Ob ich mitgehe zum Poetry Slam, fragt mich die beste Kollegin von allen. "Ach bitte, das ist auch echt total toll." fügt sie hinzu, als ich nicht gleich begeistert zustimme. Dabei zögere ich nur, weil ich nicht die geringste Ahnung habe, was das überhaupt für ein Biest ist, so ein Poetry Slam. Doch Sie klärt mich auf:
Der Poetry Slam ist eine Dichterschlacht, bei der Poeten mit selbstgeschriebenen Texten gegeneinander antreten. Jeder kann mitmachen und hat sechs Minuten Redezeit. Die Texte können lustig oder traurig sein, Prosa oder Poesie. Am Ende entscheiden eine Jury und der Applaus des Publikums über den Sieger des Abends.
In Gedanken wäge ich Chancen und Risiken der Veranstaltung gegeneinander ab. Pro: ich verbringe vielleicht einen total netten Abend zusammen mit meiner Freundin und kann außerdem mein neues Vero Moda Strickminikleid ausführen. Contra: vielleicht ist so ein Dichterwettstreit grottenlangweilig und der Weißwein dort schmeckt wie Laternenpfahl ganz unten. Ich kann das jetzt noch nicht wissen, aber am Ende wird eines der beiden Contras fett zutreffen!
Ich bin skeptisch, aber mit einem langgezogenen
„okeeeh“ verspreche ich Ihr, sie zu begleiten. Ich merke selbst, wie dünn das klingt und lege schnell noch einen nach:
„Ich freu mich schon total darauf.“ Ich hüstele und fasse mir dabei unauffällig an die Nase. Nein, sie ist nicht länger geworden.
Der Poetry Slam findet in der Kieler
Schaubude statt. Als der Laden gegen 21 Uhr öffnet und wir durch den schweren schwarzen Vorhang treten, erwartet uns eine dichte, dunkle Clubatmosphäre. Welch ein cooler Laden, denke ich und fühle mich auf Anhieb wohl.
Die Leute drängen herein und schon nach wenigen Minuten ist die Schaubude bis auf den letzten Platz besetzt. Viele hocken einfach vor der Bühne auf dem Fußboden. Andere sitzen in den Fensterbänken der großen Außenscheiben, die mit Holz vernagelt sind. Kein natürlicher Lichtstrahl dringt herein und Stühle gibt es kaum.
Mit geübtem Blick finden wir zwei sehr gute Plätze an der Bar. Von hier aus haben wir freie Sicht auf die Bühne, auch wenn wir leider stehen müssen. Ich trage meine bequemen Ballerinas, doch Sie in ihren hohen schwarzen Pumps muss ganz schön leiden. Das hier ist eindeutig Chucks Country, denke ich.

Endlich geht es los und ein langer, schlaksiger Typ betritt die Bühne. Es ist
Björn Högsdal, der Veranstalter des Slam. Mit seiner lockeren Art zieht er das Publikum schnell auf seine Seite. Der erste Poet hat es am schwersten, weil das Publikum noch kalt ist. Björn wirft sich daher vor Beginn mit einem eigenen Text außer Konkurrenz ins Feuer. So schlägt er gleich fünf Fliegen mit neun Klappen: er bringt das Publikum in Stimmung und kann dabei seine neuen Texte ausprobieren.
Nacheinander treten jetzt die Poeten auf die Bühne. Sie stehen dort ganz allein nur mit ihrem Text und mit sich selbst. Ich würde bewußtlos werden vor Lampenfieber. Doch die Poeten an diesem Abend sind erfahrene Slammer und wirken völlig cool. Die verrückten anarchisch lustigen Texte von Team & Struppi machen es uns leicht. Die beiden sind mega witzig und meiner Freundin tropfen die Lachtränen nur so in den Ausschnitt.
Ein anderer Blogger hat sich einmal
beschwert, das Publikum sei zu laut gewesen, doch bei
Anke Fuchs Auftritt
„Was wisst ihr schon davon“ wird es still in der Schaubude und das Lachen bleibt mir im Halse stecken. Poetry Slam ist nicht StandUp Comedy, auch wenn viele lustige Texte vorgetragen werden. Seht euch das Video an, dann habt ihr einen perfekten Eindruck von der besonderen Atmosphäre beim Poetry Slam.
Am Ende bin ich so begeistert von meinem ersten Slam, dass ich sogar vergessen habe, wer gewonnen hat. War es der nette Junge aus der Schweiz? Oder war es Anke? Ich weiß es nicht mehr und es ist auch nicht wichtig, denn die Poeten waren alle klasse.
Nicht vergessen aber habe ich den Weißwein, mit dem ich absolut Recht behalten sollte. Die Auswahl beschränkte sich auf
den nehme ich oder den
nehme ich nicht, aber schmecken tat der Wein fast genauso mies wie in der
BAZILLE. Jungs, das Zeug ist schlimmer als jeder Glykol Verschnitt aus'm TetraPack. Das muss unbedingt besser werden.
Fazit: Falls euch mal irgendwann eine Freundin fragt, ob ihr mit zum Poetry Slam gehen wollt, dann erwarte ich ein begeistertes: „Hurra, na klar!“ Macht es einfach, es lohnt sich wirklich. Wir sehen uns beim nächsten Slam.Transfaktor: Eins Plus. Das Publikum sind überwiegend Studenten. Tolerant, weltoffen und außerdem total mit sich selbst beschäftigt. Als T-Girl könnt ihr ganz beruhigt dorthin gehen. Es ist ganz sicher lustig und ihr braucht keine Angst vor dummen Sprüchen oder vor Anfeindungen zu haben.