee, lieben unsere Arbeit, und sind mitunter etwas eigenwillig. In diesem Sommer zieht es mich in die Bretagne, wo ich auf den Spuren des berühmten Kollegen wandeln werde. Dupin wurde nach einem kleinen Zwischenfall strafversetzt in die Bretagne, genauer ins Finistère, dem Finis Terrae, dem Ende der Erde. 


Der eigentliche Hauptdarsteller der Romane um Kommissar Dupin aber ist die Bretagne. Mit jeder Seite und jedem Kapitel erfahre ich neue interessante Dinge über diese offenbar einzigartige Gegend auf unserem Planeten. Als ehemaligem Pariser Großstadtpolizisten ist Dupin die Bretagne ebenso fremd wie mir. Allein seine Sekretärin Nolwenn klärt uns beide täglich über die Feinheiten der Bretagne auf: "Wussten Sie eigentlich, dass…?“

In jedem der bisherigen Bände steht eine andere Eigenheit der Bretagne im Mittelpunkt. Im dritten Band, Bretonisches Gold, geht es um die Salzbauern der Bretagne, die Paludiers. Während Dupin sich durch den Fall ermittelt, sich beschießen lässt, Verfolgungsfahrten in seinem alten Citroen XM absolviert, Entrecôte isst und zu viel Kaffee trinkt, erfahre ich nebenher alles, was es über Fleur de Sel, das Salz der Bretagne zu wissen gibt. Im Grunde sind diese Krimis ein spannender Reiseführer durch die Bretagne, verpackt in einen Kriminalfall.

Sämtliche im Roman vorkommenden Ortschaften, Personen und Ereignisse haben einen realen Hintergrund. So gibt es die Lieblingsbar des Kommissars in Concarneau tatsächlich und selbst den Austernzüchter und auch das Hotel in Pont Aven, wo Paul Gauguin gewohnt und gemalt hat. 

Pieps und ich werden alles mit eigenen Augen betrachten. Wir werden im Admiral zu Mittag essen, uns von Jean-Luc ein Entrecôte braten lassen, werden am Ufer des Aven sitzen und Austern schlürfen und quer durch die Salzgärten der Paludiers düsen.

Fazit: In diesem Sommer bereisen Pieps und ich die Bretagne auf den Spuren von Kommissar Dupin. Pieps wird weiter an ihrem berühmten „Köpper“ arbeiten, während ich in der Sonne sitze, lese, schreibe und mich um gute Fotos, Entrecôte, Käse und Wein kümmere. Ich muss bloß noch packen, volltanken, Luft prüfen, 6 Kilo abnehmen, eine neue Gaskartusche kaufen und Pieps Bikini finden. Noch 14 Mal schlafen, dann gehts los.

Freitag, 17. März 2017

POLIZEI: BITTE FOLGEN!


Am Sonntag wird mein Chef umgelegt! Zwar nicht in echt, sondern bloß im Fernsehen, aber der nächste Kieler Tatort spielt bei uns im LKA und der Dezernatsleiter Cybercrime wird ermordet. 

Während Borowski versucht, den Mörder zu schnappen, probiert die richtige Polizei etwas Neues: Wir werden den Tatort live auf Twitter begleiten und wann immer es passt, unseren polizeilichen Senf dazugeben: Was ist real? Was ist Kintopp? Wo übertreiben die Fernsehfritzen und wo kommen sie der Realität bereits gefährlich nahe? 

Für sämtliche Tweets um Cybercrime und IT-Forensik bin ich zuständig, schon weil das mein Gebiet ist, aber vielleicht auch, weil sie sonst einfach keinen gefunden haben, der Sonntagabend auf der Dienststelle sitzen und twittern will.

Natürlich darf ich nicht verraten, was wir alles können, wie wir das genau machen und welche Technik wir einsetzen, aber ein paar allgemeine Tipps und Hinweise wird es geben. Wusstet ihr zum Beispiel, dass "MAMA" kein sicheres Passwort ist?

Warum wir das machen? Weil Twitter für die Polizei ein wichtiger Informationskanal ist. Damit kommen wir direkt auf eurem Smartphone an: Keine Fake News, kein Stille-Post-Effekt, sondern pure Info direkt aus dem Lagezentrum der Polizei. Wenn einmal wirklich die Kacke am Dampfen ist, ein schweres Unglück geschieht, ein Terroranschlag, Amoklauf, ein Kind wird vermisst, oder einfach bloß eine wichtige Ampel ausgefallen ist, dann erreichen wir euch nirgends schneller, direkter und persönlicher, als über Twitter. 

Mit der Aktion #Tatort machen wir unseren Kanal bekannter und hoffen auf neue Follower, um im Fall der Fälle möglichst viele Menschen zu erreichen.

Ich freu mich auf den Sonntag, darauf im Medienraum zu sitzen, Tatort zu gucken, zu twittern, Pizza zu essen, kein Bier zu trinken und natürlich auf eure Fragen und Kommentare. Aber keine Frechheiten: Ich weiß, wo euer Computer wohnt! 


FAQ zum #tatort Twitter 

F: Sehe ich das im Fernsehen? 
A: Nein, in der Sendung selbst ist davon nichts zu sehen. 

F: Wo kann ich es dann lesen und live verfolgen? 
A: Im Internet auf dem Twitterkanal der Polizei SH, oder auf Twitter ganz allgemein unter dem Hashtag #tatort. 

F: Brauche ich dazu einen Twitteraccount? 
A: Nein, man kann den Kanal ohne Zugangsdaten direkt über seine Internetadresse aufrufen: https://twitter.com/sh_polizei?lang=de 
Wenn ihr aber mitmachen wollt, Fragen stellen, euch einbringen, oder einfach mal ein Herzchen verteilen wollt für find ich gut, dann müsst ihr angemeldet sein. Und warum auch nicht? Der große Blonde im weißen Haus tut es, Svenja tut es und die Polizei tut es auch. Keine Angst, für Twitter braucht man keine Ausbildung, es ist wie plastische Chirurgie, das kann jeder. 

F: Was soll ich tun? 
A: Folge uns auf Twitter! Klicke auf unseren Kanal und dann auf Folgen. Wir freuen uns über Follower, denn natürlich haben wir auch unseren Ehrgeiz. Die Polizei Hamburg hat 73,4 Tsd. Follower, wir erst 1750. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen! 

Diesmal ist euer Feedback besonders wichtig: 
  • Wie kommt die Verbindung aus #tatort und Polizeitwitter bei euch an? Findet ihr das doof, oder ist es cool? 
  • War die Anzahl der Tweets ok? Sollten es mehr oder weniger sein? 
  • Waren wir im Ton zu nüchtern, zu locker, oder gerade recht? 
  • Darf Polizei auch mal einen lockeren Spruch bringen, oder fühlt ihr euch dann verkaspert? 

PS: Es läuft übrigens gerade eine Stellenausschreibung für unseren Bereich. Wenn ihr also gegen Cybercrime mitkämpfen und im coolsten Bereich überhaupt an Pieps und meiner Seite im LKA arbeiten wollt, dann könnt ihr euch bewerben. Aber schnell: Die Ausschreibung läuft nur noch bis zum 20. März. Wer die Stellenanzeige nicht findet, ist ohnehin falsch bei uns, aber zur Sicherheit twittern wir den Link am Sonntagabend in der Sendung.


PPS: Meinen persönlichen Twitterkanal findet ihr unter https://twitter.com/Svendura. Ich hab' allerdings bloß 90 Follower. Hmpff...

Sonntag, 12. Februar 2017

Jahresrückblick 2016




Anfang des Jahres lässt es sich nicht länger verleugnen: Svenja geht aus dem Leim. Um ein wenig mehr Bewegung zu bekommen, kaufe ich mir ein hübsches Fahrrad und radele bei schönem Wetter damit zum Dienst. 

Im Februar besucht mich meine Freundin Dian aus Amerika und wir verbringen zu viert mit ihrem Freund Pat und meiner Freundin Claudia einen wunderbaren Abend im Ratskeller.

Den Juni verbringe ich in Litauen, Lettland und Estland auf meiner großen Rundreise durchs Baltikum. Ich lerne drei mir völlig unbekannte neue Länder kennen, bringe viele neue Eindrücke mit nach Hause und schreibe monatelang an meinem Reisebericht.

Für den September habe ich eine Tour mit dem Motorrad über die Route des Grand Alpes bis ans Mittelmeer geplant, doch zwei Tage vorher stirbt völlig unerwartet mein lieber Papa. Er war ein alter Panzeroffizier, buchstäblich ein Offizier und Gentleman und in vielem mein großes Vorbild. Als ich noch ein Kind war, sagte er: "Ein Deutscher stiehlt nicht." 

Damit war meine ethisch moralische Erziehung weitgehend abgeschlossen. So hatte vorher schon sein Papa ihn erzogen. Inzwischen bin ich seit fast 35 Jahren Polizistin und habe einen eigenen Blick auf die Dinge, doch dieser Satz ist mir immer in Erinnerung geblieben.

Nach Papas Beerdigung bin ich völlig durcheinander und ein wenig aus der Bahn geworfen. Weil ich aber noch fast drei Wochen Urlaub habe und mein Motorrad ohnehin bereits gepackt ist, breche ich kurz entschlossen auf nach Dänemark. Ich will mir Skagen ansehen. Nirgendwo sonst lässt sich so ungestört denken und bei Bedarf in den Helm heulen, wie auf langen Strecken auf dem Motorrad.

Fazit: 2016 war ein schweres Jahr, zugleich aber auch ein schönes. Der September war eine düstere Zeit, in der ich mich selbst wie von außen wahrgenommen habe, aber die Herbstreise mit Motorrad, Zelt und Schlafsack war gut für die Seele und ich habe mich wieder gefangen. Vielleicht habt ihr Lust, mir auf der Tour durch Dänemark Gesellschaft zu leisten. Manchmal ist es gut, nicht allein zu sein...

Sonntag, 22. Mai 2016

Sommer im Baltikum

Was fällt einem ein, wenn man an Dänen denkt, an Holländer, oder an Amerikaner? Irgend etwas verbindet doch jeder mit fremden Nationen. Bei mir sind es Smørrebrød, Strand und Gemütlichkeit, bzw. Fahrräder, Käse und Fußball, oder Pickup Trucks, Waffen und die endlose Prairie.

Doch woran denke ich bei Litauern? An Wohnungseinbrüche, Raubüberfälle und die bandenmäßige Begehung von Straftaten aller Art. Wie ist es möglich, dass eine ganze Nation in erster Linie für ihre Straftäter bekannt ist? Das können doch unmöglich alles Ganoven sein?!

Vielleicht liegt es daran, dass ich Polizistin bin, doch andererseits: Wann hatte ich zuletzt mit einem Dänen zu tun? Ich kann mich nicht erinnern, dabei liegt Dänemark gleich um die Ecke und es gibt doppelt so viele Dänen wie Litauer.

Svenja und Pieps beschließen, vor Ort eigene Ermittlungen anzustellen und der Sache auf den Grund zu gehen. Unseren Sommerurlaub werden wir mit Motorrad, Zelt und Schlafsack in Litauen, Lettland und Estland verbringen.

Gleich nach dem Dienst fahre ich rüber zum Kieler Ostuferhafen, um bei DFDS Seaways eine Fährpassage nach Litauen zu buchen. Dieser Hafen wirkt bereits auf den ersten Blick anders, als die übrigen Kieler Häfen. Am Schweden- und am Norwegenkai prägen Skandinavier das Bild, am Ostseekai machen die riesigen Kreuzfahrer aus aller Welt fest und im Scheerhafen löschen Massengutfrachter ihre Ladungen.




Vorbei an Lagerhallen und Kränen fahre ich zum Terminal von DFDS Seaways. Kaum ein PKW ist zu sehen, kein Wohnmobil und keine Touristen. Dafür stehen etwa 100 schwere LKW auf dem Gelände. Die meisten tragen RU für Russland im Kennzeichen, seltener LT, LV oder EST für Litauen, Lettland, oder Estland.

Die Fähre Kiel-Klaipeda ist eine der wichtigsten Verbindungen für den Güterumschlag mit Russland, denn von Klaipeda sind es nur noch 550 km bis an die russische Grenze.

Ich stelle das Auto zwischen zwei LKW ab, doch es sind nicht die üblichen Rostklopfer, die ich mit Russland in Verbindung bringe, sondern ein nagelneuer Volvo und ein hochmoderner DAF XF.

Oben im Führerhaus sitzt ein junger Mann bei offener Tür und frühstückt. Seine Schuhe stehen brav neben der Tür auf einer Matte. Der LKW ist sein Zuhause und sein ganzer Stolz, wie unschwer zu erkennen ist. Er sieht mit ausdruckslosem Gesicht zu, wie ich aussteige und zum Terminal gehe. Ich trage mein übliches Svenja Standardoutfit: Kleid und kniehohe Stiefel.

In der Halle des Terminals stehen junge Männer in Gruppen beisammen. Ihr Einheitslook besteht aus schwarzen Lederjacken zu Jogginghosen, die Köpfe kurz rasiert. Keine einzige Frau ist darunter und sogar hinter dem Buchungsschalter stehen heute nur Männer.

An der Wand hängt eine Tafel., auf der ein Revolver, ein Kampfmesser und ein Gewehr abgebildet sind: „Falls Sie im Besitz einer Waffe sind, müssen Sie diese gemäß ISPS Bestimmungen für die Zeit der Überfahrt dem Purser an der Rezeption aushändigen. Sie erhalten die Waffe bei Ankunft im Hafen zurück.“

Ich buche eine Kabine mit Seeblick und auch zwei Plätze für Pieps und mich am Abendbuffet und für den Brunch am nächsten Morgen. Alles zusammen kostet 277,30 €.

Die jungen Russen winken mir freundlich zu, als ich ein paar Fotos schieße und mit dem Ticket in der Hand zurück zu meinem Auto stöckele.


Fazit: Zu Beginn wusste ich nichts über Litauen, Lettland und Estland, doch je weiter ich mich durch den dicken Reiseführer Baltikum arbeite, desto mehr interessante Orte und Sehenswürdigkeiten entdecke ich. Besonders Litauen hat soviel zu bieten und nicht nur die allseits bekannten Ziele, wie die Wasserburg Trakai und den Berg der Kreuze.

Besonders freue ich mich auf Estland, wo es weit über tausend Herrenhäuser, Burgen, Schlösser und Gutshöfe gibt. Ich werde am Ufer des Peipussee entlangfahren und einen Jokertag auf der Insel Saaremaa zelten.

Das werden aufregende drei Wochen, bevor ich von Tallin mit der Fähre über Helsinki zurück nach Travemünde fahre. Ich kann es kaum erwarten, dass mein Sommer im Baltikum beginnt...


Samstag, 19. März 2016

Saisonstart 2016

Der Winter ist vorüber. Es geht wieder los. Abenteuer, Reisen, Motorradfahren, Zelten, Fotografieren und Schreiben. Im Sommer verbinden sich alle meine Lei­den­schaften zu einer, wenn ich mit Motorrad, Zelt und Schlafsack auf Reisen gehe.


Im Frühling geht es nach Mandø, eine Insel zu der es keine Brücke und keine Fähre gibt. Sie ist nur übers Watt zu erreichen und es macht irren Spaß, mit der Enduro ins Ungewisse zu heizen, weil die Insel vom Festland nicht zu sehen ist. 

Und dann die große Sommerreise: Ich habe eine Schiffspassage für Greeny, Pieps und mich nach Litauen gebucht. Wir werden Vilnius besuchen, durch die Wälder Lettlands düsen und Estlands alte Gutshöfe anschauen. Dort gibt es hunderte historischer Rittergüter, Burgen und Landhäuser. Manche sind als Hotels und Gästehäuser hergerichtet. 

Und das Beste: In den Ländern des Baltikums ist Endurofahren noch möglich und viele Straßen sind nicht asphaltiert. 

Dann im Herbst… Aber das kommt später, dafür ist es noch zu früh. Nur soviel: Im Oktober macht der Autozug seine letzten Fahrten, dann möchte ich an Bord sein. 

Gestern war ich zum Saisonstart in Eckernförde und habe unten am Hafen meine neue Kamera ausprobiert. Es war sonnig, eisekalt und wunderschön. Ein herrlicher Tag, um am Leben zu sein. 

Welche Bedeutung haben die Dinge, die wir gerne tun? Machen sie aus, wer wir sind? Woher kommen unsere Leidenschaften? Ich kenne die Antwort nicht, aber solange ich mich nach jedem Winter wieder auf meine Enduro schwinge, den Motor starte und mit Zelt und Schlafsack ins Abenteuer fahre, solange bin ich noch nicht erledigt.

Donnerstag, 31. Dezember 2015

Jahresrückblick 2015

Silvestermorgen. Ich stehe vor dem Weinregal im Supermarkt und nehme zwei Flaschen Sekt in die Hand. Wieso eigentlich nicht, denke ich? Es war ein turbulentes Jahr und wenn es je einen Grund zum Feiern gab, dann heute. 


Eine kurze Bestandsaufnahme: Gesund? Bin ich. Mir fehlt nichts. Es ist Jahre her, dass ich zuletzt was hatte, oder überhaupt beim Arzt war.

Beruflich? In diesem Jahr bin ich Chefin geworden, Leiterin der IT-Forensik des LKA, und im Dezember bin ich auch noch befördert worden. Ich könnte platzen vor Stolz. Aber trotzdem ist das nur die Arbeit. Ich habe auch noch ein Leben.

Thema Geld: Schulden, Alimente und Unterhalt haben mich 10 Jahre lang geknechtet, doch seit diesem Jahr bin ich schuldenfrei. Mein Gehalt hat sich damit über Nacht verdoppelt. Sämtliche Schulden beglichen, der Unterhalt bezahlt. Mit einer Insolvenz hätte ich das in 7 Jahren geschafft, aber das ist nicht mein Weg.

Die letzten 10 Jahre habe ich ein kleines Leben geführt. Das möblierte Zimmer, der alte Kleinwagen mit 50 PS, das 250 cc Motorrad. Ich liebe diesen Minimalismus, mein kleines Leben, das ich dafür aber fett bewirtschaften kann: Ich leiste mir gutes Essen, Entrecote und Wein, gebe Geld aus für Bücher, Filme und Musik, kaufe mir Schuhe und Kleider; und dann sind da noch meine Reisen:

Im Mai war ich mit der Enduro, Zelt und Schlafsack in Frankreich und hatte einen tollen Urlaub. Das Schreiben der Reiseberichte ist inzwischen längst zu einem eigenen Hobby geworden.

Am 20. August ist mein neues Leben 10 Jahre alt geworden. Namensänderung, Personenstand, neue Geburtsurkunde, all das liegt lange hinter mir. Schon verrückt. Man liest zwar Geschichten über solche Sachen, aber man glaubt niemals, dass es einem selbst passiert.  

Doch auch wenn man die Vergangenheit hinter sich lässt, bleibt immer irgendwas, woran man festhält. Bei mir ist es das Endurowandern mit Zelt und Schlafsack. Das habe ich schon als Sven geliebt und das liebe ich auch heute noch: Motorradfahren, zelten, fotografieren, am Lagerfeuer sitzen, Fleisch braten, Bier trinken, eine gute Zeit haben. 

Im September bin ich durch die Alpen gefahren, durch Bayern, Österreich, Liechtenstein und die Schweiz, aber davon berichte ich demnächst auf meiner Reiseseite.

Was sonst noch? Ich fotografiere wieder, ein Hobby, das sogar noch älter ist, als das Motorradfahren. Ich habe die Street Photographie für mich entdeckt und auch wenn mir Talent fehlt, Freude macht es trotzdem. Man muss nicht gut in etwas sein, um Spaß daran zu haben. Wer je eine Casting Show gesehen hat, weiß was ich meine.

Fazit: 2015 war ein unglaublich anstrengendes, schönes, beschwerliches, lustiges und ereignisreiches Jahr.
In wenigen Stunden kommt mein gesamter Freundeskreis zur Silvesterparty. Die letzte Zählung der Gästeliste ergab exakt: 1, meine Freundin Claudia. Ein kleiner, aber erlesener Kreis. 

Wir werden Racelette essen, Sekt und Wein trinken, ich werde meine neuen High Heel Pumps tragen, das Feuerwerk fotografieren und später vielleicht die Nachbarn heimsuchen. Ich freue mich auf Silvester.

Ein frohes neues Jahr euch allen.

Dienstag, 22. Dezember 2015

Im Comic Book Shop

Comics sind meine große Leidenschaft, wenn auch eine von vielen. Nur ein paar Schritte von meiner Wohnung gibt es einen sagenhaft guten Comicbuchladen, der dem aus Big-Bang-Theory in nichts nachsteht. Sein Inhaber hat dasselbe fundierte Wissen über Comics, wie Stuart Bloom aus der Serie.



Mir haben es besonders die Graphic Novels angetan, Romane in Comicform. Mit Micky Maus, oder Fix und Foxi hat das wenig zu tun. Es sind Titel wie Sophie Scholl, oder Sherlock Holmes und eine Menge anderer bekannter Bücher als Comic.

In der Wilhelminenstraße findet man sie alle. Comics sämtlicher Genres stapeln sich meterhoch in den Regalen und natürlich gibt es auch Fantasy Waffen, wie Schwerter und Streitäxte, oder die allerneuesten Laserschwerter.

Wie schwierig es ist, eine Geschichte nur in Bildern, mit Textboxen und Sprechblasen zu erzählen, stelle ich gerade fest. Ich möchte einen meiner Reiseberichte als Graphic Novel gestalten und weiß nicht, wie ich die komplizierteren Gedanken ausdrücken kann.

In meinem Reisetagebuch stehen soviele Eindrücke, Situationen und Begebenheiten, Menschen und Orte, Gerüche und sogar der Geschmack des Essens. Wie drückt man das in einem Comic aus? Wenn ihr einen Tipp, oder eine Anregung für mich habt, dann freu ich mich darüber. 

PS: Der aktuelle Stand des Svendura Comics ist hier zu sehen...

Dienstag, 25. August 2015

Tafelspitz statt Entrecote

Bevor der Herbst mit Regen und Sturm die Saison beendet, gehen Pieps und ich noch einmal auf Reisen. Diesmal wollen wir in die Alpen. In Österreich war ich schon einmal, aber eher aus Versehen. Ich hatte mich  hoffnungslos im Wald verirrt, irgendwo in Tschechien, und wusste weder vor noch zurück. Als ich schließlich doch wieder aus dem Unterholz gebrochen bin, da war ich in Österreich.



Das Wenige, das ich dort erlebt habe, hat mir gut gefallen. Nette Menschen, gutes Essen, hübsche Landschaft. Das ist ein tolles Ziel für meine Herbstreise. Aber natürlich gibt es immer jemanden, der etwas zu meckern hat:

Pieps: "Nur Karo hat gesacht, ihr Papa hat gesacht, Österreich is voll lamweiläch."
Ich: "Österreich und langweilig? Wiener Schnitzel, Tafelspitz, Salzburger Nockerln, Saftgulasch, Sachertorte, Palatschinken, Käsekrainer, Speckknödel und Backhendl sind langweilig?"
Pieps: "Karo is' wieso doof. Ich hol mein Berkini. Denn könn' wir los."
Ich: "Fast, mein Schatz. Noch vier Mal schlafen, dann fahren wir wieder los."

Die Anreise unternehmen Pieps und ich standesgemäß mit einem Autoreisezug der Österreichischen Bundesbahn. Die ÖBB fährt auf deutschen Gleisen von Hamburg nach Wien und das zu erstaunlich günstigen Preisen. Für Greeny, Pieps und mich kostet es gerade einmal 154 Euro.

Von Österreich fahren wir durch Liechtenstein weiter in die Schweiz. Dort zelten wir zwei Tage  an einem Gletscher in 1.600 m Höhe, bevor wir irgendwann in Lörrach landen und über Nacht mit dem Autozug der Deutschen Bahn zurück nach Hamburg-Altona schlafen.

Fazit: Drei Wochen Österreich und die Schweiz. Ich freue mich auf die kleine Herbstreise. Wir werden uns Hallstatt ansehen, die Riegersburg, den Großglockner, Salzburg, Innsbruck und viele andere tolle Ziele. Auf den Wunsch einer gewissen Maus inspizieren wir sogar die Zotter Schokoladenwerke. Ob Pieps allerdings ihren Bikini brauchen wird, im September in den Alpen? 


Sonntag, 8. März 2015

Ferien an der Loire

Die nächste Reise soll eine Erholungsreise werden, das hatte ich am zweiten Tag in Polen in mein Moleskine geschrieben. Ein richtiger Urlaub mit Lebensart und südlichem Flair, mit gutem Essen und mit ohne viel Abenteuer. Der erste Gedanke, der mir in den Sinn kommt ist: Frankreich!





"Frankreich? Davon weiß ich leider gar nichts", gibt Claudia bedauernd zu: "Ich kenne weder die Geographie, noch die einzelnen Regionen. Das Land ist mir völlig fremd", räumt die beste Freundin von allen beschämt ein. Ein Land, über das Claudia nichts Kluges zu sagen weiß? Mein Interesse ist geweckt.

Dreimal bin ich bisher mit dem Motorrad in Frankreich gewesen: 1982 mit meiner Suzuki DR500, zwei Jahre später auf meiner XT350 und 2010 mit Greeny, meiner KLX250. Die Motorräder, mit denen ich reise, werden immer kleiner.

Woran erinnere ich mich aus den achtziger Jahren? An wunderschöne, schmal geschlängelte Straßen durch liebliche Landschaften, an ein groteskes Überangebot von Campingplätzen, an unglaubliche Sanitäranlagen, die an den Waschraum aus Trainspotting erinnern und an Menschen, mit denen ich mich noch schwieriger verständigen kann, als mit den Polen.

Andererseits ist Frankreich das Heimatland von Entrecote und Blanchet, von Käse und Rotwein, von Lebensfreude und Genuss, kurzum von Erholung für ein älteres Dämchen wie mich. 

Meine Ziele sind die Loire und die Auvergne. Von Kiel fahre ich über Hamburg und Bremen nach Holland, weiter durch Belgien nach Frankeich bis an die Loire, wo ich dem Lauf des Flusses bis in die Auvergne folge. Die Auvergne und die Cevennen sind die am dünnsten besiedelten und einsamsten Regionen Frankreich, in denen mehr Kühe und Schafe leben als Menschen.

Gerade studiere ich Reiseführer, Landkarten und Reiseberichte, klicke mich durch Google Maps, fahre Straßen mit Google Street View ab, suche nach alten Eisenbahntunneln, Schaubergwerken und hübsch gelegenen Campingplätzen. Der aktuelle Stand der Planung? Ich bin schon bis Garrel, ein Dorf kurz hinter Bremen. 

Fazit: Diesen Sommer geht es zum Familienurlaub nach Frankreich: Nur Greeny, Pieps und ich. Pieps ist begeistert, weil sie von jedem "Orlaub" begeistert ist und außerdem Frankreich für das Mutterland von "Onktrekoot, Körsch und Leberwoast" hält. Nun, wir werden sehen...

PS: Tipps und Hinweise zu Frankreich sind sehr willkommen.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Gedanken zur Street Photographie

Tierfotos? Schon bei dem Gedanken daran schlafe ich ein. Das dürfte das Einzige sein, das sogar noch lang­weiliger ist als Tierfilme.

Natur, Wald, Pflanzen? Das Zeug in den Stollen meiner Enduroreifen? Nett, aber kein Fotomotiv.

Nein, mich fasziniert Street Photographie, die Straßen­fotografie. Plump ausge­drückt und extrem ver­ein­facht: Man fotografiert fremde Menschen in der Stadt.

Der berühmteste Name in diesem Zusammenhang ist Henri Cartier-Bresson, ein französischer Straßen­fotograf des 20. Jh. und Mit­be­gründer der Bildagentur Magnum Photos, die so bekannt ist, dass sogar ein Kultur­banause wie ich von ihr gehört hat. Bresson ist der Altmeister der Straßenfotografie schlechthin.

Prompt habe ich mir einen dicken, teuren, fast 3 kg schweren Bildband gekauft und was soll ich sagen? Die Fotos langweilen mich. Historische Aufnahmen aus den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrtausends, so interessant wie Standbilder aus einem Stummfilm. Sicher ein begnadeter Fotograf, dem keiner heute das Wasser reichen kann, aber mit mir und meiner Zeit haben seine Bilder nichts zu tun. Wenigstens sieht der Wälzer auf meinem Nachttisch beeindruckend und ein wenig nach Bildung aus.

Ich muss meine eigenen Motive finden und ich weiß, dass meine Bilder schwarzweiß sein werden. Farbe ist für meine Reisefotografie, die Schnappschüsse, die ich auf meinen Motorradreisen mache. Was also ist mein Thema, was sind meine Motive, was interessiert mich?

Straßenfotografie interessiert mich, allerdings mag ich keine Menschen fotografieren. Zuerst dachte ich, das sei meine Angst, Fremden die Kamera ins Gesicht zu halten, aber nein, das ist es nicht: Die Scheu kann ich überwinden, aber die Menschen interessieren mich nicht. Wenn einer zufällig ins Bild rennt, ist es ok, aber mein Motiv wird er nicht.

Rannte plötzlich ins Bild...
Gute Street Photographie liefert den "Candid Shot", ein Foto in dem Moment aufgenommen, bevor die Person merkt, dass sie fotografiert wird, oder vielleicht merkt sie es nie, weil es heimlich mit langer Brennweite aufgenommen wurde. Nein, das ist nichts für mich, sowas tut man nicht.

Nun haben wir in Deutschland Das Recht am eigenen Bild, das es in dieser Form nur in Deutschland  und ungefähr noch in Nordkorea gibt, welches bereits das bloße Aufnehmen fremder Menschen verbietet, nicht erst das Veröffentlichen.

Danke Jungs. Ihr Datenschützer seid die Veganer der Digitalen Welt: Ihr habt schon Google Streetview für Deutschland verhindert.  Eure Aufgabe ist es, alles zu verbieten, das nützlich ist, Spaß und Freude macht, ungesund ist, oder einfach nur Genuss verspricht. Ich wette, ihr seid in eurer Schulzeit nie zu Partys eingeladen worden...

Nun könnte ich die Menschen vorher fragen und mir ein Model Release unterschreiben lassen, was beides reichlich weltfremd ist, oder ich lasse es und gestalte Aufnahmen so, dass die Personen darauf nicht zu erkennen sind.

Antiquariat Bücherwurm im Knooper Weg. Dort kann ich stundenlang stöbern.
Auf meinen ersten Streifzügen durch Kiel habe ich schnell gemerkt, wieviel Spaß mir die Street Photographie macht, aber ich merke auch: Die Menschen interessieren mich eigentlich nicht. Sie sind allenfalls Staffage, wenn sie zufällig ins Bild laufen.

Fazit: Mein Thema nenne ich Urban Photography. Szenen meiner Stadt, gerne ohne Leute, aber nicht irgendeiner Stadt, sondern Kiel, schließlich heißt es ja Svenja-and-the-City. Und zu einem Foto gehört immer auch eine Geschichte, sonst ist das Bild nicht komplett.

Ich möchte Details zeigen, ungewohnte Perspektiven, lost places, schmutzige Ecken, eben die Ansichten einer Stadt, die Fremde nie zu sehen kriegen und die nicht auf Postkarten abgebildet werden.

Mein erstes Projekt wird 'Mein Kiez', mein Wohnbereich sein. Die Gegend, in der ich zu Hause bin, jeden Laden kenne und wo ich auf der Straße gegrüßt werde, wenn ich vorbeigehe, zumindest beim Schlachter und in den Bars...

Samstag, 8. November 2014

Warum ich Tschechow liebe

Laute Popmusik spotifyt durch meine Wohnung, während ich zwei Kleider prüfend vor mich halte. Welches ziehe ich heute Abend ins Theater an? Das kleine Schwarze, oder lieber das freche Rote? Und welche Schuhe? Die hohen, oder lieber die flachen von Buffalo mit den 7 cm Stilettos? Heute gibt es Drei Schwestern von Tschechow. Ein Drama, schwere Kost, aber ich mag schwere Kost und Dramen sowieso.  


Doch im Grunde ist nicht das Stück allein die Hauptsache, denn so ein Theaterabend hat mehr zu bieten, allerdings muss er generalstabsmäßig geplant sein: Wer besorgt die Karten? Ok, darum kümmert sich Claudia. Wir sitzen ohnehin seit Jahren auf denselben Plätzen in der dritten Reihe.

Und wer fährt? Du, oder ich, oder Taxi? Claudia fährt, denn ich möchte Wein trinken und Taxi mögen wir beide nicht, weil die Fahrer manchmal so unangenehme Typen sind.

Heute habe ich extra sehr früh Feierabend gemacht, damit ich den Nachmittag vorschlafen kann. Tschechow ist anstrengend und da kann ich keine Müdigkeit gebrauchen und am wenigsten, dass mir die Augenringe durch den Concealer wachsen.

Wie immer kreisen Claudia und ich schon viel zu früh durch die Holtenauer Straße ums Kieler Schauspielhaus herum: Eine Viertelstunde, um einen Parkplatz in Pumpsnähe zu finden und eine weitere Stunde, um im Foyer zu stehen, Wein zu trinken und den eigenen Marktwert einzuschätzen.

Lässig sitze ich auf einem Barhocker im Foyer und mustere möglichst unbeteiligt die weibliche Konkurrenz, die einzeln, paarweise, oder in kleinen Grüppchen eintrifft, während ich an meinem Weinglas nippe.

Genau deshalb mag ich die Klassiker, da bin ich meistens die Jüngste, besonders bei Tschechow. Das war schon im Kirschgarten so. Die meisten sind deutlich älter: Viele Bequemschuhe, ein paar Verwachsene, die üblichen Ökosinger in ihren bunten Bioklamotten, ein paar ungeschickt kombinierte, hübsche Einzelteile, wenige nette Abendkleider. Mein Selbstwertgefühl steigt, ich liebe Tschechow.

"Was will die denn hier?", mache ich Claudia entrüstet auf eine junge Else aufmerksam, die in einem viel zu kurzen Fummel auf hohen Absätzen ins Foyer stöckelt. "Wie kann man so ins Theater gehen?", füge ich missbilligend hinzu, "Die Disco ist nebenan!"

"Ja, so sollte man tatsächlich nur in die Disco und nicht ins Theater gehen, Tinky Winky", erwidert Claudia, während sie mir einen ihrer unergründlichen Blicke zuwirft. Jetzt bin ich froh über mein Outfit und dass ich die Fishnets weggelassen habe, mit denen ich den dezenten Look etwas aufpeppen wollte. Wahre Damen haben sowas nicht nötig, denke ich und spitze instinktiv die Lippen, was mir stets einen leicht zickigen Ausdruck verleiht.



Mit dem zweiten Gong nehmen Claudie und ich unsere Plätze ein. Es wird dunkel im Saal und der Vorhang öffnet sich. Das Licht auf der Bühne zieht mich sofort in seinen Bann, solches Licht gibt es nur im Theater. Dieser wunderbare Guckkasteneffekt, wenn man aus dem Dunkel des Zuschauerraums auf die perfekt ausgeleuchtete Handlung schaut, echte Menschen, die direkt vor einem spielen, sprechen, rufen, schreien, weinen und schwitzen.

Das gibt es nur hier. Oh, ich liebe das Theater. Wenn die jungen Leute nur wüssten, wieviel Spaß ein Theaterabend machen kann mit allem was dazugehört, dann würden sie vielleicht das Dschungelcamp einmal sausen lassen, die tätowierten Füße in ihre besten Sneaker stecken und einen wahren Premiumabend erleben.

Dienstag, 8. Juli 2014

Die Reise nach Masuren

Der Ostblock ist mir nicht geheuer und alles andere als sympathisch: Trostlos und verdrießlich, trist und grau, grell­bunte Reklame auf bröckelndem Beton, hässliche Einfall­straßen in öde Städte, miese Camping­plätze, auf denen sich am Wochenende betrunkene Jugendliche tummeln. Doch, ich habe ein ziemlich klares Bild von Polen. 

"Bist du denn schon einmal dort gewesen?", möchte Claudia wissen und sieht mich dabei mit diesem ruhigen Blick an, der einem total auf die Nerven gehen kann. So ein Blick, wie ihn sonst nur Deutschlehrer drauf haben, die immer zu wissen scheinen, wenn man nur den Klappentext gelesen hat.

"Wieso? Was hat das denn damit zu tun?", gebe ich ausweichend zurück. Wenn man sich nicht sicher ist, ist es immer gut, eine Gegenfrage zu stellen.

"Also, warst du schon einmal in Polen, oder warst du nicht?", bohrt die beste Freundin von allen unerbittlich nach.

Jetzt darf ich auf keinen Fall Schwäche zeigen: "Ne, war ich nicht, aber ich war auch noch nicht am Nordpol und weiß trotzdem, dass es da schweinekalt ist und alles voller Pinguine", erwidere ich schlagfertig und komme mir schon etwas weniger ertappt vor.

"Hör mal, Tinky Winky," setzt Claudia ihre Predigt fort, "du solltest ein Land schon kennen, bevor du in aller Öffentlichkeit solch ein vernichtendes Urteil abgibst. Und am Nordpol gibt es übrigens keine Pinguine, das ist der Südpol", fügt sie klugscheißerisch hinzu.

"Du könntest dir Masuren ansehen, tiefblaue Seen, verlassene Landstriche, sandige Waldwege, alte Allen, Vögel und Geziefer, Sümpfe und Einsamkeit", kommt Claudia ins Schwärmen. "Das ist doch genau das, was du auf deinen Motorradreisen so schätzt."

"Meinst du wirklich, das lohnt sich, da mal hinzufahren?", frage ich misstrauisch.

"Da gibt es so Vieles, das du dir ansehen könntest: Die gewaltige Marienburg, den Elblag Kanal, die Kaschubische Schweiz, die Festung Bytow, die kurische Nehrung, die Biebrza-Sümpfe, die Wälder von Augustow, den Masurischen Kanal, der niemals fertig gestellt wurde, und natürlich Nikolaiken, das Venedig des Nordens."

"Na gut, wir können am Samstag ja mal sehen, ob es so eine Art Reiseführer von der Gegend gibt", lenke ich großmütig ein, denn ich erinnere mich, dass von Claudia auch der Tipp mit Gotland kam und der war gar nicht so schlecht, aber das können wir jetzt noch nicht wissen.

Noch vor vier Jahren habe ich über die Angst vor Polen geschrieben und bin dort nicht hingefahren, aber inzwischen gibt es einige Lichtblicke, denn wir beide haben uns weiterentwickelt, Polen und ich.

Ich durch günstige Lebensumstände und die fleißige Einnahme von Hormonen, und Polen durch den Lauf der Zeit, die Zugehörigkeit zur EU, oder vielleicht steht das Land auch nur auf einer Wasserader, ich weiß es nicht, aber die letzte Gay Pride soll zum ersten Mal eine fröhliche Party ohne Hauerei gewesen sein.

Nun ist mir die Gay Pride als solche völlig piepenhagen, aber sie ist ein wichtiger Indikator für die Toleranz und Aufgeschlossenheit einer Gesellschaft, eine Art Lackmustest, so wie Heidekraut auf sandigen Boden hinweist, denn ich habe keine Lust, verkloppt zu werden, nur weil irgend ein Hinterwäldler glaubt, er habe meinen Exmann entdeckt.

In der Buchhandlung kann ich mich für keinen der Reiseführer entscheiden und jetzt liegen beide aufgeschlagen und mit zahlreichen Markierungen versehen zwischen Infomaterial, Schmierpapier und Textmarkern auf einer Landkarte von Masuren.

Auf dem Bildschirm des iMac ist ein altes Eisenbahnviadukt zu sehen, das nahe der russischen Grenze steht. Wäre es nicht irre, da mit der Enduro rüberzufahren? Keine Ahnung, ob das geht, aber ich werde es herausfinden.

Fazit: Ich freue mich auf Polen und ganz besonders auf Masuren, aber ich bin auch ein klein wenig ängstlich, doch seinen Ängsten und Vorurteilen muss man sich stellen. Immer wieder.

PS: Natürlich bin ich nicht ganz allein unterwegs, denn Pieps und Greeny sind dabei, wie auf allen Reisen...

Freitag, 20. Juni 2014

Alltäglich und banal

Mit der Normalität ist das so eine Sache: Sie ist immer auch ein wenig langweilig. Die aufregende Zeit ist vorbei, in der jeder Schritt vor die Tür von höchster Aufmerksamkeit und ängstlicher Wachsamkeit begleitet war. Heute ist mir kaum noch bewusst, dass ich einmal trans war. Die letzte Situation war so ungewöhnlich, dass ich heute noch darüber lachen muss. 




Aber was hat sich verändert, was ist heute anders als früher, als ich noch Sven war und nicht Svenja? Abgesehen von Klamotten, Busen und MakeUp wenig und das Wenige ist auf das Älterwerden und auf die persönliche Entwicklung zurückzuführen und nicht auf Hormone und hohe Schuhe. Als ich den Switch gemacht habe, war ich erst 43, heute bin ich 52, da soll ein Mensch sich schon verändern.  

Wichtiger ist, was sich nicht verändert hat, die Dinge, für die ich wirklich brenne, sie sind noch immer dieselben: Das Reisen auf meiner Enduro mit Zelt und Schlafsack, Fotoapparat und Notizbuch und später das liebevolle Kombinieren von Texten, Grafiken und Fotos zu einem Reisebericht, die Arbeit am Computer mit Grafiktablett und Photoshop, mit html und css. Das begeistert Svenja ebenso sehr, wie es schon Sven begeistert hat. 

Aber gibt es denn gar nichts, das heute grundlegend anders ist als früher, etwas worin sich das Leben als Frau völlig unterscheidet von dem eines Mannes? 

Vielleicht eine Sache: Ich sehe Frauen und Männer heute völlig anders als früher. Frauen sind nicht mehr die verehrten Lichtgestalten, die es zu erobern gilt und Männer kommen mir heute seltsam oberflächlich vor. Das hängt damit zusammen, dass viele Männer am liebsten über Technik sprechen und selten über Zwischenmenschliches. Frauen langweilt das und so auch mich. 

Und so sitze ich im Café Fiedler beim Frühstück und schwatze mit einer Freundin über Belangloses, Zwischenmenschliches, Schuhe, Mode und Gesundheit, analysiere die neue Beziehung einer Bekannten und bespreche all die Dinge, bei denen ein Mann sich tödlich langweilen würde. 

Am Nebentisch sitzen Frauen, die ähnliche Gespräche führen. Sie sind etwas älter als ich, so dass Schuhthemen zugunsten der Gesundheit allmählich in den Hintergrund treten, aber ansonsten sind es die gleichen Gespräche. Das aktuelle Mediamarkt Prospekt interessiert diese Girls ebenso wenig wie mich selbst. 

Und auch die verstohlenen Blicke und das Getuschel fremder Menschen auf der Straße haben vor Jahren aufgehört. Das geschah so allmählich, dass es mir nicht einmal aufgefallen ist. 

Fazit: Manchmal ist es fast ein bisschen langweilig, so ein handelsübliches Frauenleben, jetzt da der Switch vollzogen und das transThema durch ist. Es wird Zeit, dass ich mir ein neues Abenteuer suche. Irgendetwas Aufregendes...

Samstag, 17. Mai 2014

800 m bis zum Start

Noch acht Mal schlafen, dann geht es wieder los, Pieps und ich fahren nach Gotland. Was als geruhsame Tour in die Sommerfrische gedacht war, habe ich in den letzten Wochen zu einer spannenden Wildnistour aufgebohrt.



Mit der Stena Germanica starten wir am Sonntag nach Göteborg und weil das Schiff fast vor unserer Haustür ablegt, kommen am ersten Reisetag nur 800 m auf den Tacho.

Für den nächsten Morgen wurde auf Wunsch einer gewissen Maus das große Skandinavische Frühstücksbuffet gebucht, so dass wir schon völlig erledigt sein werden, bevor wir überhaupt in Schweden ankommen.

Von Göteborg durchqueren wir Schweden von West nach Ost, zelten unterwegs einmal, und setzen am nächsten Tag mit der Fähre nach Gotland über.

In Visby angekommen, werden wir unser Zelt an der Ostküste aufstellen und drei Tage lang die Insel erkunden. Wir werden Visby anschauen, nach Färö übersetzen, die Grotte von Lummelunda besuchen und uns die Raukar ansehen, merkwürdig geformte Steinsäulen, die am Strand herumstehen.

Von Gotland geht es auf einer anderen Fährlinie nach Nynäshamn, südlich von Stockholm, wo wir eine Nacht in den Schären zelten. In den folgenden Tagen geht es über Sala, Falun und Mora nach Nordwesten bis in das Gebiet des Kungsleden, wo es nur noch Pampa, Schotterpisten und Einsamkeit gibt.

Für diese Reise habe ich viele interessante Schotterstrecken gesammelt, darunter eine still­gelegte Bahnstrecke, und zu einer Route verknüpft. Diese Pisten sind auf Straßenkarten nicht verzeichnet, so dass ich ein kleines GPS Gerät im Cockpit habe, wie es Geocacher benutzen. Nach dem illegalen Grenzübertritt in Tschechien bin ich ganz begeistert von dieser neuen Möglichkeit, mich in Schwierigkeiten zu bringen.

Was noch?
Den Minikanister mit 1,5 Liter V-Power nehme ich wieder mit. Schweden hat zwar genügend Tankstellen, aber oben am Kungsleden ist das Tankstellennetz dünn und außerdem komme ich auf meiner Route durch die Pampa nur durch wenige Orte.

Und noch etwas ist neu: Ich bin ab von Kettenfett! Der zähe Fettklumpen am vorderen Ritzel und die verschmierten Felgen, die will ich nicht mehr. Ich habe die Kette blitzeblank geputzt und schmiere sie ab jetzt mit klarem Sprühöl. Es wird nachberichtet...

Nach Gotland fahre ich mit dem Mountain Marathon Daune, einem etwas dünneren Sommerschlafsack, in dem ich schon in Schottland ganz prächtig gefroren habe. Auch darüber wird nachberichtet...

Hat jemand das tolle neue T-Shirt bemerkt, das mir eine Freundin geschenkt hat? Das kann man sogar auf Google Earth erkennen, so leuchtend orange ist es. Danke noch einmal dafür, Baby!

Jetzt muss ich nur noch den Einkauf für die Kabinenparty erledigen, die Pieps und ich traditionsgemäß auf jeder Schiffspassage feiern: Gebratener Schweinebauch, Senf, Schokolade und Bier. Noch acht Mal schlafen...

PS: Und ich hab nach 11 Jahren eine neue Hose gekauft, dasselbe Modell, aber diesmal in M und nicht XL...