Freitag, 20. April 2012

Hurtigruten Tag 8 - Noch 2000 km bis zum Nordpol


Als das Handy mich am Morgen aus dem Tiefschlaf holt, liegen wir im Hafen von Hammerfest, 1000 km nördlich des Polarkreises. Bis ich gewaschen, angezogen, geschminkt und endlich an Deck bin, sind wir aber schon wieder auf See. 


Für 9 Uhr ist die Begegnung mit einem anderen Hurtigruten Schiff, der MS Trollfjord, auf offener See angekündigt, aber die liegt noch in Havøysund fest und blockiert die einzige Anlegestelle am Kai des winzigen Fischerortes.

Wir dümpeln eine Weile vor der Hafeneinfahrt umher, bis die riesige Trollfjord mit einer knappen Stunde Verspätung an uns vorbeirauscht und wir endlich in Havøysund anlegen können. Innerhalb weniger Minuten werden zwei Paletten Schnaps aus dem Laderaum an die Pier gehievt und mit einem Gabelstapler in eine Halle gefahren. 

Meine Güte, welch ein trostloses, verlassenes Nest am Ende der Welt das ist. Nach 13 Mi­nu­ten werden die Leinen schon wieder los­ge­worfen und wir fahren weiter zum Nordkap. 

Als wir mittags in Honningsvåg festmachen, werden so viele Paletten mit Spirituosen ausgeladen und mit dem Stapler eilig wegge­karrt, dass die Frage erlaubt sein muss, ob sämt­liche 3.500 Bewohner dieses Dorfes engagierte Trinker sind.

Gegenüber der Pier entdecke ich die ICE BAR, eine Bar in der konstant eine Temperatur von -5° herrscht. Vielleicht wird der Schnapps dort zu leckeren Cocktails verarbeitet, aber beson­ders gemütlich klingt das nicht.

Während die Mehrzahl der übrigen Passagiere sich zur Snowscooter Safari aufmacht, bleiben Claudia, Pieps und ich an Bord, wo wir vom Speisesaal aus einen herrlichen und ungestörten Blick aufs Buffet haben. Besonders auf den Kabeljau in geschmorten Auberginen.

Endlich kann ich einmal zum Buffet gehen, ohne mich bei Seegang festhalten zu müssen, denn wir liegen fest vertäut im Hafen von Honningsvåg.

Pieps mag keinen Kabeljau und ich stelle ihr einen süßen Teller mit Schoko­pudding, Nuss­kuchen, Vanille­eis und einer halben Zimt­schnecke zusammen. "Wo is' die annere Hälfte?" meutert die kleine Maus sofort, als sie die halbe Zimt­schnecke bemerkt und guckt mich zutiefst miss­trauisch an.

Während wir beim Essen sitzen, beginnt es zu schneien und das Hinweisschild an der Wand des Lagerhauses "2.110 km til Nordpolen" ist kaum noch zu erkennen.

Nach dem Essen ziehe ich mich in die Observation Lounge zurück und genieße es, aus der Wärme des Salons das Schneetreiben zu beobachten. Claudia löst ein Sudoku und ich wende mich meinem Kindle zu. Genau so stelle ich mir einen Aktivurlaub vor.

Nach einer Weile kommt eine Schweizerin zu uns herüber, mit der ich mich schon einige Male sehr nett unterhalten habe. Wenn sie mit ihrem Mann spricht, versteht man kein einziges Wort, aber für mich schaltet sie die Sprachverschlüsselung aus und ich kann sie ganz normal verstehen. Sie hat vier kleine Täfelchen Schweizer Schokolade, die sie uns schenkt.

Die Eismeerprinzessin freut sich wie eine Schneekönigin und der doofe Tischnachbar von gestern ist verziehen und vergessen. Dem schenkt bestimmt keiner Schokolade, höchstens Lebertran. Aber vielleicht ist er ja gerade deshalb so geworden.


Zur Feier des Tages hole ich mir aus der Caféteria eine kleine Flasche Munkholm, ein alkoholfreies Bier. Ich muss endlich einmal etwas anderes als Leitungswasser trinken. Es schmeckt köstlich und auf jeden Fall besser als Wasser.

Wir legen pünktlich ab und nehmen Kurs auf die Barentssee, die für ihre rauhen Kreuzseen bekannt ist. Der Tag ist grau in grau. Unten blaugraue See und oben ein bleischwerer Himmel. Dazwischen immer wieder Schneeschauer.

Am Nachmittag wird ein Fischer mit Königskrabben zu uns an Bord gebracht. Ein total Wahnsinniger rast bei hohem Seegang, Schneetreiben, Gischt und eisiger Kälte mit einem roten, völlig übermotorisierten Schlauchboot an die MS Lofoten heran und lässt den Fischer übersteigen.

Die Königskrabben sind riesige Biester und sehen ganz schön unheimlich aus. Sie werden bis zu zehn Kilo schwer und der Große auf dem Tisch wiegt gerade erst fünf Kilo. Beim Schnorcheln möchte ich denen lieber nicht begegnen, aber in Knoblauchsauce schon.

Zum Abendessen gibt es das übliche 3-Gänge Menü, allerdings erwartet uns heute eine Besonderheit, es gibt Stockfisch als Hauptgang. Seit Jahren bin ich schon neugierig auf Stockfisch, den ich nie zuvor gegessen habe und ebenso lange warnt Claudia mich schon vor dieser besonderen Delikatesse: "Seine Bekanntheit hat der Stockfisch durch die Haltbarkeit, weniger durch seinen erlesenen Geschmack. Du wirst nicht begeistert sein."

Der Stockfisch sieht trotzdem total lecker aus, als er mit Beilagen perfekt zubereitet auf einem gewärmten Teller serviert wird. Mit Appetit stürze ich mich auf den ersten Bissen, kaue, schmecke, schlucke und bin ernüchtert.

Er ist sehr salzig, schmeckt auf unangenehme Weise fischig und ist bestenfalls essbar im Sinne von genießbar. Man muss Stockfisch schon sehr lieben, um ihn zu mögen. Das war mein erster und letzter Stockfisch.

Trotzdem kann ich es nicht leiden, wenn Claudia immer Recht behält. Deshalb mache ich genussvoll "Hmmmm." und schicke gleich hinterher: "Ich weiß gar nicht, was du hast. Stockfisch schmeckt doch total lecker..."

17 Kommentare:

Pieps™ hat gesagt…

Puuuuh, nur zum Glück, datt dir der Füsch do' geschmeckt hat, näää!? ..... *zimtschnecke alleine mampf* ...

Pieps™ hat gesagt…

Nur die weiße Schokkelade von die Schweizerin wa' schon alt, glaub' ich ...

Karan hat gesagt…

Statt Stockfisch empfehle ich Steckerlfisch, den gibt's hier in Bayern auf der Kirmes - und er ist wirklich delikat: http://de.wikipedia.org/wiki/Steckerlfisch
(Und sogar in der Wikipedia steht eine ausdrückliche Abgrenzung zum Stockfisch.. ;-)))

Anonym hat gesagt…

Stockfisch ist so ähnlich wie Frikadellen aus Elchfleisch.
Die isst nicht mal Svenja..............

LG Markus

Sabine Gimm hat gesagt…

Das sieht sehr kalt aus. Ich glaube, ich würde lieber in die andere Richtung - in den Süden - schippern. Und Stockfisch? Liebe Grüße an Tante Claudia. Du bist mir sehr symphatisch ♥
LG Sabine

Anonym hat gesagt…

Hallo Svenja,
Krabben in Knoblauchsosse...hmmmmmm..bitte jetzt!
Mit Blanchet? Au jaa!

Stockfisch kenn ich so ähnlich aus Portugal.
Aber dort bereitet man ihn etwas raffinierter zu.
Gar nicht so übel.
BTW:Ich lese schon ne Weile mit und finde Dich einfach grossartig.
Herzliche Grüsse aus Lüneburg
Jörgel

Anonym hat gesagt…

Du möchtest Königskrabben in Knoblauchsauce begegnen??? Äh, wie oft hältst Du Dich denn in Knoblauchsauce auf???

Liebe von einem Fan von der WaPo

Rostkopp hat gesagt…

Wenn ich Deine tollen Beschreibungen so lese, bin ich ein bisschen traurig, dass ich meinen "Törn" damals nicht besser aufbereitet habe.

Eine tolle Erinnerung für Dich. Danke, dass Du uns teilhaben lässt.

Svenja-and-the-City hat gesagt…

@Pieps: Du wolltest ja keinen "Füsch" und über die Schokolade kann ich nix sagen, ich hab ja nichts abgekriegt, hmpff...

@Karan: Oh ja, den möchte ich unbedingt probieren. Ganz sicher wird mich eine meiner Touren nach Bayern führen, da war ich nämlich noch nie mit dem Motorrad. Ist sicher ein tolles Urlaubsland.

@Markus: Stimmt genau, die waren auch nicht lecker. Örks...

@Sabine: Ich mag lieber die Frische und die Kälte, aber eines Jahres fahre ich sicher auch mal wieder in den Süden. Und dann hab ich den Vergleich.

@Jörgel: Danke, Jörgel, lieb von dir. Oh ja, mit Blanchet. Tatsächlich wird ein großer Teil der norwegischen Stockfische in den Süden exportiert. Vielleicht mögen die Norweger den selber nicht?

@Eine Ente: In Knoblauchsauce? lach... Nur mit Trockenanzug natürlich. :-)
Aber der Gedanke klingt schon verlockend, oder? Ich meine die Krabben in leckerer Sauce.

@Rostkopp: Danke, du Liebe. Ich hab so viele Fotos gemacht, aber im Blog sieht man immer nur eine kleine Auswahl. Auf welchem Schiff bist du denn gefahren?

Rostkopp hat gesagt…

Ich war ganz woanders. Östliches Mittelmeer. Istanbul, griechische Inseln, Alexandria. Das war auf der Norwegian Jade.

Bin jetzt etwas in Eile. Ich glaube, ich habe das Eine oder Andere mal dazu gepostet. Jetzt habe ich keine Zeit mehr, aber ich suche die Links mal raus und falls Du Lust hast, kannst Du dann mal meine Erfahrungen lesen. Falls nicht: auch okay!

Schönes Wochenende!

Anonym hat gesagt…

Früher, also so ganz früher, dachte ich immer, Hammerfest liegt irgendwo im nahen Osten. Wärmer wäre das!
Liebe Grüsse von einer völlig verrotzen und menstruationsbeschwerdengeplagten Frau M.

april hat gesagt…

Na ja, Stockfisch lieber nicht und große Krabben auch nicht ;-) Die ganz rechts, will die weglaufen?

aende hat gesagt…

Hallo Svenja, jetzt habe ich euch den ganzen Vormittag auf eurer Reise begleitet, herzlichen Dank für diese Möglichkeit für an Haus und Hof gefesselte Menschen wie mich, auf sehr unterhaltssame Weise auch mal was von dieser Welt zu sehen :)).
L.G. Andrea





Ic glaub, ich kram auch mal wieder meine schwarzen Strumpfhosen raus und kauf mir ein Kleidchen... :)))

chiefjudy hat gesagt…

Da wird mir ja vom Hinschauen schon kalt! ich glaube, ich würde auch lieber eher nach Süden schippern - auch wenn so eine Nordkapfahrt sehr interessant scheint :-)
Viel Spaß weiterhin!

Svenja-and-the-City hat gesagt…

@Rostkopp: Ok, danke dir. Das interessiert mich auf jeden Fall. Schönen Sonntag noch.

@Frau M.: Ja, besonders warm war es nicht in Hammerfest, aber dafür konnte man seine schönsten Stricksachen tragen. Verrotzt kenne ich auch, aber das andere lasse ich mal gepflegt weg :-)

@April: Nein, zum Mögen und Streicheln sind die Biester wirklich nix. Klar wollte die weglaufen, die ahnt wohl, was abends auf sie zukommen soll.

@Aende: Oh danke schön. Es freut mich sogar sehr, wenn du ein bisschen Spaß beim Lesen hattest. Für viele sind so lange Reiseberichte eher langweilig, aber ich lese sie bei anderen auch gerne.
PS: Ja, das solltest du unbedingt tun. Mit blickdichten Strumpfhosen und einem langen Strickpulli ist man schon fast komplett und gut angezogen. Fehlen nur Overknees...

@Chiefjudy: Ja, das ist tatsächlich keine richtige Kreuzfahrt, aber ich mag die Kälte. Mit Wärme komme ich viel schlechter klar, aber bei deiner Top Figur würde es mich auch in den Süden ziehen, damit ich sie ein bisschen zeigen kann. Neidische Grüße Svenja
PS: Ich kann bei Wordpress nicht mehr kommentieren. Ich soll mich immer einloggen, aber das kann ich nicht. Hast du etwas verändert?

PaperLotta hat gesagt…

achso...das mit der Wohnung wusste ich nicht. Lustigerweise hab ich mich an dem Tag mit meiner Freundin drüber unterhalten, dass wenn wir dort wohnen würden, wohl den ganzen Tag wie Ommas am Fenster stehen würden, weil es so viel zu sehen gibt HA ;D

Arctica hat gesagt…

Hi Svenja,

irgendwie war mir wie wenn da noch wo ein Reisebericht weitergehen müsste :-). Aber etwas hast du durcheinandergebaselt: in Honningsvøg (meinem Lieblingsdorf auf der Route) geht der Nordkappausflug weg (den ich nie mitmache) und nicht der Schneeskooter - der findet in Kjøllefjord oder Kirkenes statt ;-). Meine nächste Tour ist übrigens auch schon wieder geplant - Anfang Januar, selbes Schiff, aber nur halbe Reise.

Liebe Grüsse aus Andalusien

Petra / Arctica

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